Bundeskriminalamt als Internet-Wächter

BKA stellt Richtlinien zur Sperrung des Internets vor

25.09.2009 von Jürgen Hill
Bereits am 5. Oktober will das Bundeskriminalamt (BKA) alle Internet-Provider versammeln, um ihnen die geheimen Richtlinien zum Sperren von bestimmten Internet-Seiten zu präsentieren.

Nach der Bundestagswahl wird es in Sachen Internet-Zensur ernst: Wie der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco e.V. berichtet, hat das Bundeskriminalamt (BKA) die Internet-Provider für den 2. Oktober nach Wiesbaden eingeladen, um die Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen voranzutreiben. Sie sollen an diesem Termin eine technische Richtlinie entgegennehmen, die regelt, in welcher Form und nach welchem Verfahren die Sperrliste und die Aufstellung über die Anzahl der Zugriffsversuche zur Verfügung gestellt werden.

Die Sache hat allerdings einen Haken: Mit der Aushändigung der Richtlinie sollen die Unternehmen gleichzeitig eine Verpflichtung zur Geheimhaltung abgeben. Ein Vorgehen, das Oliver Süme, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von eco kritisiert: "Eine Umsetzung der Zugangserschwerung als geheime Kommandosache ist jedenfalls nicht geeignet, das ohnehin geringe Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gesetzesvorhaben zu stärken".

Erschwerend kommt hinzu, dass nun eintritt, was die fast 135.000 Unterzeichner der Petition gegen Internet-Sperren befürchteten: Der Aufbau der technischen Infrastruktur erfolgt ohne Beachtung der rechtsstaatlichen Grundsätze. Zudem, so beschwert sich der eco, habe das BKA die technische Richtlinie ohne Rechtsgrundlage erarbeitet. Denn das Gesetz, das im Juni mit den Stimmen der Großen Koalition (CDU/CSU, SPD) verabschiedet wurde, ist noch nicht in Kraft getreten. Das Gesetz basiert auf einer Initiative von Familienministerin Ursula von der Leyen, die populistisch Internet-Sperren forderte, um so den Zugriff auf kinderpornografische Inhalte zu verhindern beziehungsweise zu erschweren, statt deren Erstellung direkt zu bekämpfen. Da die Erstellung entsprechender Speerlisten ohne Richtervorbehalt erfolgen soll, trug dies der Ministerin bei ihren Gegnern den Spitznamen "Zensursula" ein.

Kritik an den Internet-Richtlinien

Beim eco mokiert man sich ferner darüber, dass die betroffenen Verbände und Unternehmen nicht offen über die technische Richtlinie diskutieren könnten oder öffentlich diskutieren dürften, da das BKA diese als "VS-NfD" (Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch) deklariert habe. Allerdings kommt die Kritik der Internet-Wirtschaft etwas spät, denn im April hatten mit Telekom, Vodafone, Alice/HanseNet, Kabel Deutschland und Telefónica O2 fünf große Internet-Provider in einem Akt von vorauseilendem Gehorsam freiwillig eine Zensurverpflichtung zur Sperrung von Internet-Seiten unterschrieben und so Staat und BKA grünes Licht zur Umsetzung entsprechender Pläne signalisiert.

Die Kritiker des Gesetzes fühlen sich durch die Geheimniskrämerei des BKA in ihren Befürchtungen bestätigt, dass die Sperrung von Internet-Seiten nur ein Vorwand sei, um grundsätzlich eine technische Infrastruktur zur Internet-Zensur nach dem Vorbild Chinas aufzubauen. Ängste, die in den letzten Monaten durch etliche Politiker zusätzliche Nahrung erhielten, als diese forderten, die Sperrlisten doch um Killerspiele (CDU) und Filesharing-Seiten (SPD) zu ergänzen. Angesichts des Wahlkampfes und den überraschenden Achtungserfolgen der Piratenpartei, für die dies ein zentrales Wahlkampfthema war, wurden die entsprechenden Politiker von ihren Parteizentralen schnell zurückgepfiffen.

Warum das BKA aus seiner Richtlinie nun eine Verschlusssache macht ist zudem noch aus einem anderen Grund nicht nachzuvollziehen: So lange die Sperrmechanismen auf der Ebene der Domain Name Server (DNS) ansetzen, sind diese für jeden halbwegs technisch versierten Internet-Nutzer leicht zu umgehen. Er braucht nur mit Hilfe des Opensource-Pakets "bind" seinen eigenen DNS-Server aufsetzen und sich die entsprechenden Informationen für Konfigurations- und Zonendateien jenseits der deutschen Landesgrenzen holen, um weiter einen freien Internet-Zugriff zu haben. (Computerwoche/hal)