Chaos Computer Club klärt auf

Beobachtungen bei der Computerwahl in Brandenburg übertrafen schlimmste Befürchtungen

27.10.2008
Der Chaos Computer Club (CCC) hat mit Hilfe freiwilliger Wahlbeobachter am 28. September 2008 in zehn brandenburgischen Kommunen eine weitere Wahlbeobachtung durchgeführt.

Ziel sei es gewesen, den tatsächlichen Einsatz von Wahlcomputern bei den Kommunalwahlen zu dokumentieren und die Behauptungen des Wahlcomputerherstellers sowie der zuständigen Bundes- und Landeswahlbehörden zur Sicherheit, Akzeptanz und Bedienerfreundlichkeit zu überprüfen. Am gestrigen 26. Oktober 2008 hat der CCC nun seinen Wahlbeobachterbericht veröffentlicht. Nach den Beobachtungen in den Wahllokalen sei klar, dass wichtige Regeln beim Einsatz der manipulationsanfälligen Wahlcomputer weiterhin missachtet wurden. Im Detail hätten sich die schon bei früheren Wahlbeobachtungen festgestellten Sicherheitsprobleme sowie Schwierigkeiten bei Aufbau, Betrieb, Auszählung und der eigentlichen Wahlhandlung bestätigt. Auch die Versprechen der Hersteller und Verkäufer der Wahlcomputer, dass Personal und damit Kosten gespart würden, seien eindeutig widerlegt.

Es zeigte sich weiterhin, dass auch nach der breiten Debatte in der Öffentlichkeit sowie der unmittelbar bevorstehenden mündlichen Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht am Dienstag, den 28. Oktober, in den Gemeinden kaum ausreichende Sensibilität für die Probleme und Gefahren des Wahlcomputereinsatzes bestehe. "Die Vertrauensseeligkeit der Wahlhelfer ist ungebrochen", sagte CCC-Sprecher Dirk Engling. Das bereits unterminierte Vertrauen der Wähler in die Korrektheit des Wahlergebnisses schwinde zusehends, fügte Engling an.

Die Schwierigkeiten im Umgang mit den Nedap-Wahlcomputern würden nicht nur die Wahlvorsteher und Wahlhelfer betreffen, die mit Technikausfällen und der komplexen Benutzerführung zu kämpfen haben. Auch die Wähler mussten angeblich häufig bei der Stimmabgabe unterstützt werden. Diese benötigten laut CCC aufgrund der mangelhaften Beschriftung eigens bereitgehaltene Leselupen und mussten zudem vielerorts lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Einige Wähler seien dadurch sogar von der Wahl ausgeschlossen worden. "Wer geglaubt hatte, bei den bisherigen Beobachtungen schon alle Möglichkeiten des Versagens dieser Risikotechnik gesehen zu haben, konnte noch unangenehm überrascht werden", sagte CCC-Sprecher Dirk Engling. "Die Wahlcomputer waren eine Zumutung für die Wähler und eine Nervenprobe für die Wahlhelfer."

Von der Illusion "geschützter Umgebungen" bei Lagerung und Transport hätten sich die Wahlbeobachter schon bei früheren Einsätzen verabschiedet. Auch diesmal habe man allzu leichtfertigen Umgang mit den manipulationsanfälligen Computern beobachtet: Von der Lagerung über Nacht in ungesicherten Hinterzimmern, über fehlende Versiegelungen bis hin zu unbeaufsichtigtem Transport der Speichermodule mit den elektronischen Wahlergebnissen hätten sich Möglichkeiten zur Manipulation zuhauf geboten.

"Es ist nun das Gebot der Stunde, Konsequenzen aus dem multiplen Versagen der Technik zu ziehen. Die Bundesrepublik sollte dem Beispiel der Niederlande folgen und Wahlcomputer grundsätzlich abschaffen, bevor wir hier Verhältnisse wie in Florida oder Ohio bekommen", kommentierte Engling die Ergebnisse der Beobachtung. Auch in den USA werden bei den anstehenden Präsidentenwahlen zum wiederholten Male massive Probleme mit defekten oder manipulierten Wahlcomputern erwartet. Bei der Wahl in Brandenburg sei es nicht möglich gewesen, die vom Computer errechneten Ergebnisse unabhängig zu überprüfen, da Nedap-Wahlcomputer keine solche Prüfung zulassen. Selbst die alten Nedap-Computer ohne Schutz vor dem Ausspionieren der Wählerstimme durch Funkabstrahlung seien weiter zulässig und im Einsatz gewesen. Der Chaos Computer Club bedankt sich am Schluss der Ankündigung bei allen Freiwilligen. Den Bericht als PDF-Datei können Sie hier herunterladen.