Aufsicht über freie Märkte

08.03.2002
Regulierung ist eine zweischneidige Sache: Mindestens ein Beteiligter ist immer unzufrieden. Die Kontrolle der Ex-Monopolisten und der Wettbewerber schafft aber erst die Grundlage für freie Märkte.

Von: Andreas Th. Fischer

Weitgehend freie Telekommunikationsmärkte sind keine Selbstverständlichkeit. Heutzutage wird das gerne vergessen. Bis weit in die Achtzigerjahre hinein kontrollierten die meisten Länder das lokale Fernmeldewesen streng. Praktisch die gesamte TK lag in den Händen staatlich kontrollierter Konzerne, deren Aufgabe eine Grundversorgung von Wirtschaft und Gesellschaft mit Telediensten war. Erst vor knapp 20 Jahren - 1982 - deregulierten die USA die Telekommunikation mit der Zerschlagung von AT&T. Damals teilten die US-Politiker den amerikanischen Telefongiganten in die Bereiche Orts- und Ferngespräche auf. Innerhalb von nur zwei Jahren musste sich der ehemalige Monopolist von 22 Telefongesellschaften trennen. Die da-raus entstandenen "Baby Bells" machten sich in der Folge auf die Suche nach neuen Einnahmequellen im In- und Ausland. Der Wettbewerb im TK-Markt war geboren.

In den folgenden Jahren zogen andere Länder nach: Großbritannien 1984, Japan 1985 und schließlich Deutschland 1989 beziehungsweise 1995 (Privatisierung der Deutschen Bundespost). An den prunkvollen Börsengang der Deutschen Telekom 1996 können sich sicher noch viele Anleger erinnern. International gesehen, erfolgte die Deregulierung in der Bundesrepublik allerdings zu spät. "Aufgrund der raschen Liberalisierung in den USA ist es nicht verwunderlich, dass zwei Drittel der größten Netzbetreiber der Welt amerikanische Unternehmen sind", sagt Volker Wirsdorf, Fachreferent Telekommunikation und Senior Commercial Specialist am US-Generalkonsulat in Frankfurt. Auch James Q. Crowe, President und CEO von Level 3 Communications sagt, dass die "Zerschlagung von AT&T eine der wesentlichen Ursachen für die heutige Stärke Amerikas auf den globalen TK-Märkten ist".

Hier zu Lande ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) für Liberalisierung und Aufsicht des deutschen TK-Markts zuständig. Die Behörde wurde 1998 gegründet und untersteht dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie. Zu ihren Aufgaben gehört es, die immer noch marktbeherrschende Stellung der ehemaligen Monopolunternehmen Deutsche Telekom und Deutsche Post zu kontrollieren und den neuen Wettbewerbern zur notwendigen "Chancengleichheit" zu verhelfen. Ferner hat der derzeitige RegTP-Präsident Matthias Kurth dafür Sorge zu tragen, dass die "Dynamik im deutschen TK-Markt nicht zum Erliegen kommt".

Die Behörde sieht sich nach eigener Aussage dabei selbst als "Anwalt der Verbraucher". Diese Rolle auch in der Öffentlichkeit wahrzunehmen, fällt nicht immer leicht. Erst vor wenigen Monaten erregten sich die Gemüter über eine durch die RegTP ausgelöste Erhöhung der "T-DSL"-Gebühren (Digital Subscriber Line) durch die Telekom. Den Wettbewerbern war dieser Aufschlag nicht hoch genug, sie argumentierten, dass die Telekom T-DSL noch immer unter den eigenen Kosten anbiete. Auf der anderen Seite gingen die Endkunden auf die Barrikaden, denen nur schwer zu erklären war, warum etwas teurer werden sollte, damit es später wieder billiger wird.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Darüber hinaus teilt die Regulierungsbehörde Funkfrequenzen und Rufnummern zu, klärt Störungen auf, berät die Bürger und beobachtet den Markt. Letzteres schlägt sich alle zwei Jahre im so genannten "Tätigkeitsbericht" und in zusätzlichen jährlichen Zusammenfassungen nieder. Im Dezember legte Kurth den Tätigkeitsbericht seiner Behörde für 2000 und 2001 vor. Wenig später folgte der "Jahresbericht 2001".

Wenn man die letzten Auswertungen der RegTP betrachtet, scheint die Krise der vergangenen Monate die hiesigen Anbieter fast nur am Rande gestreift zu haben. Nach Berechnungen der Behörde ist der TK-Markt im vergangenen Jahr um 15 Prozent auf 63,4 Milliarden Euro gewachsen. Auch der Arbeitsmarkt legte wider Erwarten mit einem minimalen Plus von 0,46 Prozent noch leicht zu. Kein Wunder, dass Kurth selbstbewusst betonte, die tatsächliche Lage sei eigentlich besser als die Stimmung. Probleme beständen jedoch bei den Carriern durch den Aufbau von Überkapazitäten - Global Crossing mag da als markantes Beispiel gelten - und eklatante Fehleinschätzungen bezüglich der Nachfrageentwicklung.

Bezogen auf das bereits genannte Gesamtmarktvolumen von 63,4 Milliarden Euro haben die Wettbewerber mittlerweile einen Anteil von über 40 Prozent erreicht. Besonders stark sind sie im Mobilfunkbereich, wo sie inzwischen 70 Prozent des Umsatzes unter sich aufteilen. Von 54 Prozent in 1998 auf 48 Prozent 2000 leicht gesunken ist ihr Anteil im Carrier-Geschäft. Der größte Sprung erfolgte bei Mietleitungen. Hier ging der Marktanteil der Telekom in nur zwei Jahren von 90 Prozent auf 58 Prozent zurück. Bei der Zahl der Mitarbeiter ist der ehemalige Staatskonzern jedoch weiterhin unangefochten: Die Telekom hat mit knapp 180 000 Angestellten fast dreimal so viel Personal wie alle Konkurrenten zusammen.

Neben dem bereits hart umkämpften Mobilfunkgeschäft gilt das Ortsnetz als Schlüssel zum Erfolg. Ende vergangenen Jahres gab es in Deutschland rund 52,3 Millionen "Telefonkanäle". Ein Telefonkanal entspricht nach RegTP-Lesart nicht einer Rufnummer, sondern in etwa einem 64 kBit/s-Anschluss. Langsam aber deutlich holen die Wettbewerber hier auf: Von 1998 bis 2001 erhöhten sie die Zahl ihrer Telefonkanäle von 160 000 auf 1,58 Millionen - ein Plus von 1,42 Millionen oder 980 Prozent. Die Telekom legte im Zuge der Digitalisierung ihrer Netze in diesem Zeitraum jedoch gleich rund 4,33 Millionen neue Telefon-kanäle. Mit nun insgesamt 52,28 Millionen Kanälen hat der TK-Riese damit immer noch einen Anteil von rund 97 Prozent im Ortsnetz.

Knackpunkt "Letzte Meile"

Brisant ist ein in der zweiten Februarhälfte 2002 ergangenes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen: Die Telekom muss den Wettbewerbern künftig Angebote zur Nutzung ihrer Hausverkabelung unterbreiten. Macht sie dies nicht, muss sie eine Nutzung durch die Konkurrenz eventuell kostenlos dulden. Bei dem Streit ging es um die letzten Meter Kabel zwischen dem Glasfasernetz des Düsseldorfer Regionalnetzbetreibers Isis Multimedia und den von der Telekom genutzten Leitungen in den Häusern der Endkunden. Die DTAG wollte Isis keinen Zugang zu dieser so genannten "Inhouse-Verkabelung" gewähren. Auch durch das Einschreiten des Regulierers im Frühjahr 1998 konnte keine Einigung erzielt werden.

Nun hat es die Telekom allerdings schriftlich: Der 13. Senat des OVG Münster hat am 15. Februar in schönstem Amtsdeutsch entschieden, dass der Carrier "als marktbeherrschender Anbieter von Tele-kommunikations-Dienstleistungen grundsätzlich den Wettbewerbern den Zugang zu seinen am Markt angebotenen intern genutzten wesentlichen Leistungen für die Erbringung anderer TK-Dienste" ermöglichen muss. Der Einwand der Telekom, es gebe alternative Techniken, etwa Funkverbindungen, ließ das Gericht nicht gelten, weil solche Verbindungen weder technisch ausgereift noch so leistungsfähig wie Festnetzanschlüsse seien. Auch eine Neuverkabelung der Häuser sei wegen der anfallenden Kosten wirtschaftlich nicht sinnvoll. Eine eventuelle Revision des Urteils bei der nächsthöheren Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht, wurde vom OVG von vornherein nicht zugelassen. In den Augen von Rainer Lüddemann, Geschäftsführer des Bundesverbands der regionalen und lokalen Telekommunikationsgesellschaften e.V. Breko, ist damit eine "Hürde auf dem Weg in einen faireren Wettbewerb" gefallen.

Regulierung ist ein wichtiges, aber umstrittenes Thema. Der CEO des Schweizer Carriers Swisscom sagte Anfang Februar in der Neuen Zürcher Zeitung, dass sich die Konzernleitung etwa doppelt so viel mit Regulierungsfragen beschäftigen müsse als mit der Konkurrenz.