Audio-Kopierschutz: Strafanzeige gegen BMG

01.11.2001 von NICO ERNST 
Erstmals hat jetzt ein Privatmann wegen des umstrittenen Kopierschutzes für Musik-CDs eine Plattenfirma angezeigt. So die Münchner Staatsanwaltschaft sich der Sache annimmt, könnte damit ein Präzedenzfall geschaffen werden.

Seit Mitte des Jahres 2001 stattet die deutsche Musikindustrie ihre CDs zunehmend mit diversen Kopierschutz-Verfahren aus (wir berichteten). Nun hat erstmals ein Privatmann den umstrittenen Schutz auf die Ebene des Strafrechts erhoben.

In einem Schreiben an die Münchner Staatsanwaltschaft vom 28. Oktober 2001 wirft der Mann der Plattenfirma BMG Entertainment Betrug, Computerbetrug und einen Verstoß gegen das Urheberrecht vor.

Der letzte Punkt klingt kurios, der um Anonymität bemühte Ostwestfale gab jedoch gegenüber tecChannel.de telefonisch an, warum er sich in seinen Rechten auf legale Kopien beeinträchtigt sieht. Er erstelle regelmäßig aus gekauften CDs Best-Of-Alben für sein Autoradio - das sei nun nicht mehr möglich. Er beruft sich dabei auf die gängige Rechtssprechung, die private Kopien ausdrücklich erlaubt.

Die beiden Betrugspunkte sieht der Mann dadurch erfüllt, dass er vor dem Kauf der CD nicht wusste, dass sie den gängigen Standards widerspricht. Seine Argumentation deckt sich in dem Schreiben mit dem, was Rechtsanwalt Christian Czirnich auch schon in diesem vor anderthalb Jahren bei tecChannel.de erschienen Beitrag festgestellt hat: "Wird eine CD daher mit dem entsprechenden Label gekennzeichnet und entspricht nicht diesem Standard und führt dies dazu, dass die CD beim Käufer in einem Gerät, das den Standard unterstützt, nicht abspielbar ist, - dann liegt ein rechtlich erheblicher Mangel vor."

Erschwerend kommt noch hinzu, dass BMG die so manipulierten CDs weiterhin nur sehr dürftig kennzeichnet.

Kennzeichnung wird schlimmer statt besser

Wie bereits berichtet, hat BMG im Sommer 2001 die ersten mit CDS200 geschützten CDs durch ein winziges Logo mit der kaum lesbaren Aufschrift "Kopiergeschützte CD" in den Handel gebracht.

Die im Strafantrag genannte CD "Just the Best 4/2001" verfügt jedoch nach unseren Recherchen nicht einmal mehr über diesen Vermerk. Bei Stichproben in Münchner Fachgeschäften ist derzeit nur eine Pressung dieser CD erhältlich, die das nichtssagende Logo "Copy kills Music" auf der Rückseite der Verpackung trägt. In einer Karstadt-Filiale sind auf diesem Album zudem die Preis-Etiketten so unglücklich platziert, dass das Logo nicht einmal mehr sichtbar ist.

Der Antragsteller sieht darin eine Absicht der Plattenfirmen: "Würde eine deutlich gekennzeichnete geschützte CD neben einer nicht geschützten im Regal stehen - raten Sie mal, welche die Kunden kaufen würden" gab er im Gespräch mit tecChannel.de an.

Dass der Mann im Übrigen nicht die Form der Zivilklage gewählt hat, begründet er mit dem geringen Streitwert einer einzelnen CD. Vielmehr stellt er in seiner Strafanzeige den vermeintlichen Betrug in den Vordergrund: "Weiterhin scheint hier ein besonders schwerer Fall des Betruges vorzuliegen, da dieser gewerbsmäßig und in tausendfacher Anzahl begangen wird."

Computerbetrug wegen falscher Daten?

Der Vorwurf des Computerbetrugs ist in der aktuellen Anzeige erstmals mit kopiergeschützten Audio-CDs in Verbindung gebracht worden. Der kritische CD-Käufer führt dafür an, dass seine Versuche, die CD am PC zu hören, erfolglos blieben.

Dies könne nur an einem manipulierten Inhaltsverzeichnis (TOC) und anderen veränderten Daten gelegen haben, schlussfolgert die Anzeige. Diese Beobachtungen decken sich mit unserer Analyse der aktuellen Schutzverfahren. Einen ausfühlichen Bericht finden Sie zudem in unserem aktuellen tecCHANNEL-Magazin, das seit kurzem im Handel ist.

Der Ostwestfale, der sich selbst als juristischen Laien bezeichnet, formuliert in seinem Schreiben jedoch recht deutlich, dass er die Lesefehler in seinem CD-ROM-Laufwerk als Computerbetrug empfindet: "Gemäß § 263a StGB wird hier also durch den Hersteller der CD unbefugt durch vorsätzliche unrichtige Gestaltung sowie die Verwendung unrichtiger Daten der rechtmäßige Ablauf des Zugriffs auf den Datenträger mit einem CD-ROM-Laufwerk in einem Computer beeinflusst."

Der zitierte Paragraph spricht hier von dem "Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs", das nicht durch "unrichtige Daten" beeinflusst werden dürfe. Ob es sich beim digitalen Auslesen einer CD oder dem bloßen Anhören am PC um einen solchen handelt, werden nun wohl die Gerichte klären müssen - immer vorausgesetzt, die Münchner Staatsanwaltschaft nimmt die Klage an. Bisher steht eine Stellungnahme der Behörde zu diesem Fall noch aus.

Schlechte Chancen für ein Verfahren

Ob es überhaupt zu einem Verfahren kommt, ist noch unklar. Der Münchner Rechtsanwalt Christian Czirnich schätzt die Chance dafür eher schlecht ein:

"Es ist fraglich, ob die Münchner Staatsanwaltschaft im Verkauf von kopiergeschützten CDs einen Betrug zu Lasten der Verbraucher sehen wird und ein Strafverfahren eröffnet. Zumal der Verweis auf § 53 Abs.1 UrhG so nicht stimmt, nachdem der Verbraucher zwar das Recht hat sich Kopien von CDs für den eigenen Gebrauch anzufertigen, dem jedoch nicht die Pflicht der CD-Hersteller gegenübersteht, dem Verbraucher dies auch zu ermöglichen.

Weiter ist der Kopierschutz schon in diversen Zeitschriften und der Tagespresse angekündigt und besprochen worden, sodass auch insoweit bereits eine Information der Verbraucher erfolgt ist.

Auch der Vorwurf des Computerbetrugs ist wohl eher nicht gegeben, nachdem die CD nur mit Kopierschutz im Markt ist. Es gibt daher keine Fälschung von Daten, nachdem die CD genau die Daten enthält, die sie nach dem Willen des Herstellers haben soll.

Nicht beeinträchtigt werden hiervon die zivilrechtlichen Ansprüche des Käufers einer kopiergeschützten CD. Sofern er

hat er das Recht, die CD gegen Erstattung des Kaufpreises beim Händler zurückzugeben."

Die Münchner Staatsanwaltschaft konnte am Freitag den Eingang der Anzeige wegen des am Donnerstag in Bayern absolvierten Feiertages weder bestätigen noch dementieren. Bei BMG ist nach Aussage einer Sprecherin des Unternehmens bisher keine Kopie des Schreibens eingegangen. Demzufolge will sich die Firma zu dem Vorgang auch nicht äußern. tecChannel.de berichtet weiter. (nie)