Auf der Überholspur

16.02.2001
Pro Tag wächst das Web um eine Million Seiten. Deshalb gestalten Unternehmen ihren Web-Auftritt so eindrucksvoll wie möglich, etwa indem sie über ihre Sites Multimedia-Informationen anbieten. Das funktioniert jedoch nur, wenn die Internet-Serviceprovider ihre Netze entsprechend erweitern - indem sie Caching-Systeme integrieren und Streaming-Media-Inhalte so nahe wie möglich beim Abnehmer lagern.

Von: David Griffiths, Bernd Reder

Das Informationsangebot vieler Websites ist äußerst spartanisch: Textinformationen dominieren, teilweise garniert mit einfach gestrickten Grafiken. Dabei lassen sich mittlerweile auch Live-Videobilder oder Audiodaten in Echtzeit über das Internet übertragen. So genannte Content-Provider übernehmen es, solche Streaming-Media-Inhalte zu verteilen. Bislang war es üblich, Daten einfach auf einem Server anzulegen und so dem Nutzer zugänglich zu machen. Content-Anbieter dagegen garantieren, dass die Informationen zuverlässig und mit einer bestimmten Übertragungsrate zum Bestimmungsort transportiert werden.

Internet-Serviceprovider, die ihren Kunden "nur" einen Internet-Zugang bieten, kommen daher für den Transport von Streams nicht in Betracht. Auch klassische Caching-Verfahren, die statische Inhalte in der Nähe des Nutzers ablegen, erfüllen die Anforderungen von Streaming-Media nicht. Denn beim Streaming laufen die Web-Inhalte, ähnlich wie beim Fernsehen oder Radio, direkt zum Media-Player auf dem Rechner des Anwenders. Das funktioniert nur, wenn zwischen dem Content-Server und dem Media-Player quasi eine virtuelle Standleitung vorhanden ist. Beim Übertragen von normalen Web-Seiten werden die statischen Inhalte dagegen zunächst komplett zum Browser des Users übermittelt. Das gilt auch für animierte Web-Objekte wie Werbebanner.

Ein weiterer Unterschied betrifft die Bandbreite. Um eine Internet-Seite mit statischen Inhalten herunterzuladen, genügt eine Leitung mit etwa 7 kBit/s. Videoinhalte benötigen dagegen eine Bandbreite von 200 bis 800 kBit/s. Beim Start der Übertragung berechnet der Player anhand der Download-Geschwindigkeit die Transferrate des Datenstroms. Bevor die Abspiel-Software den Content auf dem Rechner des Nutzers ausgibt, lagert sie einen Teil davon in einem Pufferspeicher. Selbst eine langsame Internet-Verbindung, über die der Stream mit kontinuierlicher Geschwindigkeit läuft, schmälert die Abspielqualität nur minimal.

Eckpunkte von Multimedia-Netzen

Anders sieht es aus, wenn die Datenrate während des Abspielens variiert. Das kann dazu führen, dass der Player die Daten im Pufferspeicher vorzeitig aufbraucht. Dann unterbricht er entweder den Abspielvorgang oder er überspringt einfach die fehlenden Abschnitte. Die Folge sind Qualitätseinbußen: Filmsequenzen wirken wie lose aneinander gereihte Einzelbilder, und Sprache wird nicht mehr synchron zu den Bildern übertragen. Ein Netz, über das Streaming-Media-Inhalte transportiert werden sollen, muss über folgende Eigenschaften beziehungsweise Komponenten verfügen:

- Ein Backbone-Netz mit hoher Kapazität: Pro Verbindung ist eine kontinuierliche Bandbreite zwischen 200 kBit/s und 800 kBit/s erforderlich.

- Leistungsfähige Router und Switches: Überlastete Systeme dürfen nicht die Bandbreite reduzieren.

- Hochleistungsserver: Die Streaming-Server müssen so ausgelegt sein, dass sie auch dann nicht "in die Knie" gehen, wenn viele Nutzer gleichzeitig darauf zugreifen.

- Schnelle Verbindungen auf der "Letzten Meile": Nur wenige Nutzer greifen bereits über Kabelmodems oder DSL-Verbindungen auf das Internet zu.

Das heißt, die gesamte Strecke zwischen Content-Server und dem Media-Player muss den hohen Anforderungen von Streaming-Media genügen. Schnelle Server alleine reichen nicht aus, wenn schlagartig viele Nutzer auf bestimmte Inhalte zugreifen, etwa bei einem Live-Konzert. Auch Terabit-Backbones helfen nicht weiter, wenn sie nicht die Daten in konstanten Zeitabständen übermitteln.

Für Schwankungen bei den Verzögerungszeiten sind in erster Linie Router verantwortlich. Im Schnitt wird eine Verbindung über 19 Router (Hops) geführt. Eine Strecke zwischen dem PC eines Nutzers in Boston und einem Server in Tokio ergibt beispielsweise das in der Tabelle dargestellte Durchsatzbild.

Laufzeitschwankungen als Qualitätskiller

Bei Streams, die über mehrere Router und Switches laufen, treten zwangsläufig Schwankungen bei den Download-Geschwindigkeiten auf. So ergaben sich bei der Verbindung Boston - Tokio beim zwölften Hop folgende Zeiten: beim ersten Versuch 281 Millisekunden, beim zweiten 199 und beim dritten 182 Millisekunden. Für Streams sind solche Schwankungen "Gift". Denn, wie erwähnt, führen sie dazu, dass der Zwischenspeicher des Player vorzeitig geleert wird.

Content-Distribution-Techniken sollen die Zahl der Router-Übergänge reduzieren und eine Übermittlung in Echtzeit sicherstellen. "Echtzeit" bezieht sich dabei nicht auf die Live-Übermittlung eines Ereignisses, sondern auf die Zeitspanne zwischen dem Abschicken einer Anfrage und dem Empfang der Antwort. Es gibt zwei Ansätze, um die Übertragung von Multimedia-Daten über IP-Netze zu verbessern:

- die Integration von CachingSystemen ins Netz sowie

- spezielle Dienste von Content-Distribution-Providern.

Ein Content-Distribution-Provider nutzt ein privates Netz, um Kopien von Inhalten zu Knoten am Rande des Internet zu senden und dort zu speichern. Dazu stellt er in den Datenzentren seiner Kunden, also bei Internet-Serviceprovidern (ISPs), eigene Server auf. Das CD-Netz ist somit ein dem normalen Internet übergelagertes Netz, ein Overlay Network. Einige CD-Provider, wie etwa Akamai, replizieren nicht alle Inhalte, sondern speichern vor Ort nur die Web-Objekte, die beim Download viel Bandbreite benötigen. Greift ein Benutzer auf eine "akamized" Website zu, holt er nur die reinen HTML-Daten vom Content-Server. Die datenintensiven Teile der Web-Seite werden aus dem Akamai-Netz zugeführt.

Solche Zusatzdienste lassen sich die CD-Provider natürlich bezahlen. Die Kosten errechnen sich aus der über einen bestimmten Zeitraum abgerufenen Bandbreite. Dies führt bei einigen ISPs zu Kosten von etwa 2000 Dollar pro übermitteltem MByte im Monat.

Eine Alternative für Internet-Diensteanbieter besteht darin, die Netze mit Hilfe von Caching-Systemen für den Transport von Streams tauglich zu machen. Der Content wird dann zu einem lokalen Media-Server in der Nähe der Nutzer transferiert und von dort ausgeliefert. So lässt sich der Internet-Backbone umgehen. Allerdings müssen die Video- oder Audio-Streams zunächst einmal auf besagte Media-Server gelangen. Das lässt sich mit Hilfe von zwei Verfahren bewerkstelligen: adaptivem Caching und "Pre-Fetching". Beim adaptiven Caching werden nur diejenigen Streams im Zwischenspeicher abgelegt, die der Nutzer über das Internet abruft. Bei der ersten Abfrage ist es noch erforderlich, die Inhalte komplett über das Internet in den Cache beim Serviceprovider zu laden. Jeden weiteren Abruf "bedient" anschließend der lokale Media-Server.

Das Pre-Fetching von Streams erfolgt mit Hilfe einer speziellen Software. Sie gibt dem Netzverwalter die Möglichkeit, Streaming-Inhalte entsprechend dem Interesse der Nutzer auf dem Server abzulegen. Auch in diesem Fall werden Anfragen nach Streams ausschließlich lokal beantwortet. Das Programm fragt automatisch bei den jeweiligen Content-Servern an, ob sich die Inhalte geändert haben. Ist das der Fall, lädt der Agent die aktuelle Version auf den lokalen Streaming-Server herunter.

Diese Pre-Fetch-Agenten übernehmen auch Routineaufgaben, etwa Streams zu bestimmten Themen suchen, abrufen und auf dem lokalen Server ablegen. Serviceprovider können so Mehrwertdienste anbieten. Dazu zählen Pay-per-View oder Video on Demand (VoD).

Zur Person

David Griffiths

leitet bei Infolibria den Bereich New Business Development International.