Bewegung im Thin-Client-Markt

30.11.2001
Steigender Kostendruck und der Wunsch nach mehr Sicherheit bringt dem Segment der Thin Clients neuen Zulauf. Doch Server Based Computing leistet mittlerweile wesentlich mehr.

Von: Stefan Rubner

Angesichts der aktuellen schlechten Wirtschaftslage suchen Firmen nach Möglichkeiten, ihre Ausgaben zu senken. Darum denken viele Unternehmen wieder über eine Technik nach, die es schon lange gibt: Thin Clients. Deren Einsatz verspricht, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Dank zentraler Installation der Applikationen auf einem leistungsfähigen Server sinken die Wartungskosten für Software. Allerdings haben sich die Gründe, die für die Thin-Client-Technik sprechen, in den letzten Jahren verändert. Bestand die "reine Lehre" darin, wirkliche Thin Clients, also Rechner ohne Festplatte mit Betriebssystem im ROM (Read Only Memory), einzusetzen, ist das Spektrum der Endgeräte heute deutlich breiter. Vor allem ältere PCs, aber auch neuartige Devices wie Personal Digital Assistants (PDA), Pocket-PCs oder Mobiltelefone lassen sich nun integrieren.

nenten, die direkt auf dem Applikationsserver installiert sind.

Deshalb firmiert Thin Client Computing inzwischen unter einem neuen Namen: Server Based Computing. Mit den neuen Endgeräten ging auch ein weiterer Wechsel einher. Interessenten reicht es nicht mehr, ihre Applikationen innerhalb des lokalen Netzes zentral verfügbar zu machen. Auch von außerhalb, zum Beispiel über Remote-Anbindungen oder das Internet, sollte der Zugriff auf die Anwendungen möglich sein. Die Hersteller von Lösungen zum Server Based Computing wollen daher komplette Portale aufbauen. Über diese soll der Nutzer dann wie gewohnt Zugriff auf seine Anwendungen erhalten, unabhängig vom aktuellen Arbeitsplatz, seiner Verbindung zum Applikationsserver und dem Gerät, mit dem er arbeitet. Derzeit sind vor allem drei Hersteller im Gespräch, wenn es darum geht, Server Based Computing im Firmennetz zu realisieren: Microsoft, Citrix und Tarantella. Alle verfolgen ähnliche, zum Teil parallele, aber in Teilen eben doch unterschiedliche Ansätze, die Anforderungen der Kunden zu erfüllen.

Einstiegsdroge Microsoft

Der Start von Microsoft in das Server Based Computing fand mit dem "Windows NT 4.0 Terminal Server" statt. Diese spezielle Version der Server-Variante von "Windows NT 4.0" erlaubt es Clients auf Windows-Basis, Anwendungen direkt auf dem Server auszuführen und sowohl Benutzerkonten wie auch Applikationen zentral zu verwalten. Bei "Windows 2000 Server" sind die Funktionen in das Betriebssystem integriert, was der Verbreitung des Server Based Computing in Windows-Umgebungen einen Schub gab.

Zur Kommunikation zwischen Client und Server setzt Microsoft auf das Remote Desktop Protocol (RDP). Dessen aktuelle Version 5.0 erlaubt es Windows-Rechner über beliebige TCP/IP-Verbindungen auf den zentralen Anwendungspool zuzugreifen. Mit Windows XP und dem darin enthaltenen RDP 5.1 sollen neue Unterstützungsfunktionen für Echtfarbdarstellung und Sound-Support auf dem Client folgen, allerdings ist hierfür noch kein Serverbetriebssystem vorhanden. Microsoft selbst positioniert die Terminal Services vor allem im Bereich der Netze mit bis zu 50 Mitarbeitern. Für größere Ansprüche, etwa verteilte Netze oder Load Balancing der Applikationsserver, verweist der Hersteller auf die Produkte von Citrix.

Branchenführer Citrix

Bereits seit den Tagen von OS/2 bietet Citrix Lösungen für Server Based Computing an. Bis Mitte letzten Jahres waren die Produkte der "Winframe"-Serie nur für Windows-Umgebungen erhältlich. Mit dem Erscheinen der Produktschiene "Metaframe" lassen sich inzwischen auch Unix-Welten in das System von Citrix integrieren. Entsprechend breit ist auch die Basis der unterstützten Clients: das Spektrum reicht von alten DOS-Maschinen über die gesamte Windows-Palette und Unix-Stationen bis hin zu Mobiltelefonen und PDAs.

Zur Kommunikation mit den Clients setzt Citrix auf ein Two-Tier-Modell. Hierbei richtet der Administrator auf jedem Anwendungsserver eine Metaframe-Komponente ein, die als Vermittler zwischen dem Client und der angesprochenen Applikation fungiert. Den Datentransfer übernimmt das von Citrix entwickelte Protokoll Independent Computing Architecture (ICA). Im Vergleich zur Microsoft-Lösung bietet Metaframe einige erweiterte Merkmale. Neben der schon jetzt vorhandenen Echtfarbfähigkeit und der Unterstützung von Sound auf den Clients sind hier vor allem Load Balancing sowie das Panning und Scaling relevant, das die Bildschirminhalte automatisch an die Displaygröße der Endgeräte anpasst.

Newcomer Tarantella

Aus einer ganz anderen Ecke kommt "Tarantella". Einst von SCO entwickelt und vor deren Niedergang in ein eigenständiges Unternehmen ausgegliedert, kämpft das Produkt aus der Unix-Welt derzeit um Marktanteile. Neben der mittlerweile lizenzierten RDP-Technik setzt Tarantella auf AIP (Advanced Internet Protocol) als Übertragungsprotokoll. Eigene Clients dafür sind verfügbar, allerdings liegt der Fokus hier deutlich auf der Unterstützung von Workstations. Darüber hinaus ist derzeit lediglich für den "Nokia Communicator" eine Software zur Integration in Ta-rantella-Umgebungen verfügbar.

Die Philosophie des Unternehmens fußt auf einer Three-Tier-Strategie. Ein eigener, zwischen Client und Applikationsserver geschalteter, Server dient dabei als Middleware. Die Endgeräte stellen ihre Anforderung an den Server mittels AIP. Dieser wiederum kommuniziert über eigene Module mit den Anwendungen auf den verschiedenen Zielsystemen, wobei er die nativen Protokolle der jeweiligen Umgebung verwendet. Damit die Stationen sinnvolle Informationen erhalten, muss der Tarantella-Server die Datenströme zunächst in AIP übersetzen, bevor er sie an die Clients weiterleitet.

Aktuelle Aufgaben und Trends

Im Augenblick ist der Markt für Server Based Computing klar abgesteckt. Bei Kunden aus der Microsoft-Welt sind Produkte von Citrix erste Wahl. So verweist Citrix auf eine Marktdurchdringung von 80 bis 90 Prozent. Die meisten Unternehmen rüsten also ihre als Terminalserver betriebenen Windows-Server über kurz oder lang mit "Winframe" oder "Metaframe" auf. Firmen mit heterogenem Netzwerkhintergrund dagegen werfen eher einen Blick auf Tarantella. In beiden Fällen riskieren die Kunden allerdings auch einen Blick über den Tellerrand. Damit ist nicht nur gemeint, dass dem Anwender Applikationen aus den verschiedenen Welten - Windows, Unix und Host - zur Verfügung stehen, sondern auch deren Nutzung von mehr oder weniger jedem Punkt der Welt aus. Für die Hersteller bedeutet das: Die Zeichen stehen auf Web. Deshalb ist die Marschrichtung heute in Richtung offener Portale festgelegt. Der Zugriff auf die Anwendungen erfolgt über einen beliebigen Webbrowser, der die jeweiligen Protokolle mithilfe von Java-Applets oder Active-X-Controls lernt. Vor allem Citrix engagiert sich in jüngster Zeit in diesem Sektor und versucht, durch Zukäufe das Portfolio zu komplettieren.

Bei den Herstellern von Thin Clients geht es beschaulich zu. Zwar ist nahezu einvernehmlich zu hören, dass der Absatz der Geräte stagniert, richtige Klagen sind aber noch nicht zu vernehmen. Alle wesentlichen Aufgaben der letzten Monate, wie zum Beispiel die Integration neuer Schnittstellen, sind gelöst. USB-Anschlüsse stellen inzwischen kein Problem mehr dar, und auch hohe Farbtiefen auf den Endgeräten bietet heute jeder Hersteller an. Unterschiedliche Philosophien lassen sich lediglich bei der Wahl des Client-Betriebssystems ausmachen. Während Wyse auf Windows Based Terminals (WBT) vorwiegend unter Windows CE setzt, sind auch Systeme mit speziell zugeschnittenem Linux auf dem Markt. Aus der Wahl der richtigen Plattform machen die Anbieter jedoch keine Glaubensfrage. So bieten zum Beispiel Esesix und Melchers/Igel Geräte beider Welten an und scheuen sich nicht, dem Anwender im Zweifelsfall zum Einsatz von Fat Clients zu raten.

Knackpunkt Management

Eine Lösung, welche die Hardware einer Server-Based-Computing-Umgebung wirksam verwaltet, ist noch nicht gefunden. Während die Administration der Anwender und Applikationen durch die einzelnen Systeme sehr gut abgedeckt ist, gibt es bei der Hardwareintegration noch Lücken. Zwar gehen viele Anbieter von Thin Clients dazu über, ihren Produkten eigene Managementlösungen beizulegen. Diese sind aber oft auf die jeweilige Hardware zugeschnitten, was es nicht erlaubt, PCs und andere Ressourcen zu administrieren. Mit derartigen Lösungen lassen sich auch große Installationen verwalten. Funktionen wie Betriebssystem-Updates über das Netzwerk, Geräte-Identifizierung und Remote Control für vereinfachten Benutzersupport gehören mittlerweile zum Standard. Um auch den Hardware-Pool unter Kontrolle zu halten, bleibt dem Systemverantwortlichen aber oft nur der Griff zu weiteren Zusatzprodukten wie "HP Openview". Einige mit Thin Clients ausgelieferte Produkte bieten Schnittstellen zu den großen Managementlösungen, Standard ist dies allerdings noch nicht.

Fazit

Wer heute mit dem Einsatz von Server Based Computing liebäugelt, findet ein gut sortiertes und leistungsfähiges Angebot vor. Probleme der letzten Jahre, wie Remote-Zugriff auf die zentralen Applikationen, sind von allen Anbietern zufrieden stellend gelöst, und auch der Zugang über das Internet stellt keine Probleme mehr dar. Echtfarbdarstellung und Sound-Unterstützung am Client erfüllen die aktuellen Kundenanforderungen.

um die Kommunikation zwischen Client und Applikation abzuwickeln.

Die größten verbleibenden He-rausforderungen im Server Based Computing finden sich vor allem in zwei Bereichen: Die Unterstützung neuer Endgeräte und - damit direkt verbunden - deren wirksame Verwaltung. Vor allem die Darstellung der Applikationen auf Handhelds mit kleinen, eventuell sogar monochromen Displays ist aktuelles Thema in den Entwicklungslabors. Citrix hat mit Panning und Scaling auch dafür bereits eine Lösung parat. Derzeit ist also vor allem die Frage nach einer wirksamen Verwaltung der Hardware offen, denn der Sprung ins Internet ist nicht mehr weit. (awu)

Zur Person

Stefan Rubner

ist freiberuflicher Consultant und Journalist in Buchloe. Er beschäftigt sich vor allem mit dem Internet und modernen Kommunikations- und Netzwerktechniken.