BlackBerry 8800: Akku-Langläufer mit Navigationsschwierigkeiten

27.06.2007 von Moritz Jäger
Nach den Consumern sollen nun auch die richtigen Business-Kunden ein Lifestyle-Gerät erhalten. Der 8800 ähnelt im Design dem BlackBerry Pearl, verfügt aber über eine Volltastatur und zusätzliche Positionsbestimmung mittels GPS. TecChannel hat das Gerät getestet.

Als Business-Nutzer von BlackBerrys hat man es nicht einfach. Während die Consumer mit dem eleganten Pearl protzen können, war der Viel-Mailer bislang auf das Standarddesign angewiesen. Der aktuelle BlackBerry 8800 soll hier Abhilfe schaffen.

Größenvergleich: Links der Pearl, rechts der 8800.

Das Design des neuen Handhelds orientiert sich komplett am BlackBerry 8100, genannt Pearl, verzichtet aber auf die Kamera. Stattdessen verbaut RIM ein GPS-Modul, das seinen Kunden stets die Richtung weisen soll.

Wir haben die neue Designhoffnung für Business-Kunden ins TecChannel-Testcenter geholt und liefern Ihnen in unserem Praxistest einen Überblick über die Neuerungen. Auf die E-Mail- und Push-Funktionalitäten gehen wir dabei nur am Rande ein, dort gab es keine signifikanten Änderungen.

Erster Eindruck und Handling

Aufgrund der vollständigen Tastatur ist der 8800 deutlich breiter als der Pearl. Das Gerät liegt dennoch gut in der Hand, der Daumen ruht normalerweise automatisch auf dem Trackball. Samt Akku wiegt der Handheld 133 Gramm, zusammen mit der geringen Dicke von 14 Millimeter ist er gerade noch brusttaschentauglich. Das schwarze Plastikgehäuse ist gut verarbeitet, durch die silbernen Applikationen entsteht ein sehr hochwertiger Eindruck.

Sämtliche Bedienelemente sind in die Mitte des Gerätes gerutscht, seitlich findet sich nur noch ein Hotkey (links) sowie die Lauter/Leiser-Tasten (rechts). Wer also von einem früheren BlackBerry umsteigt, sollte eine gewisse Einarbeitungszeit einplanen.

Anschlussleiste: Links am Gerät befinden sich die wichtigen Anschlüsse wie USB oder 3,5-Zoll-Klinke. Zudem ist eine Hotkey-Taste verbaut.

Das Display ist wie bei allen BlackBerrys sehr gut. Wie immer gibt es kein Touchscreen, dank der Trackball-Steuerung ist das aber nicht weiter tragisch. Inhalte werden auf dem LC-Display wie üblich mit 320x240 Bildpunkten angezeigt.

Praxis

Die QWERTZ-Tastatur verteilt sich auf 35 einzelne Tasten, wobei in jede ein erhabener Bogen geprägt ist. Dies ist anfangs ungewohnt, mit der Zeit kann man so aber schnell und sicher schreiben. Sonderzeichen, Zahlen und Buchstaben teilen sich jeweils eine Taste. Wer bereits einen BlackBerry genutzt hat, findet sich schnell zurecht. Die Zahlen sind optisch leicht von den anderen Sonderzeichen hervorgehoben. Eine klare farbliche Trennung, wie etwa noch beim 8707, gibt es nicht mehr.

Vollblut-BlackBerry: Der 8800 mailt per Tastatur und steuert sich per Trackball.

Der 8800 verfügt über das gleiche weiterentwickelte Betriebssystem wie der Pearl. Das merkt man beispielsweise bei der Eingabe von PINs. Entsprechende Felder werden erkannt, das Gerät schaltet die Eingabe dann in den Zahlenmodus um. Zudem wird das jeweils eingegebene Zeichen in einem Passwortfeld kurz angezeigt, um Fehler in alphanumerischen Kennwörtern zu vermeiden.

Zur Daten-Push-Funktionalität muss man nur wenige Worte verlieren, diese ist auf gewohnt hohem BlackBerry-Niveau. Wie immer werden E-Mails, Anhänge und Termine übertragen, wenn die Infrastruktur in der aktuellen Version vorhanden ist. Alternativ kommt der 8800 auch mit der Hosted-Version des Push-Dienstes zurecht.

Multimedia

Mit dem Pearl-Betriebssystem halten auch Multimedia-Funktionen Einzug in den 8800. RIM hat zwar bewusst auf eine Kamera verzichtet, Lieder und Videos lassen sich aber dennoch wiedergeben. Die Daten finden auf einer MicroSD-Karte Platz. Diese ist endlich so angebracht, dass man sie auch im laufenden Betrieb wechseln kann.

Hot-Swap: Die Designer haben den MicroSD-Platz endlich so geschickt verbaut, dass man im Betrieb die Karte wechseln kann.

Allerdings hapert es doch deutlich am Nutzerkomfort. Vor allem, wenn viele Inhalte auf der Speicherkarte sind, vermisst man eine intelligente Sortier- und Anzeigefunktion. Stattdessen scrollt man durch ellenlange Bildschirmseiten.

Video: Das Display stellt auch Filme klar und deutlich dar.

Ansonsten verlässt sich RIM auf Standardanschlüsse. Per Mini-USB hält das Gerät Verbindung mit dem PC; Lautsprecher, Headset und Kopfhörer finden mit einem handelsüblichen Adapter am 2,5-Zoll-Stecker Platz. Auf der linken Seite sind zudem Kontakte angebracht, über die das Gerät geladen werden kann ­– ein entsprechendes Craddle vorausgesetzt.

GPS und Navigation noch nicht ausgereift

Als großer Pluspunkt des 8800 wird das GPS-Modul samt Navigationsmöglichkeit angepriesen. Das ergibt durchaus Sinn, denn wer viel unterwegs ist, hat in den seltensten Fällen alle aktuellen Stadtpläne dabei. Leider hapert es an der Umsetzung.

Der verbaute GPS-Chip arbeitet einfach zu langsam und ungenau. TecChannel hat sich für den Test extra ein Zweitgerät kommen lassen, da wir die Reaktionszeit des ersten Testexemplars nicht glauben konnten. Dennoch bestätigte auch das Ersatzgerät unsere Befürchtungen – der BlackBerry 8800 ist kein Ersatz für „richtige“ Navigationssysteme. So kam es beispielsweise öfter vor, dass das Gerät in München oder Hannover keinen Satelliten finden konnte.

Fehlerradius: Bei sieben gefundenen Satelliten ist die Genauigkeit bei 23 Metern.

Die zweite Bremse ist die mitgelieferte Software. Auf unseren Vodafone-Testgeräten war die Vodafone-Navigationslösung auf Basis von Telmap installiert. Diese nimmt sämtliche Berechnung auf einem zentralen Server vor. Der größte Nachteil: Ständig werden Informationen und Kartendaten aus dem Internet nachgeladen. Das mag zwar eine hohe Aktualität versprechen, sorgt aber für genauso hohe Kosten. Kundenfreundlicher wäre es, zumindest die bislang geladenen Daten auf der MicroSD-Karte abzulegen. Für Vodafone lohnt sich das Geschäft auf alle Fälle, ist doch für einen stetigen Datenfluss gesorgt.

Zudem arbeitet die Software extrem langsam. Die Streckenberechnung dauert lang, biegt man etwa falsch ab, sollte man erst einmal stehen bleiben, bis sich das Gerät neu ausgerichtet hat. Alles in allem ist der BlackBerry 8800 einem dedizierten Navigationsgerät deutlich unterlegen. Mit der derzeitigen Software taugt er höchstens als zusätzlicher, interaktiver Stadtplan, wenn die Zeit nicht drängt.

Lauf- und Ladezeit: Die Referenz unter den mobilen Geräten

Die Laufzeit des BlackBerry 8800 beeindruckt. In unserem Dauerbelastungstest hielt das Gerät stolze 1077,35 Minuten durch, also beinahe rekordverdächtige 18 Stunden. Damit schlägt der 8800 jedes Gerät, das wir bislang im Test hatten, und ist die neue Referenz für Akkulaufzeit.

Ladediagramm: 90 Minuten lang lädt der BlackBerry mit fünf Watt, danach flacht die Kurve ab.

Positiv fällt die Ladezeit des Gerätes ins Auge. Nach nur 138 Minuten ist der Akku wieder voll geladen. Wie das Diagramm zeigt, versorgt das Netzteil den Akku knapp 90 Minuten lang kontinuierlich mit einer hohen Ladung, erst danach bremst die Elektronik die Zufuhr langsam ein.

Technische Daten im Überblick

Hardware

Prozessor

keine Angaben

Speicher

64 MByte Flash-Speicher

16 MByte SRAM

Erweiterungs-Slot

nicht vorhanden

Display

320 x 240 Bildpunkte

Größe

114 x 66 x 14 mm

Gewicht

133 Gramm inklusive Akku

Akku

1400 mAh

Verbindung und Kommunikation

Mobilfunk

GPRS/GSM/EDGE

WLAN / GPS

nein / ja

Bluetooth

ja, 2.0

Profile: Headset, Freisprechen, serieller Anschluss

Schnittstelle

USB 2.0

Synchronisation

proprietäre BlackBerry-Software

Antenne

nein

Hersteller

RIM

Preis (voraussichtlich) mit Vertrag

Vodafone: ab 289,00 Euro

T-Mobile: ab 139,95 Euro

E-Plus: ab 229,99 Euro

O2: nicht im Angebot

zusätzliche Kosten durch BlackBerry-Dienst

Ohne Vertrag

zirka 500 Euro

Vertrieb

Vodafone, T-Mobile, E-Plus

Fazit

Der BlackBerry 8800 ist endlich das schicke Gerät für Viel- und Dauer-Mailer und läutet die neue Generation an BlackBerrys für den Firmenbereich ein. Dankenswerterweise verzichtet RIM auf eine Kamera, was den Business-Ansatz weiter unterstreicht.

Die GPS-Funktion hätten wir uns deutlich ausgereifter gewünscht. Als Notfall-Stadtplan ist das Gerät okay, aber eine dedizierte Navigationslösung ersetzt es nicht, dazu ist die getestete Lösung zu langsam und zu ungenau. Zumal die ständige Übertragung von Kartenmaterial sich auch in der Monatsrechnung niederschlägt.

Musiker: Auch Lieder lassen sich mit dem Gerät abspielen, allerdings ist die Titelverwaltung noch verbesserungsbedürftig.

Überragend ist dagegen die Akkulaufzeit. Gerade wer viel unterwegs ist, benötigt diese Unabhängigkeit von der Steckdose. Kombiniert mit der relativ schnellen Ladezeit und dem Standard-USB-Anschluss macht das den BlackBerry 8800 zum idealen Begleiter für Vielreisende. Und mit einer zusätzlichen MicroSD-Karte lässt sich das Gerät auch zum MP3- und Video-Player umfunktionieren. Wer sich also demnächst ein neues Smartphone mit Schwerpunkt auf Mobile-E-Mail anschaffen will, der kommt am BlackBerry 8800 nicht vorbei. (mja)