Auf Heller und Pfennig

29.01.1999
Viele Unternehmen arbeiten mit dem Internet. Wenn sie die Web-Zugriffszeiten einzelner Geschäftsbereiche erfassen wollen, kommen sie ohne ein Abrechnungsprogramm nicht aus.

Häufig erntet die IT-Abteilung eines Unternehmens Tadel von mehreren Seiten: Einerseits wird sie für Netzausfälle verantwortlich gemacht, andererseits muß sie allein für die Kosten der Datenverarbeitung geradestehen. Nicht selten gerät sie dabei in die Schußlinie der Geschäftsführung, die der Notwendigkeit von Neuanschaffungen, etwa ei-nes breitbandigen WAN-Anschlusses oder einen schnellen Routers, ablehnend gegenübersteht. Das Management hat zwar Einsicht in die Gesamtkosten der Informationstechnik, aber bei der Aufteilung der Sollbeträge auf die einzelnen Abteilungen muß es passen.

Abhilfe schafft ein Billing- und Accounting-System, welches die Kosten für IT-Dienste den verschiedenen Firmenbereichen zuordnet und zum Beispiel berücksichtigt, wie lange eine Abteilung im Internet surft.

Ein Abrechnungssystem listet verschiedene Posten auf, die den Firmengeldbeutel belasten:

- Internet-Zugriffe über einen Provider,

- WAN-Anbindungen zu Kunden und Filialen und

- Inanspruchnahme von internen Dien-sten und Software.

Zusätzlich werden im Laufe der Zeit mehr und mehr Telekommunikationsdienste wie Telefon, Fax und Videokonferenzen in das LAN der Unternehmen integriert und von der EDV-Abteilung verwaltet, die gleichermaßen in die Bilanz mit eingehen.

Schwierige Abrechnung

Fast alle Anbieter von Netzwerkkomponenten wie Switches und Router haben ihre Geräte mit Schnittstellen ausgerüstet, die dem Systemverwalter Informationen über ihre Auslastung geben. Leider gibt es noch keinen allgemeinen Standard für die dabei erstellten Logfiles, und nur sehr wenige Hersteller bieten dem Anwender ausreichende Tools an, mit denen er die Daten auswerten kann. Oft sorgen mehrere Geräte für die Verbindung zwischen zwei PCs, wobei jedes seine eigenen Protokolleinträge erzeugt.

Mitunter beschreiben sogar verschiedene Logfiles dasselbe Ereignis (Bild 1). In diesem Falle muß die Kostenstelle darauf achten, daß sie nicht zuviel abrechnet.

Die Protokolldateien weichen in ihrer Qualität stark voneinander ab, so daß bei einigen Geräten nur die Verbindung und die Menge an Daten aufgezeichnet wird, bei anderen hingegen auch die Dauer des Zugriffs und der Name des Internet-Dienstes.

Ein schwerwiegendes Problem, gerade bei größeren oder weitverzweigten Netzen, ist die beim Auswerten der Logfiles anfallende Datenmenge - schließlich wird jede Interaktion an mindestens einem Gerät protokolliert. Und wenn eine Internet-Seite aus zehn Einzelteilen besteht, die sich in entsprechend vielen Einträgen einer Abrechnung niederschlagen, resultiert daraus ein ordentlicher Datenverhau.

Maßgeschneiderte Software

Die Zuordnung von Servicekosten und Benutzern setzt voraus, daß jedem Anwender Netzwerkadressen zugeteilt sind. Dies wird in den meisten Unternehmen noch per Hand gemacht, mit Hilfe von Excel-Tabellen oder ähnlichem.

Um den IT-Verkehr abschätzen zu können, braucht die Kostenstelle eines Unternehmens Tarifmodelle, die auf die Firma zugeschnitten sind. Solche Regelwerke betreffen nicht nur den volumenabhängigen Daten-Traffic, sondern enthalten auch Grundgebühren für Zugänge und zusätzliche Dienstleistungen, etwa den Support oder die Domain-Pflege. Eine Billing-Software muß sich den Bedürfnissen eines Unternehmens anpassen lassen, denn gerade was die Serviceprovider anbelangt, bestimmen häufig Individualverträge den Abrechnungsmodus.

Auf der Suche nach einer geeigneten Billing-Software fand der westfälische Provider Uni-x lediglich ungenügende Produkte: Die einen arbeiteten nur mit einem einzigen Router zusammen, die anderen rechneten lediglich den Zugang per Einwahl ab. Weil viele Kunden des Anbieters, hauptsächlich mittelständische Unternehmen und kleinere Aktiengesellschaften, nach einer detaillierten Kostenaufstellung fragten, entwickelte Uni-x ein eigenes Produkt.

Ziel der Programmierer war ein System, das sämtliche im IT-Bereich anfallenden Logfiles und Billing-Informationen möglichst automatisch in Rechnungen verwandelt und zusätzlich verschiedene Statistiken erzeugt. Die Software sollte neue Geräte automatisch einbinden und zentral verwaltet werden können. Die Entwickler haben deshalb ein modulares Programm geschaffen, welches die Systeminformationen zu einem Großteil dezentral verarbeit. Die Billing-Software "Open Informer" arbeitet via "Application Program Interfaces" (APIs) mit einer Reihe von Anwendungen zusammen. So erledigt beispielsweise das Echtzeit-Internet-Faxsystem "Reindeer Fax" der Firma CMR die komplette Abrechnung inklusive Least-Cost-Routing für weltweiten Faxverkehr mit Open Informer. Weitere Anbindungen an SAP und verschiedene Finanzbuchhaltungssysteme hat Uni-x seinen Kunden zum Test übergeben.

Modularer Aufbau

Die Billing-Software Open Informer sammelt ihre Informationen über Netzkomponenten mit Hilfe sogenannter Kollektoren. Das sind Programme, die an verschiedenen Stellen des Netzes Billing-Daten in ein Standardformat verwandeln und komprimieren. Zudem bereinigen sie die Einträge von redundaten Angaben und entlasten somit die zentrale Aufnahmestelle, die Software "Global Accounting Master" (GAM). Diese empfängt von allen Sammelstellen verdichtete Billing-Informationen und bewertet sie anhand von Tarifmodellen, die der Anwender über grafische Oberflächen eingeben kann.

Die zentrale Datenbank GAM besteht aus einer Konfigurations- und einer Auswertungseinheit. Das Konfigurationsmodul überwacht den Aufbau des Gesamtsystems und verwaltet die Einstellungen aller Geräte, während der Auswertungsteil die Tarife aus einer relationalen Datenbank an die Komponenten weitergibt, und Ergebnisse in die Abrechnungsdaten schreibt. GAM läuft derzeit nur auf einer "Sparc"-Workstation von Sun mit dem Unix-Betriebssystem Solaris.

Die Kollektoren sammeln Abrechnungsdaten im Auftrag der Zentraleinheit GAM, bringen sie anhand der vorgegebenen Regeln in ein Einheitsformat und geben sie anschließend an die Zentrale weiter. Weil die Kollektoren ihre Daten zwischenspeichern und mit dem Manager GAM synchronisieren, sichern sie die Informationen in Form eines verteilten Backup. Daher darf die Zentrale auch schon mal ausfallen, ohne daß es zu einem Datenverlust kommt. Sämtliche Konfigurationen der Sammelstellen erledigt der Systemverwalter mit dem Modul GAM. Von hier aus erfolgen Software-Updates automatisch über das Internet, so daß nach der Erstinstallation keine manuellen Eingriffe mehr erforderlich sind. Für die Kollektoren eignen sich Sparc-Rechner von Sun mit Solaris und Linux-Systeme. An einer Windows-NT-Version arbeiten die Entwickler bereits.

Für eine erhöhte Übersichtlichkeit des Systems wurden die einzelnen Funktionsmodule mit eigenen grafischen Oberflächen versehen, die mit dem GAM zusammenarbeiten und die komplexe Konfiguration erleichtern. Zu den Bausteinen gehören das Tool "Configurator", das die physikalische Netzstruktur aufnimmt, eine Managementkonsole, mit deren Hilfe der Administrator Datenflüsse und Tarife einander zuordnet, und ein Programm, das Abteilungsstammdaten verwaltet und Rechnungen ausgibt.

Kaufmännische Struktur

Mit dem Modul Configurator stellt der Systemverwalter sämtliche von der Billing-Software benötigten Informationen wie Routeradressen und Paßwörter zusammen. Nach Abschluß dieser Arbeiten ist das System vollständig konfiguriert, und es fallen keine weiteren Arbeiten an der Zentraleinheit GAM oder an einem der Kollektoren an.

Bei Systemstörungen kann der Administrator mit Configurator per Drag-and-Drop Auswertungsdaten von einer Sammelstelle auf eine andere übertragen und damit dem Verlust von Accounting-Informationen begegnen. Wenn also ein Kollektor ausfällt, übernimmt der nächste Kollektor die Daten. In diesem Fall kann man mit ein paar Mausklicks sämtliche durch das defekte Gerät belauschten Komponenten von einer funktionierenden Sammelstelle beobachten lassen, so daß keine längeren Systemstillstände stattfinden und keine Informationen verlorengehen. Sobald die Konfiguration abgespeichert ist, wird sie automatisch von dem Modul GAM an alle Untersysteme übertragen. Der Configurator läuft auf allen Java-fähigen Systemen, die per "Java Database Connectivity" (JDBC) eine Verbindung zur GAM-Datenbank herstellen können.

In der Managementkonsole ordnet der Systemverwalter Datenflüsse und Tarifnamen einander zu. Ähnlich wie bei Firewalls werden die Quelle und das Ziel eines Datenflusses und auf Wunsch auch Quell- und Zielports nach vorgegebenen Regeln ausgewertet. Das Benennen der Datenwege ersetzt die physikalische Struktur des Abrechnungssystems durch eine kaufmännische, und die Kostenstelle kann später die Kosten leicht den jeweiligen Abteilungen zuschreiben.

Java-fähige Module

Gemäß den in der Managementkonsole festgelegten Regeln stuft das Billing-Programm beispielsweise alle Zugriffe auf den News-Server als "News" ein. Dafür muß im Quellfeld "any" stehen und im Zielfeld "News-Server". Für jede Abrechnungszeile, auf die diese Regel zutrifft, erfolgt ein Eintrag der Klasse "News" im Zentralmodul GAM. Dieser kann auf vielfältige Weise weiterverarbeitet werden, auch ohne Verständnis der physikalischen Struktur.

Flexible Tarifmodelle

Die Regeln der Auswertung lassen sich nicht nur statisch erzeugen. Sie passen sich selbst an verschiedene Änderungen im Netzwerk an. Lautet eine Regel, daß Zugriffe auf bestimmte Internet-Seiten speziell zu bewerten sind, so werden Veränderungen im IP-Bereich bei der betreffenden Site automatisch auch das Regelwerk ändern, ohne daß manuell eingegriffen werden muß. Die Managementkonsole läuft ebenfalls auf allen Java-fähigen Systemen, die per JDBC eine Verbindung zur GAM-Datenbank herstellen können.

Das Stammdatenmodul ist die Hauptanwendung im täglichen Gebrauch der Software. Hier werden sämtliche, für die Zuordnung der Netzwerkkosten benötigten Informationen eingegeben und gepflegt, sowie Tarifstrukturen und Preise festgelegt, die für die Abrechnung erforderlich sind. Verschiedene Funktionen zur Auswertung erleichtern zudem den täglichen Einsatz.

Die wichtigste Aufgabe des Moduls ist das Verwalten von Internet-Adressen, weil nur mit einer vollständigen Datenbasis aussagekräftige Auswertungen möglich sind. Um das Abrechnen zu vereinfachen, sind Bezeichnungen wie "sämtliche freien 8er-Netze" oder "alle Netze eines Unternehmens" erlaubt.

Die kaufmännisch wichtigste Funktion ist die Definition von Tarifmodellen, welche jeweils für einen Tarifnamen Preise festlegen. Eine Abrechnung kann mehrere Tarifarten wie "News" und "Proxy" zusammenfassen, Preisvorgaben verwenden oder Kontingente vorsehen. Ein Tarifmodell berücksichtigt Angaben zu verschiedenen Dienstleistungen, enthält Domain-Namen und E-Mail-Adressen. Die Auswertung der Abrechnungsdaten erfolgt stundengenau. (kpl)