Bandbreite ist nicht alles

08.02.2002
Wellenlängen-Multiplexing hat in vielen optischen Telekommunikationsnetzen Einzug gehalten. Damit steht nun mehr als genug Bandbreite zur Verfügung. Der Haken dabei: Es ist immer noch kompliziert, Dienste nach Bedarf, sprich dynamisch, bereitzustellen. Das Optical Internetworking Forum hat mit UNI 1.0 eine Lösung entwickelt, die das ändern soll.

Von: Frank Steingass, Bernd Reder

Telekommunikations-Firmen setzen in ihren Glasfasernetzen immer häufiger Wavelength Division Multiplexing (WDM) ein. Mit diesem Verfahren lassen sich gleichzeitig mehrere optische Signale über eine Glasfaser übertragen. Eine Erweiterung von WDM ist das Dense Wavelength Division Multiplexing (DWDM). Bei DWDM werden die Abstände zwischen den einzelnen Wellenlängen verringert. So lassen sich wesentlich mehr Farben über eine physikalische Faser übertragen als beim "normalen" Wellenlängen-Multiplexen. Gegenwärtig sind 150 oder mehr Farben pro LWL-Faser technisch machbar. Details zu beiden Verfahren sind im Beitrag auf Seite 20 zu finden.

Moderne DWDM-Multiplexer sind in der Lage, neben SDH/Sonet-Signalen auch Escon-, Fibre-Channel- oder Ethernet-Daten transparent zu übertragen. In den drei letztgenannten Fällen kann unter Umständen sogar die SDH-Ausrüstung wegfallen. Deshalb betrachten Carrier und Serviceprovider DWDM in Teilbereichen als Alternative zur SDH-Technik. Bei der Übertragung über Entfernungen von mehr als 1000 Kilometern, also im Long-Haul-Bereich, hat sich DWDM weitgehend durchgesetzt.

Die klassische Anwendung von DWDM besteht darin, mithilfe optischer Add-Drop-Multiplexer (OADM) den wachsenden Bedarf an Bandbreite zu befriedigen. Diese Geräte nehmen die Eingangssignale, die über mehrere physikalische Fasern eingehen, in Empfang und transportieren sie mittels optischem Multiplexing über eine einzelne Faser weiter. Auf der Gegenseite werden die Ursprungssignale wieder ausgekoppelt und auf die entsprechenden Fasern verteilt.

Ist in einem optischen Netz eine größere Bandbreite erforderlich, werden weitere Farben eingekoppelt. Die Geräte hinter einem OADM benötigen dann neue Schnittstellenmodule und müssen mit dem Multiplexer verbunden werden. Davon betroffen sind SDH-Knoten, die Router beziehungsweise Switches sowie die Endgeräte. Arbeiten außerhalb des Point of Presence (PoP) eines Internet-Ser-viceproviders, etwa Durchbrüche, Erdarbeiten oder das Bereitstellen einer weiteren Glasfaser, fallen in der Regel nicht an.

Aufsetzen von Diensten immer noch komplex

Mittels DWDM die Bandbreite zu erhöhen, ist schön und gut. Diese für neue Datenverbindungen zu nutzen oder vorhandenen Leitungen größere Kapazitäten zuzuweisen, ist dagegen nach wie vor alles andere als einfach. Carrier und Serviceprovider verteilen diese Aufgaben deshalb meist auf zwei oder mehr Abteilungen. Die "Transport-Abteilung" ist für den Bereich unterhalb von Layer 3 zuständig. Zu ihren Aufgaben gehört, die physikalischen Verbindungen zu verlegen und zu schalten. Außerdem konfiguriert sie die WDM-, SDH- und ATM-Systeme auf den Schichten 1 und 2, meist mithilfe proprietärer Managementsysteme.

Die "Daten-Abteilung" dagegen organisiert zum einen die IP-Adressierung und ist zum anderen aus Sicht des Endkunden dafür zuständig, eine neue IP-Verbindung aufzusetzen oder einen Dienst zu aktivieren. Die Techniker erledigen das teils von Hand, teils mithilfe von Managementsystemen. Der Haken dabei: Für jede der beiden Aufgaben sind separate Tools erforderlich. Wegen dieser Konstellation ist es zeitaufwändig und teuer, neue Dienste aufzusetzen. Carrier suchen daher bereits seit geraumer Zeit nach Alternativen, um diesen Prozess zu vereinfachen. Ein möglicher Weg, den das Optical Internetworking Forum (OIF) verfolgt, ist "OIF User Network Interface", kurz OIF UNI.

Alternative: OIF UNI Signaling

Das Forum will erreichen, dass Dienste in optischen Netzen durchgängig zur Verfügung stehen, also das "End-to-End Provisioning" gegeben ist. Der Schlüssel dazu ist die Spezifikation OIF UNI Signaling 1.0. Sie ist quasi eine Vorstufe von Generalized Multi Protocol Label Switching (GMPLS). Mit dem Verfahren könnte beispielsweise ein IP-Router in einem optischen Netz mittels DWDM beziehungsweise "Link Bundles" neue Verkehrswege oder im einfachsten Fall "nur" zusätzliche Bandbreite anfordern. Ein Router-Link-Bundle fasst aus Sicht von IP mehrere physikalische Schnittstellen zu einer logischen zusammen. Die einzelnen Router-Links lassen sich in einem WDM-Netz mithilfe unterschiedlicher Farben über eine einzelne Faser transportieren.

Mit OIF UNI Signaling ist es nun möglich, weitere Farben im optischen Add-Drop-Multiplexer zu aktivieren und physikalische Schnittstellen zum Link Bundle hinzuzufügen. Die Bandbreite dieses "Bündels" lässt sich somit dynamisch bereitstellen, wobei auch Schwellwerte und Qualitätsmerkmale berücksichtigt werden können, die in Service Level Agreements (SLA) festgelegt sind. Besonders interessant bei diesem Ansatz ist, dass ein Router auf der IP-, MPLS- (Multi-Protocol-Label-Switching-) und RSVP-Ebene (Resource Reservation Protocol) quasi "anregen" kann, einen bestimmten Dienst zur Verfügung zu stellen. Die WDM- beziehungsweise SDH-Geräte werden dann mittels OIF UNI Signaling automatisch konfiguriert. Ciena und Avici haben dieses Zusammenspiel im vergangenen Jahr auf der Fachmesse Supercomm in Atlanta erfolgreich demonstriert.

Wellenlänge nach Bedarf durch einstellbare Laser

Ein Nachteil beim Einsatz von WDM ist, dass eine Schnittstelle im Vorfeld auf eine bestimmte Farbe und damit Wellenlänge eingestellt werden muss. Das ist durch die Lasertechnologie vorgegeben. Für den Anwender bedeutet das zweierlei:

- Für ihn ist es komplizierter, ein WDM-Netzwerk "richtig" zu planen.

- Es stellt einen erheblichen logistischen Aufwand dar, Ersatzteile für die WDM-Komponenten zu beschaffen. Dieses Thema wird immer wichtiger, weil sich die WDM- und SDH-Systeme der einzelnen Hersteller teilweise erheblich voneinander unterscheiden. Hinzu kommt, dass die Zahl der Wellenlängen, die zur Auswahl stehen, stark angewachsen ist. Sie bewegt sich zwischen 4 und mehr als 128.

Das Projekt "Tunable Laser" des OIF versucht hier Abhilfe zu schaffen. Es sieht vor, eine Lasertechnik zu entwickeln, mit der sich die Wellenlänge dynamisch, also gewissermaßen "on demand", einstellen lässt. Ein Interface ist dann in der Lage, mit unterschiedlichen Farben zu arbeiten, je nach deren Verfügbarkeit im optischen Netz.

Für den Netzbetreiber hat das den Vorteil, dass er nicht mehr so viele Ersatzteile auf Lager haben muss. Zudem vereinfacht es die Installation von WDM- und SDH-Systemen. Ein weiterer Punkt ist, dass der Netzbetreiber erheblich flexibler Dienste aufsetzen und konfigurieren kann. Bereits bei der Erstinstallation der Systeme lassen sich alle optischen Verbindungen zwischen OADM und SDH-Knoten oder Router herstellen. Hinzu kommt, dass er die wichtigsten Arbeiten per Fernzugriff durchführen kann, ohne vor Ort Fasern umstecken zu müssen. Das gilt für das Zuordnen von Link und Wellenlänge sowie das Einrichten und Warten der Ende-zu-Ende-Datenverbindung auf SDH- und IP-Ebene.

Optisches Multiplexing bald im Carrier-Netz

Insgesamt ist festzuhalten, dass sich Wellenlängen-Multiplexing und Dense Wavelength Division Multiplexing bei den Carriern wachsender Beliebtheit erfreuen. Dazu haben folgende Faktoren beigetragen:

- die prinzipiell einfache Layer-1-Technik,

- die wachsende Integration in Layer-3-gestützte Signalisierungsprotokolle wie MPLS und OIF UNI sowie

- die Tatsache, dass Multiplexing unabhängig vom Protokoll und der Bitrate des transportierten Signals arbeitet.

Solange allerdings in Metropolitan Area Networks (MAN) ein Überangebot an Glasfaserleitungen vorhanden ist, dürften die Netzbetreiber eher zurückhaltend sein und die Kosten für die Anschaffung von WDM-Multiplexern scheuen. Als Ergänzung sowie als Ersatz für die SDH-Technik wird optisches Multiplexing jedoch in Zukunft ein fester Bestandteil in jedem modernen Carrier- und Serviceprovider-Netz sein (siehe Seite 20).

Zur Person

Frank Steingass

ist Systems Engineer beim Routerhersteller Avici Systems.