Auf dem Sprung ins Data Center

11.04.2003
Seit Mitte vergangenen Jahres "steht" der 10-Gigabit-Ethernet-Standard. Nun muss die neue Technik in der Praxis zeigen, was sie kann. Das interessanteste Einsatzgebiet ist derzeit das Rechenzentrum.

Von: Bernd Reder

Nachdem im vergangenen Juni der Standard verabschiedet wurde, kommen nun immer mehr Produkte für 10-Gigabit-Ethernet (10GE) auf den Markt: Switches oder Fabric-Module, aber auch die ersten Netzwerkadapter. Die Preise sind allerdings noch recht hoch. Sie bewegen sich zwischen 17 000 bis 80 000 Dollar pro Port. Allerdings wirken auch bei 10GE bereits die Kräfte des Marktes, sprich die Anbieter haben damit begonnen, die Preise für ihre Komponenten zu reduzieren.

Doch nicht alleine die Kosten entscheiden darüber, ob 10-Gi-gabit-Ethernet ein Erfolg wird, sondern der Nutzen, den die Technik dem Anwender bringt. Derzeit zeichnet sich ab, dass 10GE nicht, wie vielfach vermutet, zuerst in Citynetzen, sondern in Serverräumen und Rechenzentren zum Zuge kommen wird. Der Grund ist, dass Unternehmen immer mehr Hochleistungsserver einsetzen, deren Prozessoren mit Taktfrequenzen von 3 GHz und mehr arbeiten und die mit 1-Gigabit-Ethernet-Adaptern bestückt sind. Sie lassen sich mittels 10GE zu Clustern zusammenfassen.

Intel, das im März mit dem "Pro/10GbE LR" als erster Anbieter einen 10GE-Serveradapter vorgestellt hat, erwartet zudem, dass die Anwender dazu übergehen, im Data Center statt vieler Rechner nur noch wenige Hochleistungsmaschinen einzusetzen, die über eine 10-GBit/s-Anbindung verfügen. Ein Vorteil dieses Ansatzes ist nach Angaben der Beratungsgesellschaft IDC, dass sich eine solche konsolidierte Serverinfrastruktur einfacher verwalten lässt und somit Kosten spart. IDC schätzt, dass die Managementkosten nur ein Siebtel so hoch sind wie in einem Data Center mit vielen Rechnern.

Speziell im Zusammenspiel mit Servern kommen noch weitere Eigenschaften von 10-GE-Netzen zum Tragen. Eine ist die "TCP/IP-Offload-Engine"-Technik (TOE). Sie entlastet die Prozessoren und I/O-Subsysteme von Servern, Switches und Speichersystemen, indem sie einen Teil des Protokoll-Handlings auf die Netzwerkadapter verlagert. Ergänzt wird TOE durch Remote Direct Memory Access (RDMA). Mithilfe dieses Verfahrens kann ein Rechner über den Netzwerkadapter Daten direkt in den Arbeitsspeicher eines anderen Systems übermitteln, ohne dass diese zuvor in das Kernel Memory des Servers übertragen werden.

Die Grundlage dieses Direkttransfers bildet ein Übertragungsprotokoll, das in der Hardware der Adapterkarte implementiert wird. Netze, die auf dem Infiniband-Standard und der "Virtual Interface Architecture" aufsetzen, unterstützen RDMA bereits. Eine Version für TCP/IP und Schnittstellenkarten, die mit Prozessoren für die Protokoll-Verarbeitung bestückt sind, ist derzeit in Entwicklung.

Ebenfalls in Richtung Server zielt ein weiteres Einsatzfeld von 10-Gigabit-Ethernet, so genannte "Fabric Interconnects". Dies sind Netze von extrem kleiner Reichweite, etwa 20 Metern, die Server oder Speichersysteme miteinander verbinden. Neben einer hohen Bandbreite sind hier niedrige Reaktionszeiten (Latency) gefordert. Derzeit kommen nach Angaben von Intel bei solchen "Server Area Networks" häufig proprietäre Clustering-Techniken zum Einsatz, beispielsweise Myranet, Wulfkit, Quadrics oder auch Infiniband.

Abgesehen davon, dass diese Verfahren - mit Ausnahme von Infiniband - nicht standardisiert sind, haben sie den Nachteil, dass entsprechende Serveradapter und Switches wegen der geringen Stückzahlen relativ teuer sind. Ein weiterer Kostenfaktor ist, dass sich die IT-Spezialisten eines Unternehmens mithilfe spezieller Schulungen mit diesen Techniken vertraut machen müssen.

LANs über 40 Kilometer ausdehnen

Cisco Systems sieht im lokalen Netzwerk noch zwei weitere Einsatzgebiete für 10-Gigabit-Ethernet:

- das Zusammenfassen, also die "Aggregation", von mehreren 1000Base-X- oder 1000Base-T-Segmenten zu 10-Gigabit-Downlinks sowie

- Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen Switches. Die Geräte können dabei im Data Center stehen oder im Unternehmens-Backbone beziehungsweise in Gebäuden auf einem Campus platziert sein.

Dazu folgendes Beispiel: Ein Unternehmen unterhält zwei Standorte mit jeweils einem Campus-Netz. Um beide zu koppeln, werden die Core-Switches in Campus A und B über Singlemode-Glasfaserkabel mit 1550 nm miteinander verbunden. Im Gegensatz zu Gigabit-Ethernet, das Entfernungen von maximal fünf Kilometern überbrücken kann, darf bei 10-Gigabit-Ethernet eine Distanz von bis zu 40 Kilometern zwischen beiden Standorten liegen. Sobald leistungsstärkere Laser zur Verfügung stehen, soll die Reichweite auf 80 oder 100 Kilometer ausgeweitet werden.

10-Gigabit-Ethernet ist somit eine Technik, die auch in Metropolitan Area Networks (MAN) eine wichtige Rolle spielen könnte und für Serviceprovider oder Citycarrier interessant ist. Sie mussten bislang kostspielige DWDM-Systeme (Dense Wavelength Division Multiplexing) einsetzen, um mehrere 1-GBit/s-Verbindungen über ihre Dark-Fiber-Strecken aufzusetzen. Mit 10-Gigabit-Ethernet lässt sich das kostengünstiger bewerkstelligen. Zu den Diensten, die Provider über eine solche Infrastruktur anbieten können, zählen beispielsweise Sprache und Video über IP oder Ethernet-"Pipelines", die sie in Büro- und Geschäftsgebäude legen.

Doch auch im Kurzstrecken-Bereich soll 10-Gigabit-Ethernet ergänzt werden. In Arbeit sind gegenwärtig zwei Normen für 10GE über Kupferkabel. 10GBase-CX4 verwendet vier Twinax-Kabel und die IB4X-Steckverbinder, die auch bei Infiniband Verwendung finden. Die Arbeiten an dem Standard sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. 10GBase-T dagegen ist für Twisted-Pair-Kabel ausgelegt und sieht eine Reichweite zwischen 25 und 100 Meter vor. Die Arbeitsgruppe des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), die an der Spezifikation arbeitet, geht davon aus, dass erst 2004 oder 2005 10GBase-T-Produkte auf dem Markt erscheinen werden.