Besser lernen mit der Maus

08.02.2002
Mit computer- oder internetgestützten Seminaren lassen sich Mitarbeiter kostengünstig und effizient schulen. Viele Unternehmen zögern jedoch bei der Einführung von E-Learning-Projekten. Dabei bietet diese Lernform nicht nur für die Anbieter, sondern auch für die Nutzer große Entwicklungspotenziale.

Von: Dr. Thomas Hafen

Wissen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wer sich nicht ständig weiterbildet, fällt im Wettbewerb zurück. Häufig reichen jedoch weder Zeit- noch Finanzbudgets aus, um Angestellte in ausreichendem Maß an Schulungsveranstaltungen teilnehmen zu lassen oder um hausinterne Kurse anzubieten. In dieser Situation kann E-Learning Abhilfe schaffen. Hierunter versteht man üblicherweise Lernen über das Inter- oder Intranet, so genanntes "Web-based Training" (WBT). Diese Form der Weiterbildung ermöglicht eine flexible Zeiteinteilung, bietet zum Teil individuell maßgeschneiderte Kurse und ist in der Regel deutlich preiswerter als Seminare mit Lehrern oder Tutoren.

Doch selbst wer WBTs einsetzt, kann auf herkömmliche Weiterbildungsmaßnahmen nicht völlig verzichten. Lernen ist auch ein sozialer Prozess, vor allem wenn es um Fähigkeiten im Bereich Kommunikation, Konfliktlösung oder Mitarbeiterführung geht.

Sogar die Anbieter elektronischer Lernformen sehen das ein: "E-Learning kann Präsenztraining nicht ersetzen, sondern nur er-gänzen und optimieren", sagt Don Hernandez, Geschäftsführer Deutschland, Österreich und Schweiz beim Plattformhersteller Docent. Aus diesem Grund setzt Hernandez auf das so genannte "Blended Learning", eine Mischung aus Internetkursen und Präsenzseminaren. Es ist mit dem Fernstudium an Universitäten vergleichbar und soll das Beste aus beiden Bereichen verbinden. So laufen Seminare beispielsweise wesentlicher effizienter ab, wenn sich die Teilnehmer vorher über WBTs auf den gleichen Wissensstand gebracht haben.

Unübersichtliche Angebote

Wer elektronisches Lernen einsetzen will, tut sich schwer, den richtigen Anbieter zu finden, denn der Markt ist extrem unübersichtlich. Allein in Deutschland gibt es zirka 5000 Weiterbildungsfirmen, von denen viele auch E-Learning anbieten. Bei den Kursen fehlt es häufig an einer didaktisch-methodisch sinnvollen Aufbereitung des Lernstoffes. Viele Lösungen sind in ihren Anwendungsmöglichkeiten zu sehr eingeschränkt oder verfügen weder über Standardschnittstellen noch eine benutzerfreundliche Oberfläche.

Die Anwender sind außerdem oft nicht bereit, unternehmerische Arbeitsprozesse für den E-Learning-Einsatz umzustrukturieren. Wer Erfolg haben will, muss eine fundierte Bedarfsanalyse durchführen, detailliert planen, das Projekt gut vorbereiten und geregelte Kommunikationsstrukturen schaffen. Nicht zuletzt bedarf es des Rückhalts bei Führungskräften und bei den teilnehmenden Mitarbeitern.

Dass es an der Umsetzung oft mangelt, zeigt auch die Studie "E-Learning zwischen Euphorie und Ernüchterung" der Unternehmensberatung KPMG. Sie hat dazu 600 Personalverantwortliche in Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern befragt. 70 Prozent der beteiligten Firmen planten einen unrealistischen Zeitrahmen für die Einführung ein, der personelle Aufwand wurde unterschätzt, und es fehlte an einem schlüssigen Konzept für die Integration der neuen Lernformen in das bereits vorhandene Weiterbildungsprogramm. Michael Haben, Senior Consultant bei KPMG, kommt daher zu dem Schluss: "Die Firmen haben die Vorteile von E-Learning zwar erkannt, setzen es aber noch nicht richtig ein." Unterstrichen wird dieser Befund durch weitere Zahlen: Laut Michael Haben bietet nur knapp jedes zweite befragte Unternehmen E-Learning-gestützte Maßnahmen an, sie stehen aber nur 18,4 Prozent der Mitarbeiter zur Verfügung. Von diesen nutzen wiederum weniger als die Hälfte die Angebote.

Knapp ein Achtel des Budgets für die betriebliche Aus- und Weiterbildung entfällt derzeit auf elektronische Wissensvermittlung, wobei zu 80 Prozent Computer-based Training (CBT) auf CD-ROM zum Einsatz kommt, Web-based Training also bisher kaum von Bedeutung ist. Das zeigt deutlich, welche untergeordnete Rolle E-Learning noch immer in den Unternehmen spielt. Diese Zurückhaltung ist eigentlich erstaunlich: Laut D21, einer IT-Initiative der deutschen Wirtschaft, können Unternehmen mittels E-Learning ihre Weiterbildungskosten um ein Drittel senken. Bei geschätzten jährlichen Ausgaben in Höhe von 30 Milliarden Euro immerhin ein Einsparpotenzial von 10 Milliarden Euro.

Der Markt wächst

Es besteht also Nachholbedarf - oder andersherum betrachtet: Anbieter haben gute Chancen, denn E-Learning soll nach Ansicht der Marktexperten in den kommenden Jahren boomen. So gehen die Analysten von Berlecon Research in ihrer Studie "Wachstumsmarkt ELearning" von bis zu 50 Prozent jährlicher Steigerungsrate aus. Der Anteil elektronischer Lernformen an den Weiterbildungskosten deutscher Unternehmen soll von 330 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 1,5 bis 2 Milliarden Euro im Jahr 2005 wachsen. Der Marktanteil nähme entsprechend von 2,4 Prozent auf etwa 11 bis 15 Prozent zu.

Die besten Wachstumschancen räumt Berlecon den so genannten "Full-Ser-vice"-Anbietern ein. Darunter verstehen sich Dienstleister, die von der Bedarfsanalyse bis zur Kurskonzeption alles liefern, was zum E-Learning gehört. Full-Service-Provider sind erst seit relativ kurzer Zeit auf dem Markt. In den Jahren 2000 und 2001 fielen 43 Prozent der Branchen-Neugründungen in diese Gruppe. Diesen Dienstleistern droht allerdings Konkurrenz von großen Konzernen. Unternehmen wie beispielsweise Siemens entwickeln selbst E-Learning-Anwendungen und bieten diese dann als eigenständige Produkte auf dem Markt an.

Auch die Berater von Cap Gemini Ernst & Young erwarten für Deutschland eine Steigerung des Marktvolumens. Demnach soll der Umsatz von 118 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2004 wachsen. Sheila Mc Govern, Senior Research Analyst von IDC-Research, bestätigt diesen Trend. Sie schätzt, dass im gesamteuropäischen Markt bis 2004 mit einer Steigerung des Marktvolumens auf fast vier Milliarden Dollar zu rechnen sei. IDC sagt weiter vo-raus, dass 2005 etwa 27 Prozent aller "Business-Skills" via E-Learning an den Mann beziehungsweise an die Frau gebracht werden.

Etwas skeptischer gibt sich die Unternehmensberatung Mummert und Partner. Nach ihrer Einschätzung wird sich E-Learning erst zwischen 2004 und 2006 durchsetzen. Rentable Lösungen für den Mittelstand seien rar, sagt Frank Kabel, Senior Consultant bei Mummert und Partner. KPMG glaubt ebenfalls, dass sich die Erfolge nur schrittweise einstellen werden. E-Learning-Maßnahmen würden zwar als zusätzliches Weiterbildungsangebot eingesetzt, eine Integration in traditionelle Qualifizierungsmaßnahmen fände jedoch nicht in ausreichendem Maße statt.

Fazit

Obwohl die Marktforscher den E-Learning-Anbietern in den nächsten Jahren enorme Wachstumschancen voraussagen, prophezeit Berlecon eine Konsolidierung. Zu groß und intransparent sei derzeit das Angebot. Vor allem finanzstarke Schulungsanbieter mit Marken-image und langer Marktpräsenz werden wohl überleben. Wer E-Learning-Lösungen im Unternehmen einführen möchte, sollte also sehr genau auf das Portfolio und die Kundenstruktur des Dienstleisters achten. Aber auch die Anwender selbst müssen ihre Hausaufgaben machen. Nur mit einem durchdachten Change Management kann eine Veränderung in der Weiterbildungskultur gelingen.