Auf den "frischen Blick" kommt es an

22.06.2001
Die New Economy steckt nicht nur in den USA in der Krise. Auch hier zu Lande häufen sich die Meldungen von Entlassungen und sinkenden Umsätzen. Wie können Firmen kritischen Entwicklungen begegnen, welche Strategien tragen zu einer positiven Geschäftsentwicklung bei? NetworkWorld sprach über diese Fragen mit Marek Wojcicki, Chief Executive Officer (CEO) der Startup-Unternehmensberatung Heaven 21 und Ex-Partner bei Arthur Andersen.

Von: Wolfgang Kiersch

NetworkWorld: In welcher Situation muss ein Unternehmen unbedingt aktiv werden, wann muss es etwas verändern?

Marek Wojcicki: Veränderungen müssen strategisch notwendig sein und es muss einen Leidensdruck geben. Beides ist dann der Fall, wenn sich die Firma entweder im "Growth-Modus" befindet oder im "Trouble-Modus". Dann ist es erforderlich, neue Lösungen zu implementieren.

NetworkWorld: Was verstehen Sie unter Growth- und Trouble-Modus?

Wojcicki: Growth-Modus heißt, die Firma ist auf einem Wachstumskurs und benötigt mehr Kapazitäten. Die Komplexität steigt, neue Mittel sind erforderlich. Mit Growth-Modus-Kunden arbeiten wir am liebsten. Sie wollen etwas Neues ausprobieren, sind experimentierfreudig.

Unternehmen im Trouble-Modus sind in Schwierigkeiten. Der Wettbewerbsdruck nimmt zu, die Umsätze sinken oder der Absatz der Produkte geht zurück. Diese Kunden sind nicht besonders innovationsfreudig, sie handeln meist nach dem Grundsatz: "Mehr vom Gleichen". Sie wollen auf bewährte Verfahren setzen, nach dem Motto: "Wir wissen, was wir machen sollen, wir müssen es nur richtig machen." Sie erkennen oft nicht, das sie neue Methoden einsetzen sollten.

NetworkWorld: Sehen Sie denn Veränderungsbedarf nur bei Firmen, die stark wachsen oder die in Schwierigkeiten stecken?

Wojcicki: Nein. Jedes mittlere oder große Unternehmen hat sowohl Wachstums- als auch Problembereiche. Zunächst einmal muss man erkennen, in welcher Situation sich die Firma beziehungsweise der Geschäftsbereich gerade befindet. Bei größeren Unternehmen ist die Entwicklung eher schleichend. Es gibt zwar auch dort aktuelle Anlässe, auf die man reagieren muss, aber in der Regel wird sowohl der Growth- als auch der Trouble-Modus nicht von heute auf morgen erkannt. Bereits ab einer Betriebsgröße von 50 bis maximal 100 Mitarbeitern ist die Komplexität der Unternehmensprozesse so groß, dass man Managementmethoden einsetzen muss, um den Status der Firma zu analysieren.

NetworkWorld: Wie ermittelt man, in welcher Phase sich ein Unternehmen gerade befindet?

Wojcicki: Am Anfang jeder Planung steht eine Analyse des jeweiligen Betriebes. Man macht einen so genannten internen und externen Abgleich. Dabei wird die Marktentwicklung untersucht und mit der Entwicklung der eigenen Firma verglichen. Die eigene Entwicklung kennt man normalerweise besser als den Markt, wenn alle entsprechenden Zahlen vorliegen.

Dann kann man relativ zügig herausfinden, an welchen "Stellschrauben" man drehen muss. Sind es die Kosten oder benötigt man mehr Aufträge, liegt es an der Zahl der Mitarbeiter, der Mitarbeiterqualifikation oder an der eingesetzten Technologie?

Die Ergebnisse gleicht man dann gegen die eigene Branche oder gegen andere Branchen ab, mit denen man sich im Wettbewerb befindet. Da kommt man recht zügig zu dem Punkt, wo die Notwendigkeit zu Veränderungen, zu Innovationen besteht.

NetworkWorld: Wie oft sollte ein Betrieb eine solche Analyse durchführen?

Wojcicki: Das ist etwas, was jedes Unternehmen mindestens zweimal im Jahr machen müsste. Es gilt das Portfolio der eigenen Projekte nochmals zu verifizieren und zu fragen: Gibt es neue Lösungen, gibt es neue Ansätze, gibt es Veränderungen im Markt?

NetworkWorld: Was sind die wichtigsten Ziele einer Innovation?

Wojcicki: Es soll eine finanzielle Unternehmenswertsteigerung erreicht werden. Dazu tragen verschiede Bereiche bei, wie Image, Brand, Mitarbeiterakzeptanz, Produkte und natürlich auch die Umsätze.

NetworkWorld: Wenn man nun einen Veränderungsbedarf ermittelt hat und in die Innovationsplanung einsteigt, wie geht man vor?

Wojcicki: Im ersten Schritt muss man auf der Vorstandsebene Sponsoren gewinnen, die von dem Projekt überzeugt sind. Diese muss man nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten überzeugen, sondern auch persönlich. In der Praxis spielt letzteres eine große Rolle, obwohl es nicht thematisiert wird. Es kommt letztlich darauf an, ob das Management überzeugt ist, dass die Veränderung etwas bringen kann, und bereit ist, das Risiko einzugehen.

NetworkWorld: Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter einem Sponsor?

Wojcicki: Sponsor innerhalb eines Unternehmens ist der ökonomische Entscheidungsträger. Er hat die Möglichkeit, sich durchzusetzen und kann auch dann "Ja" sagen, wenn alle anderen "Nein" gesagt haben. Das kann zum Beispiel der CIO sein oder der Leiter des Geschäftsbereichs. Wenn ich den gewonnen habe, dann kann ich darüber nachdenken, welche Ressourcen ich zusammenziehe: Mitarbeiter, Geld, Zeit, externe Ressourcen.

NetworkWorld: Wer muss im Unternehmen in ein Projekt mit einbezogen werden?

Wojcicki: Jeder Innovationsprozess im Unternehmen muss auf drei Ebenen akzeptiert werden. Zum einen von den ökonomischen Entscheidungsträgern, das sind beispielsweise die Geschäftsführer und Vorstände. Diese interessiert die Lösung nicht im Detail, sondern nur der ökonomische und persönliche Erfolg.

Zum zweiten müssen die Experten, welche die Lösung implementieren, von deren Umsetzbarkeit überzeugt sein. Schließlich müssen auch die Angestellten des Unternehmens die Veränderung akzeptieren.

NetworkWorld: Wie lange darf ein Projekt dauern, damit es erfolgreich ist?

Wojcicki: Wir haben festgestellt, dass bei jedem Projekt, das in verschiedenen Teilprojekten länger als ein Jahr dauert, der Erfolg ausbleibt. Da ist es völlig unerheblich, ob das vorgesehene Budget eingehalten wird oder nicht. Der Grund liegt in der sinkenden Akzeptanz innerhalb des Unternehmens. Was nicht intern angenommen wird, wird nicht genutzt.

NetworkWorld: An wen können sich Firmen mit ihren Fragen wenden?

Wojcicki: Natürlich an Unternehmensberatungen. Aber auf was es wirklich ankommt, ist ein "frischer Blick". Es kann sinnvoll sein, einen neuen Manager von einer anderen Firma zu gewinnen. Auch Wettbewerbsbeobachtung ist wichtig, um von der Konkurrenz zu lernen.