Auf einen Streich

06.10.2000
Linux-Distributionen scheinen schneller auf dem Markt zu erscheinen, als sie der normale Anwender installieren oder gar einsetzen kann. Deutet allerdings eine Änderung der Versionsnummer vor dem Komma - wie bei der aktuellen Suse-Version 7.0 - ein "Major-Release" an, so ist das Interesse groß. Wir haben die Professional-Version des neuen Suse-Linux näher betrachtet.

Von: Frank-Michael Schlede

Wer immer die aktuelle Version "seines" Linux-Derivats auf seinem Rechner verwenden möchte, tut sich im Moment sicher schwer: Zu häufig wechseln die Versionen und zu schnell sind die Distributoren darin, "brandneue" Versionen auf den Markt zu werfen. So fragt sich dann der Systemadministrator häufig, ob es denn wirklich nötig ist, die entsprechende neue Version zu installieren. Ein guter Indikator für den Grad der Neuerung sollte in der Regel die Versionsnummer eines Betriebssystems sein: Wechselt diese Nummer nur hinter dem Komma, so handelt es sich zumeist nur um kleinere Korrekturen und so genannte "Bug-Fixes". Wechselt allerdings wie beim aktuellen Suse-Release die Versionsnummer von "6.x" zu "7.0", so erwartet der Anwender zu Recht ein wirklich neues Betriebssystem.

Ein erster Blick auf die aktuelle Produktpalette zeigt dann auch ein gänzlich "neues Linux": Suse 7.0 wird jetzt in zwei unterschiedlichen Versionen ausgeliefert. Dazu gehören eine so genannte "Personal"- und eine "Professional"-Version. Die Personal-Version bietet dem Heimanwender eine deutliche Erleichterung gegenüber den bisherigen Suse-Betriebssystemen, denn sie wird mit "nur" noch drei CDs ausgeliefert. Dafür wird diese Version leider nicht mehr mit dem üblichen umfangreichen Suse-Handbuch ausgeliefert.

Für unser Review stand uns die Professional-Version von Suse 7.0 zur Verfügung. Für den stolzen Preis von 129 Mark erhält der Anwender ein umfangreiches Paket, das neben sechs grasgrünen CDs auch das komplette System auf einer DVD enthält. Ein Paket, das nur die DVD enthält ist nun nicht mehr erhältlich. Neben dieser "Sammlung" von Medien wird das Betriebssystem mit vier Handbüchern ausgeliefert. Dazu gehören genau wie bei der Personal-Version auch ein so genanntes "Quick Install Manual", ein Konfigurationshandbuch und ein schmaler Band mit der Bezeichnung "Die Programme", der sich mit den mitgelieferten Anwendungsprogrammen wie "Staroffice" oder "Gimp" befasst. Als Unterschied zur "Heimversion" enthält das Professional-System immer noch das bewährte über 600 Seiten dicke Standardhandbuch der Suse-Distributionen. Dieses Buch hat sich schon bei den vorherigen Versionen als sehr gutes Nachschlagewerk erwiesen und ist für den Linux-Profi sicherlich der wichtigste Teil der mitgelieferten Dokumentation. Die anderen drei Unterlagen zielen eindeutig mehr auf den Linux-Ein- und -Umsteiger und helfen dieser Zielgruppe mit ihrer klaren und locker Art sicher bei der Linux-Installation.

Installation

Die Installation des Suse-Systems wird standardmäßig mit Hilfe des als "Yast 2" bezeichneten grafischen Tools des Herstellers durchgeführt. Hatte dieses Werkzeug in den letzten Versionen noch einige Probleme, so scheinen diese jetzt behoben zu sein. Besondere Schwierigkeiten traten unter den letzten Versionen des Betriebssystems dann auf, wenn eine Festplattenpartition als Ziel ausgewählt wurde, die nicht am Ende oder Anfang der Platte lag. Mit dieser Version von "Yast 2" war es jedoch keine Schwierigkeit, das Betriebssystems zwischen einer bestehenden Window-NT- und einer weiteren Linux-Partition (einer anderen Distribution) zu installieren.

Natürlich funktioniert eine solche Konfiguration nur im manuellen Modus der Partitionierungen. Im von der Installation angebotenen "halbautomatischen" Betrieb kann "Yast 2" nur die gesamte Platte oder einen anhängenden Bereich auf einer Festplatte verwenden. Auch das auf der Verpackung angekündigten "Reiserfs-Filesystem", ein so genanntes "Journaling-Filesystem, das größere Sicherung bei Systemabstürzen verspricht, kann nur bei der manuellen Einteilung der Festplatte angewählt werden. Experimentierfreudige Anwender erleben an dieser Stelle allerdings eine Überraschung: Reiserfs wird leider noch nicht vom Linux-Bootmanager "Lilo" unterstützt, so dass der "Yast 2" eine Verwendung dieses Filesystem-Typs für die Root-Partition folgerichtig verweigert.

Insgesamt verläuft die Installation des Suse-Betriebssystems gewohnt geradlinig und zuverlässig: Die Hardwareerkennung ist ein weiteres Mal umfangreicher geworden, wenn sie auch einen Standardmonitor (Eizo Flexscan F56), der sowohl von Calderas als auch von Corels Linux-Version problemlos erkannt und konfiguriert wurde, nicht einordnen konnte. Problemlos auch die Netzwerkinstallation, die besonders einfach und unkompliziert unter Verwendung eines DHCP-Servers (Dynamic Host Configuration Protocol) in unserem Testnetz verlief. Nach der Auswahl dieser Option braucht der Anwender keine weiteren Aktionen für die Installation des Netzwerkzugangs ausführen; das System findet nach dem Erkennen und Konfigurieren der Netzwerkkarte den entsprechenden Server und übernimmt die entsprechenden Daten von ihm. Auch mit einer statischen IP-Adresse ließ sich das Netzwerk problemlos konfigurieren.

Grafische Oberfläche

Besonders schön in dieser Version: Sowohl die Module des neuen "Yast 2" als auch der alte zeilenorientierte "Yast" lassen sich jetzt mühelos unter der KDE-Oberfläche benutzen. Eine weitere kleine aber sinnvolle Neuerung wurde beim grafischen Login des Superusers ("root") vorgenommen: Ein knallroter Bildschirmhintergrund, der mit kleinen Bomben verziert ist, warnt den Anwender davor, dass er unter diesem Account alle Rechte besitzt und so auch erheblichen Schaden am System anrichten kann.

Wie man es von einem Suse-Linux gewohnt ist, sind die meisten Server-Programme bereits vorkonfiguriert und so zeigt das System nach dem Neustart ein rundes Bild: Der Web-Server ist aktiv und im Zugriff und auch alle anderen Programme sind bereits so konfiguriert, dass ein Arbeiten mit dem System möglich ist. In einer der vorherigen Versionen wurde laut Aussage von Suse auf Kundenwunsch der automatische Start des Samba-Servers deaktiviert - zu groß schien die Gefahr, die vom unkontrollierten Export der File-Shares ausgehen könnte.

Unverständlich bleibt allerdings, warum man es bei Suse auch mit diesem Release nicht geschafft hat, die Konfiguration des Samba-Servers in die grafische Oberfläche von "Yast 2" zu integrieren. Andere Distributionen wie zum Beispiel der so genannte E-Server von Caldera bieten eine solche Möglichkeit schon länger an. Wenn ein Betriebssystem und vor allen Dingen ein Server-Betriebssystem schon eine grafische Oberfläche für Installations- und Verwaltungsaufgaben zur Verfügung stellt, so ist es nicht einsichtig, warum ein Administrator dann nur für eine Funktionalität seines Servers wieder auf die Kommandozeile wechseln muss, zumal "Yast 2" für NFS (Network File System) ein entsprechendes Modul bereitstellt.

Fazit

Insgesamt findet der Anwender also auch bei Suse Linux 7.0 die bewährte Qualität der Nünberger Linux-Distribution. Ob diese Version allerdings den Wechsel auf eine komplette neue Release-Nummer rechtfertigt, ist sehr zweifelhaft. Das System wird immer noch mit dem bekannten 2.2.16-Kernel ausgeliefert und die neue KDE-Oberfläche (siehe Bild 2) ist nur als Beta-Version vorhanden. Auch die Aufteilung in eine professionelle Version und eine "Heimversion" ist so nicht nachvollziehbar - schließlich handelt es sich auch bei der Personal-Version um ein Linux-Release, das sich problemlos als professioneller Server einsetzen lässt, wenn man beispielsweise auf einen LDAP-Server oder die Clustering-Fähigkeiten verzichten kann. So entspricht dann die von uns getestete "Professional"-Version im Wesentlichen der bisherigen Linux-Distribution von Suse, die nun mit DVD ausgeliefert wird. Ob die wenigen Neuerungen wirklich den deutlich höheren Preis lohnen, müssen die Kunden von Suse entscheiden.