Auf dem Weg zu 100 Gigabit

17.11.2000
Mehr als 25 Jahre hat Ethernet mittlerweile auf dem Buckel. Heute steht eine skalierbare Lösung mit 10, 100 und 1000 MBit/s zur Verfügung. Die nächste Version mit 10 Gigabit pro Sekunde ist in Entwicklung, und selbst der Sprung auf 100 Gigabit scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.

Von: Gerhard Kafka

Die Geburtsstunde von Ethernet schlug mit der Veröffentlichung des so genannten Blaubuchs von Digital Equipment, Intel und Xerox im Jahre 1980. Die darin enthaltenen Spezifikationen konnte jeder interessierte Hersteller zum Freundschaftspreis von 1000 Dollar erwerben und dann entsprechende Produkte entwickeln. Das System war so erfolgreich, dass es 1985 von der Arbeitsgruppe 802.3 des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) mit einer Datenrate von 10 MBit/s standardisiert wurde. Als Übertragungsmedium dienten zwei Arten von Koaxialkabeln: Thick Ethernet (Yellow Cable) und Thin Ethernet. Die Standardisierung ging konsequent weiter: 1995 trat Fast-Ethernet mit 100 MBit/s auf den Plan, Mitte 1998 schließlich Gigabit-Ethernet (GE).

Auslöser dieser Entwicklung war vor allem der Siegeszug der Internet-Technologien: Die explodierenden Datenmengen erfordern höhere Kapazitäten, konvergente Anwendungen für Sprache, Daten und Video benötigen "Quality of Service", und die zunehmende Mobilität der Nutzer muss durch leistungsfähige drahtlose Lösungen unterstützt werden. Diese Forderungen erfüllt Switching auf den OSI-Ebenen zwei bis vier. Für Token Ring und FDDI existieren Migrationskonzepte zu Gigabit-Ethernet und wahlweise auch ATM. Das regelbasierte Netzwerk entwickelt sich zur Basis für alle unternehmenskritischen Anwendungen. Switching und Routing erfolgen heute in "Wire Speed", das heißt ohne merkliche Verzögerung in den Netzwerkknoten.

Physik als wichtige Basis für Ethernet

Das Fundament für ein Ethernet-LAN mit 100 oder 1000 MBit/s bildet die Verkabelung. Die ISO-Standards und DIN-Normen für die strukturierte Verkabelung sehen als Übertragungsmedien verdrillte Kupferleitungen und Glasfaser vor. Die Glasfaser in den beiden Varianten Multimode und Monomode stellt nahezu unbegrenzte Kapazitäten und Reichweiten bereit. Sie wird deshalb nicht nur für den Einsatz im Primär- und Sekundärbereich sowie für Metropolitan Area Networks und WANs empfohlen, sondern auch für den direkten Anschluss von Workstations. Störungen durch elektromagnetische Wellen, Erdungsprobleme und Potenzialtrennung lassen sich damit eliminieren.

Die verdrillte Kupferleitung (Twisted Pair, TP) wird in Kategorien beziehungsweise Klassen eingeteilt. Der Ausdruck "Kategorie" bezieht sich auf die einzelnen Komponenten wie Stecker, Buchse und Kabel, "Klasse" dagegen auf das gesamte System - vom Etagenverteiler bis zum Arbeitsplatz. Auf die Thematik ungeschirmte oder geschirmte Kabel (UTP oder STP) soll hier nicht weiter eingegangen werden, weil sie größtenteils als philosophisch zu betrachten ist. Allerdings reichen die Kabelspezifikationen der Kategorie 3 mit einer Grenzfrequenz von 1 MHz und der Kategorie 5 mit einer Grenzfrequenz von 100 MHz nicht mehr für eine zuverlässige Übertragung von GE-Signalen aus.

Die physikalische Grundlage von Gigabit-Ethernet sind bewährte Techniken des "alten" Ethernet und des Fibre Channel (ANSI X3T11). Die Fibre-Channel-Variante ist unter 802.3z, die Twisted-Pair-Verkabelung unter 802.3ab standardisiert. Insgesamt können vier Übertragungsmedien für Gigabit-Ethernet eingesetzt werden, die unterschiedliche Entfernungen überbrücken:

- Singlemode-Glasfaser bis 5000 Meter,

- Multimode-Glasfaser mit unterschiedlichen Kerndurchmessern und Transceivern zwischen 220 und 550 Meter,

- Twinax-Kabel bis 25 Meter,

- Twisted-Pair UTP/STP bis 100 Meter.

Heute gilt im LAN Ethernet mit 100 MBit/s bis zum Arbeitsplatz als Standard, während Gigabit-Ethernet im Backbone zum Zuge kommt. Nachdem der in der zweiten Jahreshälfte 1998 verabschiedete Standard für Gigabit-Ethernet heute als stabil angesehen werden kann, begann die IEEE-802-Arbeitsgruppe damit, eine Norm für 10-Gigabit-Ethernet zu erarbeiten. Der Zeitplan der Projektgruppe P802.3ae ist sehr ehrgeizig: Bis Mitte 2002 soll ein Standard vorliegen.

Gigabit-Ethernet behielt das Zugriffsverfahren CSMA/CD sowie das Rahmenformat mit minimaler und maximaler Länge bei. Um die Interoperabilität mit bestehenden 802.3-Netzen zu gewährleisten, wurde das Verfahren "Carrier Extension" eingeführt. An Rahmen mit weniger als 512 Octets werden "Extension Symbols" angefügt, und zwar so viele, bis die Größe von 512 Octets erreicht wird.

Weil das Verfahren ineffizient arbeitet und Bandbreite verschwendet, entstand mit "Packet Bursting" eine Alternative. Bei dieser Technik wird nur der erste Rahmen gemäß Carrier Extension aufgefüllt, alle weiteren mit dem kleinstmöglichen Abstand ("Inter Packet Gap", IPG) angefügt. Packet Bursting ist auf die Übertragung von maximal 8 KByte limitiert. Beide Verfahren sind jedoch nur für den Halbduplex-Betrieb relevant. Für den künftig wesentlich wichtigeren Vollduplex-Betrieb ist keines der beiden Verfahren erforderlich, weil dann keine Kollisionen mehr erkannt werden müssen.

Vollduplex-Gigabit-Ethernet ermöglicht die geografisch unbegrenzte Ausdehnung eines Netzwerkes und somit auch den Einsatz im MAN und WAN. Bei den vorgegebenen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen werden die Funktionen Carrier Sense, Collision Detect und Loop-Back unterdrückt. Die Einschränkungen von Spanning Tree, das zwar eine redundante Netzwerkgestaltung unterstützt, aber parallele Pfade unterbindet, hebt die "Link Aggregation" (802.3ad) auf. Damit lässt sich die Bandbreite durch mehrere parallele Wege erhöhen und mit Hilfe von Load Balancing verwalten.

Nächster Schritt: 10-Gigabit-Ethernet

Mitte September wurden zwei Meilensteine erreicht: Zum einen lag der erste Entwurf der 10-Gigabit-Ethernet-Spezifikation (10GE) vor, zum anderen eine Definition von vier Transceivern für Multimode- und Monomode-Glasfasern. Die IEEE 802.3 Higher Speed Study Group (HSSG) definierte folgende Mindestanforderungen für 10GE:

- Das bisherige Ethernet-Rahmenformat wird beibehalten, einschließlich der maximalen und minimalen Rahmenlänge.

- Nur Vollduplex-Betrieb ist zulässig.

- Als Topologie ist ein Stern mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen vorgegeben.

- Der Standard 802.3ad (Link Aggregation) für Anwendungen mit Lastausgleich (Load Balancing) muss unterstützt werden.

- Zwei physikalische Schichten (PHY) sind vorgesehen: eine LAN-PHY mit einer Datenrate von exakt 10 GBit/s sowie eine WAN-PHY mit 9,95328 GBit/s, die zu SONET/SDH OC-192c/STM-64 mit der VC-4-64c-Struktur kompatibel ist.

- Ein spezieller "Übersetzungsmechanismus" passt die unterschiedlichen LAN- und WAN-Datenraten an.

- Glasfasern sollen folgende Entfernungen überbrücken: mindestens 65 Meter mit installierten Multimode-Fasern, 300 Meter mit neuen Multimode-Fasern sowie 2, 10 oder 40 Kilometer mit neuen Monomode-Fasern.

Die HSSG sieht durch das rapide Wachstum des Internet-Verkehrs eine signifikante Marktchance. Eine 10-Gigabit-Ethernet-Variante erweitert die Einsatzmöglichkeiten von Ethernet, vor allem auf den Feldern Multimedia, verteilte Rechnerarchitekturen, Video, Medizin, CAD/CAM und in der Druckvorstufe. Neben dem Einsatz in LANs soll die Highspeed-Version auch in MANs, WANs, RANs (Regional Area Networks) und SANs (Storage Area Networks) Verwendung finden. Die Technik wird in etwa dreimal so viel kosten wie 1000Base-X.

Dass Gigabit-Ethernet auch in Weitverkehrsnetzen eingesetzt werden kann, hat der schwedische Carrier Utfors bewiesen. Er baut auf eine Netzwerkarchitektur, die heute als weltweit größtes IP-Netz auf Basis von Ethernet gilt - sowohl in Bezug auf die geografische Ausdehnung als auch die Kapazität. Das Backbone-Konzept beruht auf einer Infrastruktur mit Glasfaserkabeln in Verbindung mit der DWDM-Technik (Dense Wavelength Division Multiplexing) von Sycamore Networks. Speziell für Utfors wurden Einschubkarten als Gigabit-Ethernet-Service-Module für den "SN 8000 Intelligent Optical Network Node" entwickelt, sodass Ethernet direkt auf DWDM aufgesetzt werden kann. Das vereinfacht den Anschluss von Routern der Firma Nortel Networks, weil keine aufwändigen Schnittstellen für WAN-Techniken wie SDH, ATM oder Frame Relay erforderlich sind. Es kommen Terabit-Router im Kernnetz und Edge-Router für den Netzwerkzugang zum Einsatz. Das IP-Backbone wird mithilfe von Multiprotocol Label Switching (MPLS) mit der Ethernet-Ebene gekoppelt.

Vorstoß von Ethernet in Weitverkehrsnetze

Der ebenfalls in Schweden beheimatete, vor 14 Monaten gegründete Serviceprovider Bredbandsbolaget bringt dagegen Glasfaseranschlüsse (FTTB = Fiber to the Building) in jedes Haus. Darüber steht dem Kunden eine 10-MBit/s-Ethernet-Schnittstelle zur Verfügung. Sie stellt eine preiswerte permanente Verbindung mit dem Internet ("Always on") bereit, zudem symmetrische Datenraten in beiden Richtungen. "Preiswert" bedeutet, dass der Kunde einen monatlichen Festpreis (Flat Rate) bezahlt. Er beträgt für lokale Telefonate umgerechnet 34 Mark und für den Internet-Zugang etwa 57 Mark. Über diesen Breitbandzugang konnten die Kunden beispielsweise während der olympischen Spiele in Sidney die Wettkämpfe live aus sechs unterschiedlichen, frei wählbaren Kamerapositionen verfolgen. Die Glasfaser erlaubt zudem, die Bandbreite auf 100 oder sogar 1000 MBit/s zu erhöhen. (re)

Zur Person

Gerhard Kafka

arbeitet als freier Journalist und Berater für Telekommunikation in Egling bei München.