Bildschirme aus der Ferne

14.10.1998
Fernzugriff heißt das Zauberwort, das Telearbeitern die Unabhängigkeit vom Büroalltag verspricht. Wir haben "Winframe" von Citrix unter die Lupe genommen, mit dem sich solche Netze softwaretechnisch aufbauen lassen.

Von: Hans-Jörg Schilder

Wer heute ein Netz aufbauen will, das einen Fernzugriff erlaubt, hat verschiedene Alternativen zur Auswahl. Sie können sich auf einen Spezialisten wie zum Beispiel Perle oder Shiva verlassen, die Hard- und Software für solche Netze ausliefern. Nicht zu vergessen die deutschen Unternehmen wie ITK oder AVM: Der Berliner ISDN-Spezialist hat erst auf der Systems 97 seine neue Remote-Access-Lösung für GSM und ISDN vorgestellt. Vorteil dieser Modelle sind angepaßte Lösungen, optimiertes Tarifmanagement sowie eine breite Unterstützung von Betriebssystemen. Nachteil ist der hohe Preis, der sich allerdings durch günstige Leitungskosten schnell amortisiert.

Kostet nichts, taugt wenig

Eine weitere Alternative bildet der Aufbau von Zugriffsnetzen in Eigenregie, bei dem bestehende Hardware mit Software läuft, die das Betriebssystem anbietet. Hier ist in erster Linie der Remote-Access-Service (RAS) beziehungsweise seine Spielart Routing-Remote-Access-Service (RRAS) von Microsoft zu nennen. Eindeutiger Vorteil dieses Modells ist der Preis: Der "Steelhead" genannte Router wird von Microsoft derzeit kostenlos angeboten und in der Betriebssystemversion NT 5.0 integriert. Aber was nichts kostet, muß nicht unbedingt etwas taugen. Zwar schließt der RAS einen Call-back ein, doch wer versucht, Gebühren zu sparen, muß auf API-Anpassungen des Hardwareherstellers zurückgreifen. Von den im professionellen Umfeld wichtigen Anforderungen Zugriffssicherheit, Tunneling für den Aufbau standardisierter Netze und Verschlüsselung mit standardisierten Protokollen ganz zu schweigen. Der Hinweis, daß nur Windows-95- und -NT-Rechner in den Genuß des RAS kommen, schränkt die potentielle Kundschaft noch weiter ein.

Ganz anders dagegen positioniert der Hersteller Citrix die Remote-Access-Software "Winframe", die wir in der Version 1.7 getestet haben. Hinter diesem Produkt verbirgt sich ein eigenes Betriebssystem, das auf Windows NT 3.5.1 aufsetzt. So gleicht der Installationsvorgang dem Einrichten eines Betriebssystems: Zuerst bereiten drei Disketten die Hardwareerkennung vor, während von der CD-ROM die weiteren Dateien überspielt werden. Für die Errichtung des Servers müssen SCSI-Adapter, Netzwerkkarte und Drucker eingegeben werden. Schließlich fügt die boot.ini den Aufruf des Remote-Access-Servers hinzu.

Winframe liefert eigenes Betriebssystem

Auch der Start von Winframe gleicht dem Anfang von NT: Erst mit dem Drücken von Ctrl-Alt-Del erscheint die Maske, die Nutzer, Server und Paßwort abfragt. Auf dem Server lassen sich neue Nutzer einrichten, Übertragungswege wie zum Beispiel Modem, X.25 oder ISDN eingeben. Nicht vorgesehen haben die amerikanischen Entwickler die Übermittlung von Daten via GSM. Auch die Errichtung von ISDN-Verbindungen funktioniert nur über die Nutzung des NDI-WAN-Winiports, den einige ISDN-Karten-Hersteller separat zu ihren Karten anbieten. Die Unterstützung der CAPI ist jedoch nicht vorgesehen.

Ein wichtiges Kapitel ist die Verwaltung der Lizenzen. Citrix ahmt das Microsoft-Modell nach und vergibt Lizenzen pro Server oder pro Sitzung. In der Version "pro Sitzung" läßt der Server nur eine bestimmte Anzahl an Verbindungen zu, während beliebig viele Versionen auf dem Rechner installiert sein können. Dagegen läßt "per Server" nur eine bestimmte Anzahl an Kopien zu. Nachdem aber auch Microsoft für den RAS Geld für alle Verbindungen verlangt, die mit seiner Software aufgebaut werden, muß mit zusätzlichen Ausgaben gerechnet werden. Ausnahmen gibt es nur, wenn kein RAS unter NT genutzt wird.

Im ersten Beispiel will ein 200-Mann-Unternehmen 20 Mitarbeitern gleichzeitig den Zugriff auf das Firmennetz erlauben. Hier kommt ein "per Server"-Modus zum Zug, der mit 20 Client-Lizenzen ausgestattet ist. In einem anderen Fall sind 200 Workstations und vier Winframe-Server mit je 50 Lizenzen ausgestattet. Hier empfiehlt sich der Einsatz der Lizenzierung pro Sitzung.

Probleme mit dem deutschen Zeichensatz

Im dritten Beispiel vermischt ein Unternehmen die Nutzung von RAS mit NT-Server und Winframe. Dieses Unternehmen hat drei Winframe-Server und 100 Mitarbeiter, die alle auf das Firmennetz zugreifen. Hier muß sich das Unternehmen nun entscheiden, wie viele Nutzer sich gleichzeitig auf einem Server einloggen dürfen: Sind zum Beispiel 33 Mitarbeiter eingeloggt, während 20 weitere sich auf einem anderen Server befinden, erfordert dies die Anschaffung von dreimal 53 Lizenzen, also 159 Stück.

Nachdem auf unserem Testrechner sowohl Windows NT Server 4.0 als auch Windows 95 installiert waren, fragt die Installationsroutine ab, ob die Dateistruktur beim alten gelassen werden sollte. Aber während ein Neustart von NT 4.0 nur noch über die Reparaturdiskette vonstatten ging, blieb die Einsatzfähigkeit von Windows 95 unberührt. Auffällig war jedoch, daß Winframe trotz Eingabe als deutsche Version nur den amerikanischen Zeichensatz kannte. So ließen sich die Umlaute nicht darstellen. Auch die Übermittlung des Bildschirmes reduziert die Einsatzbreite: Winframe unterstützt nur Bildschirmauflösungen von 640 mal 480 Punkten mit 16 Farben.

Auf diese Weise arbeiten die Client/Server-Applikationen zusammen: Der externe PC greift über eine Wählverbindung oder LAN (hier werden auch IPX/SPX, TCP/IP, Appletalk sowie DLC unterstützt) auf den Server zu, der ihm die Anwendungen zur Verfügung stellt. Für die Beschleunigung der übermittelten Daten stehen auf den Clients die Einrichtung von Caches und Kompression zur Verfügung. Schade ist allerdings, daß hier kein intelligenter Short-hold-Modus zum Einsatz kommt, der die Gebühren für die benutzten Wählverbindungen reduziert.

Für unseren Test haben wir auf dem Server (Name: Eisbaer) ein Modem eingerichtet und einen Nutzer mit Paßwort festgelegt. Auffällig war, daß Winframe weder das Modem des Servers (ein Xlink mit 28 800 Bit/s) noch das des Remote-PC (Name: Pinguin) erkannte (Dago Speed mit 14 400 Bit/s). Auf Anhieb ließ sich keine Verbindung aufbauen.

Die Auswahlliste der unterstützten Modems umfaßt übrigens auch die ISDN-Modems von Elsa, EEH Datalink oder Zyxel. Anschließend kopierten wir auf dem Server eine Client-Diskette für Windows 3.x. Zusätzlich stehen DOS, NT, Win 95 sowie LAN-Manager für OS/2 zur Auswahl. Die Einrichtung von Macintosh-Usern erfolgt über die "Netzwerkoption". Hier fungiert Winframe als Router und bietet seine Services an.

Eine weitere Funktion ist "Remoteboot". Hier hinterlegt jeder Client seine Startdateien und kann dann vom Server aus extern gebootet werden. Die einzelnen Geräte sind im Remoteboot-Manager eingetragen und benötigen je nach Betriebssystem zwischen 0,7 MByte (DOS 3.3) bis zu 12,4 MByte (Windows 3.1) auf der Festplatte des Servers.

Umfangreiche Funktionen, aber komplizierte Lizenzierung

Umdenken ist gefordert für all jene, die sich mit Winframe abgeben. Das fängt bei so einfachen Sachen wie dem Mapping der Laufwerksbuchstaben an. Dies hat zum Beispiel zur Folge, daß sich eine nachträglich installierte Netzwerkkarte nicht auf D:\i386 befindet, sondern auf N:\i386. Ein weiterer Knackpunkt ist die Lizenzierung: Sie ist kompliziert und erfordert einiges Fingerspitzengefühl. So müssen zum Beispiel die gültigen Lizenzen entfernt werden, wenn der Administrator ein Upgrade installiert. Schade ist auch, daß wichtige Funktionen wie Call-back oder Short-hold fehlen und eine Verschlüsselung extra bezahlt werden muß.