Aus der Ferne ins heimische Netz

25.10.2002
Der Chemieriese BASF hat mehrere Tausend mobile Mitarbeiter, die weltweit Zugang zur internen Rechnerumgebung des Konzerns benötigen. Bisher vertraute das Unternehmen auf herkömmliche Dialin-Verfahren, die jedoch hohe Kosten verursachten und technisch auf Dauer nicht überzeugten. Eine neue Lösung musste einfach zu bedienen sein, mehr Funktionen bieten und durfte vor allem nicht mehr kosten als das bisherige System.

Von: Angelika Keller

Fassungslos starrt Martin Schmidt auf die Hotelrechnung: Der Übernachtungspreis von 234 Dollar wurde glatt durch die Telefonkosten von 281 Dollar übertroffen. 281 Dollar? Dabei hatte sich der BASF-Einkäufer nach seiner Ankunft in New York nur schnell in den Firmenrechner in Ludwigshafen eingeloggt, um seine E-Mails anzusehen und zu überprüfen, ob der Vorstandstermin nächste Woche zu Stande kommt oder nicht. Außerdem musste er eine Präsentation herunterladen, die seine Assistentin für das Gespräch mit den neuen Lieferanten am nächsten Morgen noch einmal überarbeitet hatte. Powerpoint, da kommt schon ein gewisses Datenvolumen zusammen - aber gleich 281 Dollar?

Überraschungen wie diese sind kein Einzelfall in weltweit agierenden Großunternehmen. Wer viel unterwegs ist und abends vom Hotel aus noch mit dem Zentralrechner seiner Firma kommunizieren muss, zahlt nicht selten horrende TK-Kosten dafür. Hohe Verbindungsgebühren werden in Übersee mitunter noch durch Transkontinental-Zuschläge verteuert. Und wer dann auf eine schlechte Leitungsqualität trifft, ärgert sich an seinem Notebook vermutlich schwarz. Dennoch kann es sich heute kaum noch jemand leisten, den Anschluss an das Tagesgeschäft in seiner Firma zu verlieren. "Im Grunde war es ein Witz: Wir hatten die modernste Computer- und Kommunikationstechnik, leistungsfähige Datenbanken, sichere Firewalls - und konnten keinen vernünftigen Zugriff von außen auf diese Ressourcen bieten", sagt Harald Endres, Manager Network Services, BASF IT Services GmbH in Ludwigshafen. Das musste sich ändern.

Mehr Funktionen fürs gleiche Geld

BASF IT Services B.V. ist im April 2001 durch den Zusammenschluss aller EDV-Aktivitäten einzelner Gesellschaften der BASF-Gruppe in Europa entstanden. Ziel war es, das Know-how im Konzern zu bündeln und externen Kunden ebenso wie dem Mutterkonzern leistungsfähige IT-Lösungen anzubieten. Derzeit betreibt der Chemie- und Pharmariese Netze und Großrechner für rund 50 000 Nutzer an mehr als 250 Standorten in Europa. Dabei unterstützt die Servicegesellschaft unter anderem E-Business- und ERP-Anwendungen (Enterprise Resource Planning) sowie das Management verschiedener Human-Resources-Systeme. Als das Problem "Remote Access auf die zent-ralen IT-Ressourcen" aufkam, sollten die Planer der Dienstleistungsgesellschaft auch hierfür eine Lösung finden.

Bislang hatten Manager wie Martin Schmidt herkömmliche Dial-in-Verfahren genutzt, um sich direkt in einen Server in Ludwigshafen einzuwählen. Dabei musste der Support den rund 2500 reisenden Mitarbeitern in Europa unterschiedliche Access-Varianten bereitstellen. Je nachdem, ob die Einwahl über eine analoge oder ISDN-Leitung, über DSL (Digital Subscriber Line) oder (TV-)Kabel erfolgte, war die Verbindung zu einem anderen Zugangspunkt innerhalb des Konzerns herzustellen. Zu diesem internen Aufwand addierten sich Kosten, die Angestellte wie Martin Schmidt unfreiwillig durch hohe Verbindungsgebühren verursachten. "Das war aber nicht alles: unsere Kunden haben sich auch immer wieder über mangelnde Bandbreiten, schlechte Antwortzeiten und die oft miese Leitungsqualität beschwert", so Gerhard Glaser, europäischer Produktverantwortlicher für Dial-in- und VPN-Remote-Access (Virtual Private Network) bei der BASF IT Services GmbH.

Auf der Suche nach einer Lösung trugen die Planer von Anfang an der weltweiten Aufstellung des Unternehmens und den daraus resultierenden Kommunikationsanforderungen Rechnung. Zwar gehen die drei BASF-Regionen "Americas", "EMEA" (Europe, Middle-East, Africa) und "Asia Pacific" in der Regel technisch ihre eigenen Wege. Doch weil dieses Projekt interne Kunden bedienen sollte, die weltweit unterwegs sein würden, suchte das Unternehmen eine möglichst einheitliche Lösung. Und da nicht jeder reisende Manager ein Informatiker oder PC-Freak ist, kam der einfachen Bedienbarkeit eine große Bedeutung zu. Global, einheitlich und einfach - so lautete die Vorgabe, als BASF IT Services eine Ausschreibung startete. Einer Gruppe von international tätigen TK-Anbietern wurde ein umfangreiches Pflichtenheft zugeleitet. Um die einfache Bedienbarkeit der Lösung für die reisenden Kollegen in jedem Fall zu gewährleisten, wünschte sich das Unternehmen die Unterstützung durch ein Helpdesk, das in allen Zielländern der Konzernmutter zur Verfügung stehen sollte. Eine finanzielle Vorgabe erhielten die Vertragsaspiranten insofern, als die neue Lösung nicht mehr kosten durfte, als die vorhandene, dafür aber deutlich mehr Funktionen bieten musste.

Die per E-Mail erbetenen Rückläufe lehrten die IT-Dienstleister in mancher Hinsicht das Staunen. "Wir hatten natürlich sehr konkrete Vorgaben gemacht, wie wir die Lösung technisch realisiert haben wollten", sagt Harald Endres. "Einige der Global Player wollten oder konnten das nicht akzeptieren." Auch konnten sie zum Teil den Wunsch nicht erfüllen, die Kosten des Services anhand eines Umbrella-Vertrages zumindest auf die drei Regionen zu verrechnen. "Überhaupt tat sich mancher Anbieter bei betriebswirtschaftlichen Fragen schwer." Es zeigte sich, dass Accounting und Billing oft gar nicht so global waren, wie der Carrier sich selbst positionierte. Einer verlangte ein Konto in Deutschland, der nächste konnte wohl Einzelabrechnungen liefern, aber nur an einen Standort. "Wir hätten uns mehr Aufwand in der Finanzbuchhaltung geschaffen, als wir durch die neue Technik auf der anderen Seite gespart hätten", kritisiert Glaser.

Pragmatische Erwägungen haben dazu geführt, dass schließlich ein amerikanischer Konzern den Zuschlag für das Projekt erhalten hat. "AT&T hat weltweit am meisten eigene Einwahlpunkte ins Internet", so Harald Endres. Die anderen Anbieter haben stattdessen meist Verträge mit lokalen Serviceprovidern abgeschlossen. Bei diesem Verfahren befürchtete BASF IT Services jedoch Qualitätsunterschiede.

Remote Access für über 5000 Nutzer

Gespannt wartet Martin Schmidt beim Auschecken an der Rezeption seines Hotels da-rauf, wie hoch seine Rechnung dieses Mal wohl ausfallen würde. Nach seiner Schätzung hatte er etwa genauso viele Informationen aus dem Rechner in Ludwigshafen abgefragt, wie bei der letzten Reise nach New York. Nur dieses Mal benutzte er sein Notebook mit der neuen Software. Und tatsächlich: Die Kommunikationskosten betrugen nur rund 45 Dollar. Die Verbindung nach Ludwigshafen über das Internet war nicht nur schneller und stabiler, sondern auch noch deutlich preiswerter.

Möglich wurde das durch den Remote Access Service, den AT&T bei BASF IT Services ins-talliert hat. Dafür wurden auf Schmidts Notebook zwei neue Programme eingerichtet: zum einen ein Dialer, der auf dem Notebook auch ein weltweites Telefonbuch hinterlegt. Diese Einwahlsoftware startet für den Verbindungsaufbau ein Programm von Nortel Networks. "Das Prinzip ist einfach und verschafft uns ein hohes Maß an technischer Flexibilität", erklärt Harald Endres. "Das Einwahlprogramm baut eine Verbindung mit dem nächsten Access-Punkt auf. Von dort geht es über das weltweite IP-Netz zu einem redundanten Serversystem bei BASF." Der Server des Typs "Nortel Contivity" baut zwischen sich und dem Notebook einen IP-Tunnel auf, über den alle Informationen verschlüsselt übertragen werden. Weil Contivity die Nutzer, die sich einloggen, einer Authentizitätskontrolle unterzieht und die Kommunikation dann absichert, spricht BASF IT Services hier von einem VPN-Remote-Access. Martin Schmidt beispielsweise merkt gar nicht, dass die Verbindung über das Internet erfolgt. Aus seiner Sicht ist das Notebook unmittelbar mit der Rechnerwelt jenseits der BASF-Firewall verbunden.

Mehr als 2000 BASF-Mitarbeitern wird RAS bereits als Alternative zu dem herkömmlichen Dial-in-Verfahren angeboten, für viele ist das Notebook mit der neuen Software schon zum selbstverständlichen Reisebegleiter geworden. In den kommenden Monaten sollen rund 3000 weitere Angestellte des Konzerns europaweit RAS-Nutzer werden. Darüber hinaus stellt der TK-Anbieter seinem Kunden 0800er-Rufnummern für die kostenfreie Einwahl und ein globales Helpdesk zur Verfügung, von dem aus bei Bedarf zum BASF-Support weitergeschaltet wird. (afi)

Zur Person

Angelika Keller

ist freie Journalistin und lebt in Herrsching am Ammersee.