Betatest: CorelDRAW 10

02.10.2000 von Gert  Schmidt
Wer Corel schon abgeschrieben hat, wird eines Besseren belehrt. Die Kanadier melden sich machtvoll zurück: Das Grafikpaket CorelDRAW 10 steckt voller Verbesserungen, die vor allem Profi-Designer ansprechen.

Mit Versionsnummer 10 bietet die CorelDRAW Graphics Suite Verbesserungen vor allem für Druck- und Online-Profis: Farbmanagement und PDF-Optionen wurden ausgebaut. Im HTML-Bereich hat das Grafik-Programm hinzugelernt, auch Animationen und Roll-over-Effekte werden besser als bisher unterstützt. Zudem lässt sich die Oberfläche weit freier als zuvor gestalten. Einige Werkzeuge, wie etwa der interaktive Schatten oder die interaktive Verzerrung, speichern ihre Einstellungen nun als Presets, sodass Anwender immer wieder darauf zurückgreifen können. Dazu kommen kleinere Korrekturen bei Zeichenwerkzeugen oder bei Effekten wie Strukturfüllung, Verzerrung und Schlagschatten.

Drei Hauptprogramme bietet CorelDRAW 10: Neben DRAW für Vektorgrafik und Seitendesign dient PhotoPaint zur Bearbeitung von Pixelbildern; die neue Software R.A.V.E. animiert vor allem Vektorobjekte und schreibt auch Flash-Dateien. Dazu kommen zahlreiche kleinere Hilfsprogramme: die Light-Version der Bilddatenbank Cumulus 5, eine Schriftenverwaltung, das Vektorisierungsmodul Trace, Visual Basic für die Automatisierung von Aufgaben und ein Texture-Modul zum Erzeugen von Strukturen.

Laut Hersteller sollen alle Corel-Programme schneller werden - beobachten ließ sich das in der getesteten Vorserien-Version vor allem an PhotoPaint, das eindeutig an Tempo gewonnen hat.

Quickinfo

Produkt

CorelDRAW 10 Graphics Suite, Beta 3

Hersteller

Corel

Betriebssysteme

Win 98, Win NT 4 und höher, Mac-Version für Frühjahr 2001 angekündigt

Hardware

Pentium 200, 64 MByte RAM, 250 MByte Festplatte

Preis

1199 Mark, Update 599 Mark

Marktstart

voraussichtlich 10. November

R.A.V.E.: Neue Möglichkeiten für Animationen

R.A.V.E. ist eine völlig neue Anwendung innerhalb des Corel-Pakets und dient nur der Erzeugung von Animationen. Die Oberfläche erinnert weitest gehend an das Hauptprogramm DRAW; der Unterschied liegt letztlich nur in einem einzigen Hauptmenü und in der Zeitleiste - die Programmierer hätten die beiden Programme besser gleich zusammengefasst. Ein mit R.A.V.E. vergleichbares Animationstool bietet kein anderes Grafikpaket. Ungewöhnlich ist nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch die Flash-Ausgabe.

R.A.V.E. arbeitet mit Zeitleisten und Schlüsselbildern. Verarbeitet werden in erster Linie Text- und Vektor-Objekte. Nach kurzer Orientierung bereitet es keine Mühe, etwa einen Schriftzug zu animieren: Zunächst erstellt man mit den üblichen Corel-Werkzeugen eine Grafik. Dann wird auf der Zeitleiste eine Achse über die gewünschte Zahl der Einzelbilder gezogen. An beliebiger Stelle definiert der Gestalter dann ein Schlüsselbild (Key Frame). Hier verändert er den Schriftzug - und anschließend errechnet Corel R.A.V.E. einen "fließenden Übergang" vom ersten Objekt bis hin zum Schlüsselbild in der gewählten Zahl von Einzelbildern.

R.A.V.E.: Optionen für Animatoren

R.A.V.E. kann die unterschiedlichsten Merkmale eines Vektor- oder Textobjekts animieren. Wird etwa ein Schlüsselbild umpositioniert, errechnet R.A.V.E. daraus eine Bewegung durchs Bild. Dabei kann man das Objekt auch an einem frei geformten Pfad entlang wandern lassen. Farbwechsel oder Größenänderungen setzt R.A.V.E. ebenso in fließende Animationen um.

Spannende Effekte lassen sich mit den Umformungen erzeugen: So verwandelt sich nach entsprechender Vorbereitung ein Rechteck nahtlos in eine andere geometrische Figur, auch Schriftarten verändern die Gestalt. Zusätzlich lassen sich die Verzerrungen durch neue "Hüllen" oder ausgefranste Kanten animieren - für Text wie auch für Vektor-Objekte eine reizvolle Option.

Um folgende, mit Corel R.A.V.E. erzeugte Flash-Animation zu starten, muss das Flash-Plug-in in Ihrem Browser installiert sein. Die aktuelle Version finden Sie hier zum kostenlosen Download.

Mit einigen Effekten hatte die getestete Vorserienversion noch Probleme: So funktionierte der Übergang von Füllfarbe zu Füllmuster nicht. Fehler gab es auch, wenn mehrere Eigenschaften gleichzeitig animiert werden sollten - etwa Bewegung, Kantenverzerrung und Größe. Gelegentlich bereiteten Schriftzüge Probleme; sie ließen sich besser bearbeiten, wenn man sie vor der Animation in Kurven verwandelte. Auch Grundformen wie Pfeile oder Sprechblasen müssen erst in übliche Kurven konvertiert werden, bevor sie sich animieren lassen.

R.A.V.E.: Schlanke Flash-Animationen

Als erstes Programm innerhalb des Grafikmarktes schreibt Corel R.A.V.E. die Animationen nicht nur im gängigen GIF-Format, sondern auch als Flash-Datei mit der Endung ".swf". Dies bringt eine Reihe von Vorteilen: So fallen die Flash-Dateien mit ihren Vektor-Objekten kleiner aus als GIF-Bilder auf Pixel-Basis. Eine Flash-Datei lässt sich im Browser stufenlos skalieren, anhalten und wieder abspielen. Alternativ beherrscht R.A.V.E. auch Quicktime- oder AVI-Videos.

Überdies kann R.A.V.E. die Animationen auch mit Ton versehen. Entsprechende Wave-Dateien zieht man einfach in das Flash-Fenster, schon sind sie in die Zeitleiste integriert. Verkürzt man anschließend die Abspiel-Dauer der Animation, spielt R.A.V.E. nicht nur den Teil des Sounds, der in den Clip passt. Vielmehr spielt R.A.V.E. den Sound entsprechend schneller - und damit in einer höheren Tonlage - ab.

In den Export-Optionen zum Flash-Format bietet R.A.V.E. verschiedene Bildraten pro Sekunde und eine effektive Audio-Komprimierung an. Die Flash-spezifische Konvertierung von Vektor-Elementen senkt die Dateigröße weiter. Mögliche Probleme mit einzelnen Objekten werden vorab ausführlich gemeldet. Allerdings gibt es eine Browser-Vorschau erst bei Aufruf des Export-Dialogfeldes, und eine Meldung über die resultierende Dateigröße fehlt zumindest in der Vorserienversion.

Wie auch das Grafik-Programm DRAW, unterstützt R.A.V.E. Roll-over-Schaltflächen, die sich mit Hyperlinks belegen lassen. Es bietet jedoch nur die gängigen Zustände Mouseover und Mousedown - die aktuellen Versionen von Paint Shop Pro oder Photoshop interpretieren dagegen bis zu sieben unterschiedliche Aktionen. Gut immerhin: Die Roll-over-Effekte lassen sich im Programm selbst prüfen, ein Wechsel in die Browser-Vorschau ist nicht nötig.

DRAW: Neue Optionen für die Druckvorstufe

Das Grafikprogramm CorelDRAW zeigt wenig Veränderungen im kreativen Bereich. Die Software bietet vor allem mehr Funktionen für professionelle Print- und Online-Ausgabe. Das Farbmanagement haben die Programmierer deutlich erweitert und gleichzeitig übersichtlich in einem einzigen Dialogfeld zusammengefasst. Kodak- und ICM-Farbmanagement nach Windows-Standard stehen zur Auswahl. Praktisch: Ausgewählte Farbprofile lassen sich fest mit bestimmten Druckern verknüpfen; so muss man beim Wechsel des Ausgabegeräts nicht erst ein neues Profil anlegen.

Auch PDF-Dateien erzeugt CorelDRAW weit vielseitiger als zuvor. Im PDF-Format lassen sich beliebige Drucksachen zuverlässig 1:1 elektronisch weitergeben, ohne dass sie auf anderen Rechnern verfälscht erscheinen. Sämtliche gewählten PDF-Optionen speichert CorelDRAW nun in Presets, Voreinstellungen wie "Druckvorstufe" oder "Optimal fürs Web" werden bereits angeboten.

Unter anderem kann man Passermarken und Kalibrations-Graukeile mit abbilden, die Daten-Kompression für Grafik und Text ist vielseitig regelbar, zudem erstellt CorelDRAW auf Wunsch Seitenskizzen oder Lesezeichen. Auch das Erscheinungsbild des PDF-Dokuments beim ersten Aufruf lässt sich vorgeben: Mit der Option "Vollbild" öffnet sich das Dokument ohne jede Programmfenster-Umrahmung. Auch die Anzeige von Lesezeichen und Seitenskizzen beim ersten Öffnen lässt sich steuern.

DRAW: Individuell konfigurierbar

CorelDRAW lässt sich nicht nur als Web-Browser, sondern auch als anspruchsvoller Web-Editor nutzen. Der Hersteller liefert bereits Standard-Schaltflächen wie "Senden" oder Klappmenüs und Textfelder mit. Diese Elemente lassen sich in CorelDRAW mit einem CGI-Skript hinterlegen. Die Informationen für Seriendokumente übernimmt CorelDRAW aus ODBC-Datensätzen oder kommaseparierten Tabellen.

Weit mehr als zuvor können Designer das Programm ihren eigenen Vorstellungen anpassen: Menüstruktur, Schaltleisten und Tastenkürzel sind frei konfigurierbar, sogar die Schaltsymbole kann man wie bei Microsoft Office umgestalten. Der gesamte Programmfenster-Look lässt sich als Datei exportieren und auf anderen Rechnern importieren. Sämtliche Seiten eines Dokuments zeigt DRAW in einer neuen Miniaturen-Galerie; hier lässt sich die Reihenfolge durch einfaches Drag&Drop verändern.

PhotoPaint: Schneller und einfacher

Zu CorelDRAW gehört seit Version 3.0 auch das Bildbearbeitungsprogramm PhotoPaint. Die aktuelle Version wurde neu modular programmiert - sie läuft schon in der Beta-Fassung sichtlich schneller als das Vorgängermodell. Der Hersteller will später zusätzliche Programmteile über das Internet anbieten.

Wer Dateien für das Internet komprimieren will, kann PhotoPaints Vierfach-Vorschau für verschiedene Qualitätsstufen und Dateiformate verwenden. Diese Vorschau für gängige Web-Formate wie JPG oder GIF bietet im Übrigen auch CorelDRAW an - auf Wunsch für jedes Grafikobjekt einzeln.

Ähnlich wie CorelDRAW bietet auch PhotoPaint keine dramatischen Erweiterungen der kreativen Möglichkeiten, sondern Verbesserungen in der Bedienung. Vereinfacht haben die Programmierer beispielsweise den Text auf Pfaden - Schriftzüge folgen also beliebigen Konturen im Motiv. Diese Funktion bieten auch Programme wie PhotoImpact oder Paint Shop Pro. Doch PhotoPaint überzeugt hier durch besonders einfache und vielseitige Text-Positionierung; gleichzeitig produziert das Programm selbst auf stark gekrümmten Pfaden generell weniger verzerrte Wörter und weniger Buchstaben-Salat als die Konkurrenz.

Weiter ausgebaut haben die Programmierer die Sofort-Vorschau für Effekte und Kontrastkorrekturen. Dies gilt auch für den neuen SmartBlur-Filter: Die Funktion zeichnet kontrastarme Bildpartien weich, wahrt aber sämtliche Bildkonturen. So tilgt man Bildstörungen wie Filmkorn, Rauschen oder JPG-Artefakte.

Fazit

CorelDRAW 10 richtet sich eindeutig an Vollprofis, das zeigt nicht nur der stolze Preis von knapp 1200 Mark. Die komplexen Optionen für Farbverwaltung, Druckvorstufe, PDF- und HTML-Ausgabe erfüllen hohe Ansprüche. Mit der integrierten Ausgabe von Flash-Animationen hat sich Corel ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der aktuellen Grafikprogramme geschaffen.

Insgesamt bietet Corel eine Rundum-Lösung für jeden Veröffentlichungszweck. Zudem erspart die Integration von Flash und PDF dem Kunden die Anschaffung zusätzlicher Programmpakete. Glücklicherweise präsentiert die Corel Graphics Suite dem Benutzer in allen Zusatzprogrammen dieselbe Bedienungsoberfläche, sodass man sich leicht in allen Teilen zurechtfindet.

Die aktuelle Beta 3 macht bereits einen sehr stabilen Eindruck, abgesehen von den Problemen bei Animationen ist kein schwer wiegender Hemmschuh für den Verkaufsstart im November aufgefallen. mha)