Auf dem Weg zum Profi

17.08.2001
Freiberufler sind unverzichtbare Wirtschaftspartner in der IT-Branche. Wer jedoch als Freelancer langfristig bestehen will, sollte sich nach kompetenten Partnern umsehen.

Von: Petra Riedel

Um ihre berufliche Lage brauchen sich IT-Freiberufler in naher Zukunft keine Gedanken zu machen. Der Mangel an Fachkräften wird weiterhin für volle Auftragsbücher sorgen, auch wenn die Wachstumskurve in der Branche etwas abgeflacht ist. Das wurde auf dem 5. IT-Freiberufler-Kongress deutlich, einer eintägigen Veranstaltung der Fachzeitschrift "Freiberufler Info", die Ende Juni in München stattfand.

"Die Hochstimmung ist vielleicht vorbei, aber der Markt ist nicht zusammengebrochen, es gibt immer noch Chancen", urteilte Bernd Mogalle von der Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young. Für Ulrich Bode, Informatiker und Sprecher im Beirat für Selbstständige bei der Gesellschaft für Informatik (GI), ist die Auftragslage im Augenblick unverändert gut. Einige Großunternehmen bereiten derzeit Sparaktionen vor, das werde die Freiberufler gegebenenfalls treffen: "Mal schauen, ob es ein dauerhaftes Problem wird."

Auch Unternehmensberater Mogalle ist etwas skeptisch. "Freiberufler können nicht mehr zu 100 Prozent mit Folgeprojekten rechnen", so sein Eindruck. Zwar gebe es Teilbereiche, die verstärkt nachgefragt würden, bei anderen sei die Wachstumskurve aber nicht mehr so steil. Gegen den Trend der generellen Abkühlung sei eine Zunahme an Reengineering-Aufträgen zu beobachten. Insbesondere bei Projektspitzen und in der Beratungsarbeit sieht Mogalle großen Bedarf an Freiberuflern. Zu den auftragsstärksten Gebieten zählt er die Bereiche Enterprise Resource Planning (ERP), Supply Chain Management (SCM), Customer Relationship Management (CRM) sowie Informations- und Wissensmanagement. Im Sektor Telekommunikation sei dagegen eine Stagnation eingetreten. Eine Entwicklung, die Mogalle auch den hohen Kosten für die UMTS-Lizenzen und -Netze (Universal Mobile Telecommunications System) zuschreibt, denn dieses Geld fehle den TK-Unternehmen jetzt für weitere Projekte. Im Internetgeschäft sei ebenfalls eine Abschwächung spürbar: "Alles was mit #E# anfängt, konsolidiert sich gerade".

Die Auftragslage war aber nicht der einzige Gesprächsstoff unter den 350 Besuchern. Viele Veranstaltungen auf dem Kongress behandelten die Frage, wie Freiberufler als Wirtschaftspartner von Beratungshäusern und Betrieben ihre Stellung im Markt festigen können. Ulrich Bode plädierte in seinem Vortrag für mehr Selbstbewusstsein. Selbstständige Informatiker sollten sich seiner Ansicht nach an anderen freien Berufsständen wie Ärzten oder Anwälten orientieren.

Bis zur "Informatik-Kanzlei" ist jedoch für viele Kollegen noch ein weiter Weg. Zunächst einmal geht es darum, als Selbstständiger nicht zu vereinsamen; Kontaktpflege und ein gutes Informationsnetz sind daher wichtige Voraussetzungen.

Freiberufler werden Unternehmer

Die eigene Freiberuflichkeit in Richtung Unternehmen zu erweitern, ist der nächste Schritt. Und auch da gilt es meist, klein anzufangen. "Stellen Sie einen Azubi ein, das ist ein praktischer Einstieg", so Bodes Empfehlung. Ein eigener Auszubildender ist jedoch laut Vorschrift der Industrie- und Handelskammer (IHK) nur in Betrieben mit mehr als zwei Mitarbeitern gestattet. Bevor ein Ausbildungsvertrag geschlossen werden kann, ist deshalb in jedem Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung einzuholen und viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Die ersten Schritte zum kleinen Unternehmen sind getan, jetzt fehlt noch ein Netzwerk, das zusätzliches Know-how bietet. Hier sind Kontakte zu Kollegen gefragt, mit denen gemeinsam an einem Projekt gearbeitet werden kann. Als Beispiel nannte Bode den SAP-Bereich, dessen Projekte nicht von einer Person allein abgedeckt werden können. Er riet außerdem dazu, sich mit Partnern zu umgeben, die das Arbeitsumfeld ergänzen, also Steuerberater, Rechtsanwalt und Akquisiteure. Am Ende des Weges hin zur Professionalisierung steht die Bürogemeinschaft oder das Modell der Partnerschaftsgesellschaften.

Monika Hoffmann hat das getan, was Ulrich Bode propagiert und wovon viele Freelancer träumen: Sie hat sich mit anderen zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen. Auf dem IT-Freiberufler-Kongress berichtete sie von ihren durchweg positiven Erfahrungen. Die Idee zu "Beraternet e.V." entstand 1999 im Gespräch mit Kollegen. Eine Firma zu gründen kam damals nicht infrage; die damit verbundenen Verpflichtungen, Amtsgänge und Hierarchien widerstrebten ihren Vorstellungen von beruflicher Selbstständigkeit. Heute hat der Verein 20 Mitglieder aus so unterschiedlichen Bereichen wie Internetentwicklung, E-Business oder SAP. Die Gemeinschaft hat sich einer eigenen Philosophie verschrieben, deren Eckpfeiler Kompetenz, Flexibilität und Kostenbewusstsein sind. Durch die Vielfalt der abgedeckten Arbeitsgebiete lassen sich auch für komplexe Projekte passende Teams zusammenstellen. Die Gemeinschaft baut individuelle Kontakte zu Vereinskooperationen mit Unternehmensberatungen und Systemhäusern aus. Die Folge: Der Verein wird zu Veranstaltungen offiziell eingeladen, nimmt an Weiterbildungsmaßnahmen teil und steht als Know-how-Träger seinen Partnern zur Verfügung. Im Verbund werden Rahmenverträge ausgehandelt, die jedes Mitglied nutzen kann, und deren Klauseln Beraternet von Fachleuten überprüfen und gegebenenfalls neu formulieren lässt - Aktionen, die einer alleine selten unternimmt. Hoffmanns Fazit: "Man geht mit einer Gruppe anders um als mit einem Freiberufler, der im Endeffekt nur in eine Kartei aufgenommen wird. Machen Sie sich in einem Netzwerk stark!" (haf)

Zur Person

Petra Riedel

ist freie IT-Journalistin in München.