Aus für GIFs?

10.11.1999 von STEFAN D'AMORE 
Unisys fordert auf Grund ihres Patentes für die LZW-Kompression von Website-Betreibern Lizenzgebühren für den Einsatz von GIFs. Diese Forderung hat im Internetbereich heftige Kontroversen entflammt.

Unisys besitzt seit 1985 ein Patent für den von Lempel/Ziv/Welch entwickelten LZW-Kompressionsalgorhythmus, der in verschiedenen Grafikformaten eingesetzt wird. Die LZW-Kompression wird nicht nur bei GIF-Bildern , sondern auch bei einigen Derivaten der TIFF- , PDF- und Postscript-Formate genutzt. Um den Kompressionsalgorithmus in eigenen Programmen nutzen zu dürfen, müssen Softwarefirmen Lizenzgebühren an Unisys zahlen.

Die Ankündigung von Unisys, für Websites, die GIFs einsetzen, eine einmalige Lizenzierungsgebühr von 5000 Dollar zu verlangen, sorgte für weltweite Aufregung.

Anwender meldeten sich bei Unisys mit der Frage, ob generell der Einsatz von GIF-Grafiken auf Webseiten lizenzpflichtig ist. Hersteller von Freeware befürchteten, dass sie ebenfalls zur Zahlung verpflichtet werden. Wenige Tage später sah man sich bei Unisys wegen der massiven Häufung von Anfragen genötigt, diese Ankündigung genauer zu spezifizieren.

Gespräch mit Unisys

In einem Gespräch versuchte Maria Hoffman, Unternehmenssprecherin von Unisys, tecChannel die Sachlage zu erklären.

Nach ihren Angaben kommt der Wunsch nach einer Änderung der Preispolitik aus dem Markt - die Zahlung von jährlichen Lizenzgebühren ist vielen Firmen zu umständlich. Deshalb seien häufig Anfragen gekommen, ob die Lizenz nicht in einer einmaligen Zahlung abgeführt werden könne - worauf Unisys nun reagiert habe. Unisys habe also nur die Preispolitik, nicht aber die Lizenzpolitik verändert. Die Frage, ob sich nun alle Betreiber einer Website Sorgen über Lizenzgebühren machen müssten, nur weil sie GIF-Grafiken einsetzten, beantwortete sie mit einem klaren Nein. Unisys beschränkt sich nach ihren Angaben auf große kommerzielle Websites und richtet sich nicht an den "kleinen" Anwender - verständlich, sonst hätten sie auch viel zu tun. Überhaupt machte sie klar, dass es nicht das Hauptgeschäft von Unisys sei, Geld einzutreiben.

Im Weiteren verdeutlichte sie, dass Anwender, die zur Bearbeitung von GIF-Bildern Programme der großen Softwarehäuser einsetzten, zumeist auf der sicheren Seite seien und nichts zu befürchten hätten. Inzwischen hätten über 2000 Firmen Lizenzverträge mit Unisys abgeschlossen, darunter auch zahlreiche Sharewareanbieter. Sie zahlten mit der Lizenzierung bei Unisys den Gebührenanteil des Anwenders gleich mit. Über 10.000 Produkte seien damit abgedeckt. Genauere Angaben bezüglich der Anbieter konnte Maria Hoffman allerdings nicht machen.

Das eigentliche Problem liegt also hier: Nicht alle lizenzierten Programme besitzen dieses Rundum-Sorglos-Paket. Es gibt kleinere Lizenzierungspakete. Um wirklich sicher zu gehen, muss sich laut Hoffmann der verunsicherte Anwender bei der jeweiligen Softwarefirma oder bei Unisys über die vertragliche Regelung informieren. Auf die Frage, welche Software nun genau eingesetzt werden kann, um GIF-Grafiken für das Internet zu erstellen, konnte Unisys nicht konkret antworten - es hänge immer vom Einzelfall und der Anwendung ab.

Weitere Lizenzpflichten

Deutlich wurde in dem Gespräch, dass GIF-Grafiken, die mit Programmen erstellt worden sind, für die keine Lizenzgebühr an Unisys entrichtet wurde, sehr wohl lizenzpflichtig sind. Damit stehen auch "kleinere" Anwender vor einem Problem. Mit hoher Wahrscheinlichkeit fallen nämlich alle Freewareprogramme darunter. Beispielsweise besteht für GIMP keine vertragliche Regelung mit Unisys. Ein Anwender dieses Programms muss mit einer Zahlungsforderung rechnen, falls ihm Unisys die Verwendung von GIMP für GIFs nachweisen kann.

In Bezug auf Freeware erklärte die Sprecherin, dass "Freeware nicht gleich Freeware" sei. Oft würde sie nur scheinbar ohne kommerzielles Interesse herausgegeben. Auch hier sieht Unisys wieder auf den Einzelfall. Sollte sich wirklich herausstellen, dass kein finanzielles Interesse hinter dem Vertrieb der Freeware steht, werde sich Unisys durchaus kulant zeigen. Nach ihren Angaben hätten beispielsweise zahlreiche gemeinnützige Organisationen von freien Lizenzen profitiert.

Ein besonderer Fall sind Unisys zufolge Websites, die dynamisch, aus Datenbanken heraus, GIF-Grafiken erstellen. Darunter fallen beispielsweise dynamisch erzeugte Charts mit aktuellen Aktienkursen. Sie sind mit keiner Lizenz abgedeckt und erfordern eine Regelung mit Unisys.

Zum Abschluss des Gesprächs verdeutlichte Maria Hoffmann nochmals das Anliegen von Unisys: Software, die unter hohem Kostenaufwand von Firmen entwickelt worden ist, müsse weiterhin geschützt bleiben. Das beinhalte, von Anwendern, die von dieser Software profitieren, eine entsprechende Beteiligung einzufordern.

Der Fall Unisys ist nur ein Beispiel. Dasselbe kann mit jedem anderen patentrechtlich geschützten Algorithmus passieren. Das Lizenzierungsproblem ist bis heute nicht zu allen Softwareentwicklern durchgedrungen, obwohl es schon öfter diskutiert worden ist.

Historie der LZW-Problematik

1984 veröffentlichte Terry Welch einen Bericht über das LZW-Komprimierungsverfahren, das leicht nachzuvollziehen war -, ohne jedoch auf das bereits beantragte Patent hinzuweisen. Der Kompressionsalgorithmus wurde von zahlreichen Softwareentwicklern übernommen, darunter auch einem Team von CompuServe . Es nutzte ihn für die Datenkompression in seinem 1987 entwickelten Grafikformat GIF. Erst spät sollte Unisys bemerken, was für eine Goldgrube sich da auftat - bis 1989 wurde LZW in unzähligen Programmen eingesetzt, ohne, dass viele Softwareentwickler vom Patent wussten. Das GIF-Format hatte sich schon als feste Größe im Internet etabliert und wurde von zahlreichen Programmen unterstützt.

Anfang der 90er-Jahre begann Unisys das Patentrecht einzufordern. CompuServe musste eine Lizenzgebühr entrichten. Corel einigte sich mit Unisys erst nach einem bereits eingeleiteten Gerichtsverfahren. Nach Angaben von Unisys war das aber bis heute der einzige Prozess. Danach akzeptierten alle großen Firmen das Patent - und zahlten. Doch vor allem kleineren Softwarehäusern scheint das Patent immer noch unbekannt zu sein.

Details der langen GIF-Geschichte sind im Internet nachzulesen. Eines wird daraus deutlich: Wo immer Geld mit Software verdient wird, die das LZW-Verfahren einsetzt, ist Unisys dabei. Strategisch war es dabei nicht unklug von Unisys, Freeware lange Zeit von lizenzpflichtigen Zahlungen auszunehmen - sorgte das doch zu einer weiten Verbreitung der LZW-Komprimierung. Doch jetzt stehen gerade kleine Freewarefirmen, die sich die Lizenzierung gar nicht leisten können, vor dem Aus, falls Unisys eine Gebühr einfordern sollte.

Burn all Gifs

Die von Unisys ausgelöste Welle der Entrüstung nutzten einige Gruppierungen, allen voran die Organisation League for Programming Freedom um Don Marti und Mark Durham, alternative Grafikformate ins Gespräch zu bringen. Favorit ist dabei PNG , das sich trotz der Überlegenheit gegenüber GIF bis heute nicht durchsetzen konnte.

Am 5. November versammelten sich vor dem Hauptsitz von Unisys einige Demonstranten zum so genannten Burn All Gifs Day. Von der League for Programming Freedom angestiftet, verbrannten nach Angaben von Don Marti ein halbes Dutzend Demonstranten Datenträger mit GIF-Grafiken. Friedlich, wie sie es auf ihrer Website angekündigt hatten, demonstrierten sie für freie Software und offene Standards im Internet. Ebenso unterstrichen sie damit ihre Aufforderung an Webmasters in aller Welt, an diesem Tag alle GIFs aus dem Netz zu entfernen.

Ein symbolischer Akt, der ausdrückt, worum es wirklich geht. Die GIF-Problematik dient nur als Aufhänger für die schon oft diskutierte grundlegende Frage, ob Algorithmen überhaupt patentierbar sind. Vom Patenrecht nicht berührte Formate sind nötig.

GIF versus PNG

Was kann der Anwender tun? Die einfachste Möglichkeit, Schwierigkeiten zu entgehen, ist die Umwandlung von GIF-Grafiken in PNG-Grafiken. Das Komprimierungsverfahren von PNG ist nicht patentrechtlich geschützt. Auch deshalb hat das W3C PNG als Internetstandard empfohlen.

Beide Formate nutzen verlustfreie Kompressionen. Bei der Komprimierung gehen (im Gegensatz zum JPEG-Format ) keine Informationen verloren. Deshalb kann PNG mit ähnlichen oder gar besseren Ergebnissen fürs Web genutzt werden. GIF-Grafiken werden in der Regel eingesetzt, wenn es um deutliche Konturen im Bild geht. Die zwei Formate haben folgende Eigenheiten:

Grafikformat

GIF

PNG

Verlustfreie Komprimierung

Ja

Ja

Farbunterstützung

8 Bit (256 Farben)

Bis zu 48 Bit, Paletten, Graustufen

Transparenz

An/Aus

Volle Unterstützung

Interlacing

Ja, 1D

Ja, 2D

Besonderheiten

Animationen

Alpha-Kanal, Gamma-Korrektur

Wie aus der Tabelle abzulesen ist, bietet PNG im Vergleich zu GIF hauptsächlich Vorteile. Die Kompression kann bei der richtigen Paletteneinstellung ähnlich große oder sogar kleinere Dateien ergeben als mit GIF. PNG unterstützt True-Color-Bilder mit bis zu 48 Bit per Pixel und Graustufen mit bis zu 16 Bit per Pixel. GIF kann maximal 256 Farben nutzen, Graustufen werden nur über eine entsprechende Palette erzeugt. Das 2-D-Interlacing in PNG vermittelt einen schnelleren Gesamteindruck beim Bildaufbau. Im Gegensatz zum GIF-Format ist es mit PNG möglich, fließende Transparenzen einzusetzen - GIF unterstützt nur eine An/Aus-Funktion, ein Pixel kann also voll transparent sein oder gar nicht. Die Gamma-Funktion dient dazu, ähnliche Helligkeitsstufen auf unterschiedlichen Ausgabegeräten zu erhalten.

PNG hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Es unterstützt keine animierten Bilder. Als Alternative bieten sich momentan höchstens mit JavaScript oder Flash erzeugte Animationen an - was zumeist viel zu aufwendig ist im Vergleich zu GIF-Grafiken.

Derzeitige Browser unterstützen noch nicht alle Möglichkeiten von PNG. Wohl der schwerwiegendste Grund, weshalb man bisher PNG-Grafiken so selten im Internet sieht. Der Internet Explorer hat beispielsweise Probleme mit der Transparenz - Paletten-basierte Bilder werden manchmal gar nicht angezeigt. Im Gegensatz zum Internet Explorer ab 4.0b2 unterstützt Netscapes Browser keine Gamma-Korrektur. Ein mit beiden Browsern sichtbares Beispiel zeigt deutlich unterschiedliche Ergebnisse der Anzeige.

Was zu hoffen bleibt...

Irgendwo am Horizont befindet sich MNG , ein weiteres Grafikformat, das Animationen unterstützen soll. Wann und ob MNG kommt, ist fraglich. Momentan ist die Entwicklung eingefroren.

Wer einfache animierte Bilder möchte, muss also noch auf GIFs zurückgreifen und dafür lizenzierte Software besitzen. Damit sich PNG weiter verbreitet, sind vor allem wieder mal Microsoft und Netscape gefordert.

Wer weiß - vielleicht gibt es dank Unisys' Lizenzierungspolitik und den damit verbundenen Anfragen bei Softwareherstellern demnächst Softwareverpackungen mit dem Unisys-Stempel: "LZW geprüft". Solange heißt es für den Anwender, Softwarehersteller und Unisys zu nerven. Allerdings sollte man den Spruch von Don Marti im Hinterkopf behalten: "Don't flame Unisys".

Bleibt zu hoffen, dass neue Bildformate bald ins Feld ziehen, um das überholte GIF abzulösen. Zeit wird's. (sda)