Bezahlen mit dem Handy

11.05.2001
Wenn es nach dem Willen der Shopanbieter, Kreditkartenunternehmen und Netzbetreiber geht, soll das Handy schon bald als Standard-Bezahlterminal für online bestellte Waren dienen. Allianzen aus Mobilfunk-Providern und Banken bereiten sich darauf vor, ihren Kunden "M-Payment" zu ermöglichen - und dem bisherigen Alleinanbieter Paybox Konkurrenz zu machen.

Von: Stefan Gneiting

Ende März startete Viag Interkom einen dreimonatigen Feldversuch mit dem Bezahlen über Mobiltelefone. Mit den Erfahrungen der rund 1000 Testkunden und etwa 30 Internet-Händler möchte das Unternehmen herausfinden, auf welche Resonanz die Angebote stoßen, welche Dienste in Anspruch genommen werden und welche Kapazität die Server bereitstellen müssen.

M-Payment wird es zunächst nur für Online-Shops geben. "Weder Händler noch Kunden ist es zuzumuten, wenn sie an der Kasse etwa eine Minute auf die Zahlungsbestätigung warten müssen", erläutert Lutz Schüler. Der Leiter Unternehmensentwicklung bei Viag Interkom sieht daher für den herkömmlichen Einzelhandel zunächst keine Chance, das Handy als Ersatz für Bargeld oder EC-Karte einzusetzen. Hier müsse man erst noch eine geeignete Technik - beispielsweise Bluetooth - finden, die das Prozedere beschleunigt. Bei einer Onlinebestellung dauert das Bezahlen zwar genau so lange, der Käufer sitzt aber in diesem Fall zu Hause und steht nicht in der Warteschlange vor einer Supermarktkasse - und hinter ihm ungeduldige Kunden.

M-Payment nur für Onlineshops

Alle Unternehmen und Inhaltevermarkter, die sich jetzt Hoffnung auf eine Methode zur Abrechnung kleiner Summen machen, erwartet eine Enttäuschung. Die Einschränkung beim Viag-Test: Der Händler kann den Kunden nur Beträge anlasten, die mindestens im Bereich von mehreren Mark liegen. Der einzig sinnvolle, weil effiziente Weg, Pfennigbeträge abzurechnen, läuft über die Zahlung per Telefonrechnung. Dafür müsste Viag aber eine Banklizenz beantragen, weil es sich um eine Kreditgewährung für branchenfremde Dienstleistungen handelt.

Diesen steinigen Weg möchten die Münchner nicht gehen - im Unterschied zur Büdelsdorfer Mobilcom. Die dortigen Verantwortlichen machten Nägel mit Köpfen und gründeten gemeinsam mit der Landesbank Baden-Württemberg die "Mobilbank". Geschäftszweck des Geldinstituts: M-Payment-Lösungen im mobilen und stationären Internet sowie Bankanwendungen per Handy. Ab Mitte des Jahres, wenn die Mobilbank das operative Geschäft aufnehmen möchte, sollen die Kontoinhaber über das Handy Überweisungen tätigen, Aktien ordern oder Waren bezahlen können.

Der Vorteil für die Kunden: Sind Käufer und Händler bei der Mobilbank, geschieht die Transaktion in Echtzeit: das Geld wird vom Käuferkonto abgebucht und dem des Ladenbesitzers sofort gutgeschrieben. Das macht mobiles Bezahlen der altehrwürdigen Registrierkasse ebenbürtig oder sogar überlegen: Bei Transaktionen über die Mobilbank muss der Händler nicht einmal mehr die Geldbombe zum Nachtschalter bringen - das Geld fließt direkt auf sein Konto.

Während sich Viag & Co. noch an das mobile Bezahlen herantasten, bietet die Raunheimer Firma Paybox.net AG den Service bereits an. Aber trotz 200 000 akkreditierter Endkunden und 800 beteiligter Shopanbieter setzen die Netzbetreiber nicht auf die Tochter der Deutschen Bank. Das Problem: Sowohl Käufer als auch Verkäufer müssen sich anmelden. Nur Paybox wird so zum Vertragspartner. Thomas Meisterernst von Materna bringt auf den Punkt, was Vertreter der Netzbetreiber und Banken nicht offen aussprechen wollen: "Mit diesem Vorgehen rutschen Betreiber und Banken in der Wertschöpfungskette um eine Stufe nach unten."

Das sehen die Raunheimer naturgemäß anders. Dort betrachtet man die Unabhängigkeit als großen Vorteil. "Nur unser System ist massenfähig", behauptet Unternehmenssprecherin Susanne Mi-ckan trotz des drohenden Wettbewerbs selbstbewusst. Der knapp einjährige Erfahrungsvorsprung gegenüber der angekündigten Konkurrenz ist ihrer Ansicht nach ein weiteres großes Plus. Außerdem könnten Paybox-Kunden mehr als nur im Online-Shop bezahlen. Beispielsweise seien Überweisungen per Mobiltelefon an Privatleute möglich. Das Unternehmen bietet diese Dienstleistung bis Juli sogar noch gebührenfrei an.

Paybox hofft auf 600 000 Kunden

Zu den 800 registrierten Online-Händlern kommen noch rund 3800 Taxis und etwa 200 andere Anbieter wie die Lindner-Hotels hinzu. Bis Ende des Jahres hofft die Firma, die Kundenzahl in Deutschland auf 600 000 Kunden steigern zu können. Hohe Erwartungen setzt man außerdem auf die Zusammenarbeit mit Debitel. Der Service Provider startete mit "Cashline" einen Dienst, mit dem Besitzer von Prepaid-Telefonen ihr Gebührenguthaben aufladen können, unabhängig davon, ob sie Kunden von Debitel sind. Einzige Voraussetzung: Sie müssen sich bei Paybox registrieren. Bis Mitte 2002 möchte der Stuttgarter Provider so 1,3 Millionen Kunden für seinen Partner gewinnen.

Kritische Masse ist erforderlich

Trotz des Erfahrungsvorsprungs sehen sowohl E-Plus-Sprecher Markus Gehmeyr als auch Viag-Interkom-Manager Lutz Schüler mehrere Argumente, die für den Ansatz ihrer Unternehmen sprechen.

Die deutschen Mobilfunkbetreiber verfügen über viele Millionen Kunden, mit denen man theoretisch schnell eine kritische Masse erreichen kann, um Bezahlen mit dem Handy auf dem Markt zu etablieren. Strategisch wichtige Partner bringen ebenfalls ihre Kunden mit - so zum Beispiel die Hypovereinsbank, die in den Testlauf von Viag Interkom involviert ist oder die Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS), die sich der Initiative "Payitmobile" von E-Plus, Materna und Accenture angeschlossen hat. Sie pflegt bereits Geschäftsbeziehungen zu mehr als 400 000 Händlern - ein großer Vorteil, denn wie auch bei den Kunden gilt: Je mehr Anbieter sich dem Handy als Bezahlmittel öffnen, desto höher die Chancen für einen Erfolg.

www.uk.experian.com

Auch wenn es während der CeBIT so aussah, als buhlten mehrere konkurrierende M-Payment-Systeme um die Gunst der Kunden, sind sich alle Beteiligten letztlich einig, wenn es um die Frage der Standardisierung geht. Die Mitglieder des neu gegründeten Joint Ventures Payitmobile betonen ausdrücklich, dass man offen für andere deutsche Mobilfunknetzbetreiber, Serviceanbieter und Banken sei. "Entscheidend für den Markterfolg ist die Definition eines einheitlichen Systems", stellt Thomas Meisterernst von Payitmobile-Partner Materna klar.

Deutliche Worte findet auch Lutz Schüler von Viag Interkom: "Wenn wir innerhalb der nächsten fünf bis sechs Monate keine Verständigung unter den Netzbetreibern über einen einheitlichen Standard erreichen, ziehen wir uns aus diesem Geschäft zurück." Damit zerstreut er auch die Bedenken über einen Alleingang seines Unternehmens. "Wir würden dann allen potenziellen Zahlungsanbietern unmittelbaren Zugang zu unseren Kunden geben und an deren Wertschöpfung partizipieren", erklärt er die Pläne von Viag Interkom. Damit rechnet Schüler aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Die Gespräche mit den Mitbewerbern verlaufen seinen Angaben zufolge vielversprechend.

Einheitliche Schnittstellen

Doch nicht nur die Anbindung der unterschiedlichen Server an die Infrastruktur der Netzbetreiber und die Abrechnungssysteme von Banken und Dienstleistern wie der GZS müssen vereinheitlicht werden. M-Payment muss auch kompatibel zur Software der unterschiedlichen Online-Shops sein.

Die Beschreibung auf den Internet-Seiten von Payitmobile klingt simpel: Anmelden - zugesandte Software integriert sich selbstständig - Payitmobile-Button erscheint auf der Shopseite. Ob sich das in der Praxis so einfach umsetzen lässt, bleibt abzuwarten.

Praxiskenntnisse mit der Implementierung von M-Payment-Software konnte bereits Viag-Interkom-Partner Virbus sammeln. "Nach unseren Erfahrungen dauert die Integration maximal drei Stunden", versichert Sales-Managerin Gitta Niemann. Etwas länger dauerte es bei Palmandmore.com. Der Online-Shop benötigte etwa einen Tag zur Anpassung der Software. (haf)

Zur Person

Stefan Gneiting

ist freier Autor in München. Sein Spezialgebiet ist die Mobilfunktechnik.