Spezialisierung vorteilhaft

Automobilbranche holt verstärkt IT-Feelancer an Bord

13.09.2014 von Ina Hönicke
IT-Selbständige, die über Know-how im Bereich Web-Technologien verfügen, Java und agile Methoden beherrschen, haben in der Automobil- und Zuliefererbranche beste Chancen.

"Die Nachfrage nach IT-Freiberuflern übersteigt in der Automobilbranche zurzeit das Angebot, gleichzeitig steigen die Anforderungen", erklärt Thomas Müller, Geschäftsführer des IT-Projektvermittlers Solcom. Ihn verwundert das nicht. Die Kunden wünschten sich mehr Sicherheit, mehr Komfort, intelligente Bremssysteme, Internet-basierende Kommunikationsdienste und vieles mehr. "Für all diese Projekte sind hochqualifizierte IT-Profis gefragt - was den IT-Freelancern zugute kommt", erklärt Müller.

Höhere Anforderungen an IT-Freiberufler

Gleichzeitig würden aber die Anforderungen an Externe steigen. Für sie sei es wichtig, sich in neue Themen einzuarbeiten. "Diejenigen, die Kenntnisse in Web-Technologien mitbringen, Projekte in Startups nachweisen können oder auch Java beherrschen, haben eindeutig die größten Chancen", betont der Solcom-Manager. Gefragt sei auch ein gewisses Maß an Branchenwissen. Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Entwicklungen rund um das vernetzte Auto stehen Experten mit Erfahrung aus anderen Sektoren wie zum Beispiel der Telekommunikationsbranche ebenfalls auf der Wunschliste der Unternehmen. Gute Aussichten hätten auch die Freiberufler, die in den Bereichen IT-Sicherheit, Embedded IT sowie CRM-Lösungen fit seien.

Thomas Müller, Geschäftsführer des IT-Projektvermittlers Solcom weiß, dass IT-Freiberufler aus den Bereichen IT-Sicherheit und Embedded IT gute Chancen haben.
Foto: Solcom

Das Produkt Auto fasziniert

Die Faszination dieser Branche kann Oliver Gebert, CQ5-Entwickler und Geschäftsführer einer kleinen GmbH namens Rockware, nur bestätigen: "Mit dem Produkt Auto identifiziert sich jeder Freelancer gern." Gerade bei jüngeren Leuten seien die technischen Finessen im Auto ein Verkaufsargument, meint er. Als ein typisches Beispiel nennt Gebert die Möglichkeit, die Sitzposition oder den Radiosender im Web-Browser individuell einstellen zu können. Der Kunde könne die Daten auf einem USB-Stick speichern und jedesmal, wenn er in ein Fahrzeug dieses Herstellers einsteigt, diesen einfach hineinstecken. Die Folge: Der Sitz rückt gerade, im Radiosender erklingt die gewünschte Musik und die Klimaanlage arbeitet entsprechend. "Exakt diese kleinen Unterschiede zwischen den Automarken bereitzustellen, gehört zu den Aufgaben der Softwareentwickler", betont der Rockware-Chef.

Spezialisierung ist ein Muss

Die Fahrzeugsoftware ist laut Gebert nicht mehr monolithisch, sondern modular aufgebaut. Dafür würden Softwareframeworks wie beispielsweise OSGi genutzt. Sie sollen es ermöglichen, einzelne Softwarebausteine - und damit auch Fahrzeugfunktionen - problemlos zu aktualisieren, hinzuzufügen oder zu entfernen. "Das gibt den Entwicklern maximale Flexibilität", erklärt er. Werde zum Beispiel ein neues Display verbaut, so müsse nur der Teil der Software ausgetauscht werden, der sich mit dem Display beschäftigt. Nach seiner Erfahrung ist für etliche dieser übergreifenden Frameworks Java die Sprache der Wahl. Erfahrungen mit Java und OSGi seien daher empfehlenswert.

Oliver Gebert, Geschäftsführer der Rockware GmbH: "Für einen IT-Freiberufler ist es wichtig, sich zu spezialisieren."
Foto: Rockware

Seiner Meinung nach ist die Automobilbranche so breit gefächert, dass sich ein IT-Freelancer spezialisieren müsse. Der "mobile" Berater gibt folgenden Rat an Kollegen: "Entscheiden Sie sich, in welche Richtung Sie Ihr Weg führen soll - egal ob Produktion, Softwaredienste oder Vernetzung." Gute Erfahrungen hat er mit Netzwerken und Events gemacht: "Man lernt neue potenzielle Auftraggeber kennen, tauscht sich mit Kollegen aus und zeigt Präsenz." Entscheidend aber sei, den Markt zu beobachten und eigene Erfahrungen zu sammeln.

Software für Unikate

Der selbständige IT-Berater Alexej Wiederkehr wiederum arbeitet daran, dass sich Interessenten ihr Auto möglichst einfach im Netz nach eigenen Wünschen konfigurieren können: "Der Kunde kann sich in aller Ruhe von zu Hause aus sein Auto zusammenstellen - egal ob es sich um die gewünschte Karosserie, Reifen, Farbe oder andere Ausstattungsforderungen handelt." Für Wiederkehr heißt die Devise: Der Kunde wünscht ein Unikat, ich sorge dafür. "Dieses Projekt ist mein bislang interessantestes", freut sich der Freelancer. Neben den technischen Daten zeigt die Software auch die Finanzierungsmöglichkeiten für das jeweilige Fahrzeug an.

Der freiberufliche IT-Berater Alexej Wiederkehr arbeitet an einer Software, die dem Kunden die Möglichkeit verschafft, sein Wunschauto möglichst einfach im Netz zu konfigurieren.
Foto: BMW

Bei dem Projekt handelt es sich laut Wiederkehr um eine Server-Anwendung, die mit unterschiedlichen konzernweiten Diensten kommuniziert, deren Daten entsprechend aufbereitet und nach bestimmten Regeln vergleicht, logische Zusammenhänge feststellt und dem Endbenutzer entsprechend präsentiert. Voraussetzung für diese Tätigkeit ist laut Wiederkehr die Beherrschung von Java. Darüber hinaus sollten Externe über Know-how im Bereich Enterprise Java sowie EJB3.0 verfügen. "Dass ich das entsprechende Wissen bereits in anderen Projekten gesammelt habe, ist ein großer Vorteil", meint Wiederkehr. Im Gegensatz zu anderen Branchen erlebt der Freiberufler, dass in der Automobilbranche mehr als anderswo ingenieursmäßig gearbeitet wird.

Lünendonk-Studie: Top Ten der Freiberufler-Vermittler -
Gute Aussichten für IT-Freelancer
Wer als einer von derzeit etwa 87.500 IT-Freien auf dem deutschen Markt agiert, hat gut Lachen. Das zeigen zwei Studien von Lünendonk: "Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher IT-Experten in Deutschland" und "Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsunternehmen in Deutschland".
Gefragte Informatiker
Ein Blick in Lünendonks Studie über führende Zeitarbeitsfirmen und Personaldienstleister 2014 bestätigt den hohen Bedarf an Informatikern. Gerade die Top-Ten-Personaldienstleister suchen IT-Fachkräfte.
Führende Vermittler von IT-Freien: Platz 22 bis 11
Insgesamt hat Lünendonk 22 Firmen untersucht, die Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freien in Deutschland anbieten. Die Zahlen in der Liste sind teilweise geschätzt.
Platz 10: emagine
Die GFT-Tochter emagine, im Bild emagine Geschäftsführer Stefan Frohnhoff, machte 2013 mit der Freiberuflervermittlung einen Umsatz von 43 Millionen Euro (Vorjahr: 61,1 Mio), der Gesamtumsatz von emagine betrug 93,4 Millionen Euro (Vorjahr 113,8 Mio).
Platz 9. Quest
erwirtschaftete 2013 44 Mio. Euro Umsatz mit Freiberuflervermittlung (Vorjahr:49 Mio). Der Dienstleister beschäftigte 2013 46 Mitarbeiter, zwei mehr als 2012.
Platz 8: Etengo
Etengo-Vorstandschef Nikolaus Reuter kann sich über 45 Millionen Euro Umsatz und damit sieben Millionen mehr als in 2012 freuen. Die Mitarbeiterzahl der Mannheimer wuchs von 39 im Jahr 2012 auf 51 im Jahr 2013.
Platz 7. 1st Solution
Mit 46,6 Millionen Euro Umsatz durch die Freiberuflervermittlung im Jahrt 2013 hat 1st Solution fast den Wert des Vorjahres erreicht (46,8 Mio). Der Gesamtumsatz ging in dem Zeitraum um drei Millionen auf 59 Millionen zurück. 1st solution beschäftigte 2013 68 Mitarbeiter.
Platz 6: Westhouse Consulting
..ist unter anderem spezialisiert auf die Vermittlung von SAP-Freiberufler. 2013 liefen die Geschäfte bestens: Der Umsatz der Freiberuflervermittlung stieg um 23 Millionen auf 62,1 Millionen Euro an, der Gesamtumsatz stieg von 47 auf 71 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl von 65 auf 87 Euro.
Platz 5. SThree
... und ihre IT-Personalvermittlung Computer Futures haben 2013 mit IT-Staffing 62,7 Millionen Euro umgesetzt, 2,9 Millionen Euro mehr als 2012. Auch der Gesamtumsatz stieg von 137 Millionen auf 141 Millionen Euro. SThree beschäftigt 505 Mitarbeiter.
Platz 4. Solcom
Die Solcom-Geschäftsführer (von links) Martin Schäfer, Ansgar Nagel, Thomas Müller und Andreas Müller können zufrieden sein: Die IT-Freiberuflervermittlung brachte 2013 einen Umsatz von 67 Millionen Euro ( Vorjahr: 57,8 Millionen) ein. Die Mitarbeiterzahl wuchs um 23 auf 110.
Platz 3. Allgeier
Mit einem Gesamtumsatz von 239,4 Millionen Euro in 2013 hebt sich Allgeier auf Platz 3 deutlich von den Wettbewerbern ab. 161,2 Millionen Euro ( Vorjahr: 172,1 Mio. Euro) entfielen davon auf die IT-Freiberuflervermittlung. Die Mitarbeiterzahl stieg von 411 auf 437 an.
Platz 2. Gulp
... macht mit IT-Freiberuflervermittlung gut 100 Millionen mehr Umsatz als Allgeier Experts und liegt unangefochten auf Platz 2 des Rankings. Von 2012 auf 2013 erhöhte sich der Gesamtumsatz um mehr als 32 Millionen Euro auf 278,4 Millionen Euro, davon 268,3 Millionen Euro Umsatz durch IT-Freiberuflervermittlung (2012: 236,1 Mio. Euro). Gulp ist schlank aufgestellt und beschäftigt 180 Mitarbeiter ( 2012: 165 Mitarbeiter).
Platz 1. Hays
... und Vorstandschef Klaus Breitschopf sind die unangefochtenen Platzhirsche in der IT-Freiberuflervermittlung: Von 2012 auf 2013 stieg der Umsatz im IT-Staffing um 223 Millionen auf 759 Millionen Euro. Damit ist allein das Umsatzplus von Hays größer als der Freiberufler-Umsatz des Drittplatzierten Allgeier Experts. Hays erwirtschaftete mit 1380 Mitarbeiter 2013 einen Gesamtumsatz von 1,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es noch 819 Millionen Euro mit 1100 Mitarbeitern.
Auftraggeber in den Unternehmen
Nicht immer geht der Wunsch nach der Zusammenarbeit mit IT-Freelancern von der IT-Abteilung innerhalb der Unternehmen aus. Dies ist in 42 Prozent der Fälle so. Fast ebenso oft werden sie von der Einkaufsabteilung angefordert. Ein weiteres Ergebnis der Studie: in neun von zehn Fällen kommt der Freelancer zum Kunden.
Honorarerwartung nach Kenntnissen
Die Vermittler erwarten, dass insbesondere die Honorare für SAP-Spezialisten steigen. Denn diese sind besonders gesucht.