Athlons made in Germany

04.05.2001 von NICO ERNST 
In Dresden will AMD mit seiner 'Fab30' die modernste Chip-Fabrik der Welt gebaut haben. tecChannel.de hat das Werk besucht und zeigt, wie AMD in Sachsen Athlons und demnächst auch Palominos herstellt.

Was der Athlon auf Seiten der Produkte ist stellt für AMD in punkto Halbleiter-Fertigung die "Fab30" in Dresden dar. Das neueste Chip-Werk ist der ganze Stolz des Unternehmens. Die Fabrication Unit, kurz Fab, wurde im dreißigsten Jahr der Firmengeschichte eröffnet und hat daher ihren Namen.

Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Fab30 wirklich "die modernste Chip-Fabrik der Welt" ist. Fest steht jedoch, dass derzeit noch kein anderer Hersteller x86-Prozessoren mit 0,18 Mikron Strukturbreite und Kupfer-Interconnects in Serie herstellt - und genau das passiert in Dresden.

AMD fertigt dort ausschließlich Athlon-Prozessoren mit Thunderbird-Kern auf 200-Millimeter-Wafern. Derzeit findet die Umstellung auf den neuen Athlon, Codename "Palomino", statt. Dieser Chip soll, wie berichtet, jedoch erst im dritten Quartal als Desktop-Prozessor auf den Markt kommen. Durons sind in Dresden nicht zu finden: Sie stellt AMD in der Fab25 in Austin, Texas, her.

Technologisch hart auf den Fersen der Fab30 ist Intels Werk "D1C" in Hillsboro im US-Bundesstaat Oregon. Dort werden schon Wafer mit 300 Millimetern Durchmesser und 0,13 Mikron Strukturbreite und Kupfer-Interconnects gefertigt - nur liefert Intel die so hergestellten Chips noch nicht aus.

AMDs Grundstück in Dresden erstreckt sich auf über 430.000 Quadratmeter. Knapp die Hälfte davon ist bereits bebaut - theoretisch genug Raum für eine zweite Fab daneben. Da ein Werk wie die Fab 30 mit einer Investitionssumme von 1,9 Milliarden US-Dollar nicht gerade aus der Portokasse zu bezahlen ist, wird eine große Erweiterung wohl noch etwas auf sich warten lassen.

Entstehung einer CPU

Was im Dresdener Stadteil Wilschdorf die Fab30 verlässt ist noch kein einbaufertiger Prozessor. Vielmehr stellt AMD dort die Wafer her, auf denen die Athlon-Dies sitzen. Diese sind bereits "elektrisch testfähig", wie sich der Leiter der Fab30, Dr. Hans Deppe, ausdrückt. Sprich: Es lässt sich feststellen, ob die frischgebackenen Athlons funktionieren.

Von Dresden gelangen die Wafer per Flugzeug nach Austin. Dort werden sie in einzelne Dies zersägt, die sich dann auch erstmals auf ihre Geschwindigkeit prüfen lassen. Außerdem werden in Texas auch die "Höcker" angebracht. Sie sorgen bei dem vorher völlig flachen Die dafür, dass es sich in seinem zukünftigen Kermikgehäuse mit den typischen Beinchen eines Desktop-Prozessors verbinden lässt.

Von Austin reisen die Athlon-Dies nach Malaysia, wo in erster Linie das "Packaging" stattfindet - sprich das Einbetten in das Gehäuse. Der abschließende Geschwindigkeitstest und die damit fällige Einordnung in "speed grades" (derzeit von 900 MHz bis 1,33 GHz) ist ebenfalls erst möglich, wenn die CPUs fertig sind. Daher steht auch auf einem Athlon, dessen Die in Dresden hergestellt wurde, "Made in Malaysia".

Der Herkunftsort des Dies lässt sich nun nicht mehr feststellen. Dr. Hans Deppe über seine CPU-Kerne: "Ich würde sie nur dann erkennen, wenn ich den Core aufmache und ihn mir unter dem Mikroskop anschaue."

Für notorische Übertakter ist das eine schlechte Nachricht, denn augenzwinkernd fügt der Fab30-Chef hinzu: "Die schnellsten sind made in Dresden."

Wenn der Athlon schließlich in den Handel kommt ist er bereits einmal um die Welt gereist - immer per Flugzeug. Angst um die CPUs hat AMD dabei nicht: "Das ist sicherer, als wenn Sie mit dem Auto von Dresden nach Chemnitz fahren" meint Hans Deppe.

Fünf Jahre Planung und Bau

Ende 1995 gab AMD seine Absicht bekannt, das Werk in Dresden bauen zu wollen. Im Oktober 1996 erfolgte der erste Spatenstich, im Mai 1997 wurde der Grundstein gelegt. Der Rohbau war bereits vier Monate später fertiggestellt. Wesentlich länger dauerte die Ausrüstung des ersten Reinraums mit 6.400 Quadratmetern. Die Arbeiten daran begannen im Mai 1998 und waren erst zweieinhalb Jahre später abgeschlossen. Erste Testläufe mit K6-2-Wafern fanden jedoch schon im November 1998 statt. Diese Kupfer-Prozessoren gelangten dennoch nie in den Handel.

Knapp ein Jahr später, im Oktober 1999, liefen in Dresden die ersten Kupfer-Athlons vom Band. Grund genug für AMD, das Werk offiziell zu eröffnen. Kurz darauf begann die Serienfertigung. Im Juni 2000 wurden die Dresdener Athlon-Prozessoren dann erstmals ausgeliefert. Insgesamt hat es vom Entschluss, das Werk zu bauen bis zur Serienproduktion fast ein halbes Jahrzehnt gedauert - erst dann stellte die Fab30 in großen Stückzahlen Prozessoren her.

Ende 2001 soll die Anlage ihre volle Kapazität mit 5.000 bis 6.000 Waferstarts pro Woche erreichen. Laut AMD liegt man derzeit bei etwa 60 Prozent dieser Menge.

Parallel dazu erweitert AMD das Werk bereits: Den jetzt noch in Austin vollzogenen Schritt zum Anbringen der Verbindungen zwischen Die und Gehäuse will AMD nach Dresden verlagern.

Bisher beschäftigt AMD in Dresden bereits 1600 Mitarbeiter, die überwiegend aus Deutschland stammen. Bis Ende 2001 sollen es über 2000 sein.

Tabernakel Reinraum

Das Herzstück jeder Chip-Fabrik ist der Reinraum. Hier arbeiten die durch Intels Fernsehspots bekannt gewordenen "Bunny People" - Ingenieure, die ihren Arbeitsplatz nur in mehr als klinisch reiner Kleidung betreten dürfen.

Im Fall einer Kupfer-Fab wie in Dresden sind die Auflagen zur Reinlichkeit noch einmal doppelt so hoch wie in herkömmlichen Fabs, da die beiden Bereiche "Silizium" und "Kupfer" strikt voneinander getrennt werden müssen. Die Hintergründe zeigt unser Report Kupfer in der Halbleiterfertigung.

Wohl auch deshalb heißt es für Besucher der Fab30 "No go!", wenn es um einen eigenen Blick in den Reinraum geht. Laut AMD ist nicht einmal ein "Aussichtsfenster" im Reinraum auf der dritten Etage des Gebäudes vorgesehen.

Dort jedenfalls befindet sich im Stammgebäude der primäre Reinraum mit 6.400 Quadratmetern Größe, aus dem die von AMD zur Verfügung gestellten Bilder auf dieser Seite stammen. Die komplette Fertigung der Wafer findet dort statt.

Wenn bei Fabs von einem "Reinraum" die Rede ist, meint das in der Regel nur den sogenannten "waffle table". Der Begriff kam in den USA durch die Durchbrüche in den Fußböden zustande, durch welche die Luft abgesaugt wird. Sie erinnern an das Backwerk aus einem Waffeleisen, die "waffle". Neben dem waffle table existieren noch weitere Reinräume, unter anderem zum Auspacken und Reinigen von Maschinen, die auf den waffle table eingesetzt werden sollen. Sie werden dreifach verpackt angeliefert, in verschiedenen Bereichen des Werks enthüllt und nochmals gereinigt. Auch dafür gibt es in der Chip-Produktion einen schönen amerikanischen Euphemismus: Von der kleinsten Gaspumpe bis zum größten Belichter ist jede Funktionseinheit in einer Fab schlicht ein "Tool" - ein Werkzeug eben.

Neben dem primären Reinraum baut AMD in Dresden noch zwei weitere waffle tables, auf denen die schon erwähnte Anbringung der Kontakte auf den Dies stattfinden soll. Mit diesen Erweiterungen sollen die waffle tables der Fab30 dann insgesamt 10.700 Quadratmeter umfassen.

Das Wafer-Karussell

Ihre verschiedenen Produktionsschritte erreichen die einzeln in Plexiglasdosen verpackten Wafer in der Fab30 automatisch. Ein unter der Decke angebrachtes Förderband läuft durch den gesamten Reinraum.

Über Barcodes auf den Wafer-Dosen weiß das Transportsystem bei jeder Silizium-Scheibe genau, was als nächstes mit ihr zu passieren hat. An der richtigen Stelle spuckt das System den Wafer aus, die Bunny People bearbeiten ihn dann sobald als möglich. Anschließend vermerken sie den abgeschlossenen Produktionsschritt in einer Datenbank, legen den Wafer zurück auf das Band, und das Spiel beginnt von Neuem.

Dieses Wafer-Karussell ist ein Grund, warum die Erweiterung der Reinräume über bereits vorhandene Bürogebäude auf Stelzen gestellt wird: So bleibt das Förderband immer auf einer Ebene und Erschütterungen der empfindlichen Wafer durch einen Stockwerks-Wechsel werden vermieden.

Schon der primäre Reinraum ist als "Gebäude im Gebäude" auf Stelzen angebracht. Diese wiederum stecken in einem Fundament, das bis auf den Naturfels unter der Fab30 gezogen wurde. Zum Teil musste man dafür zunächst 17 Meter tief bohren.

Eigene Wasser- und Stromversorgung

Nur weil sich in Dresden passende geologische Gegebenheiten finden war es AMD auch möglich der Fab30 ein eigenes Kraftwerk zu spendieren. Zwischen Fab-Gebäude und dem etwas größer ausgefallenen Strom-Häuschen verläuft nämlich eine Felsspalte. Dadurch werden die unvermeidlichen Vibrationen der Strom-Produktion von der Fab isoliert. Das Kraftwerk wiederum steht auf einem eigenen Naturfels und ist per Fundament an diesen gekoppelt.

Da somit Vibrationsübertragung kein Thema ist, konnte sich AMD auch für acht monströse Gasmotoren entschieden, die zusammen 3,8 Megawatt leisten. Bisher befinden sich maximal vier davon gleichzeitig in Betrieb. Die ebenfalls vorhandene Umspannstation für das öffentliche Stromnetz dient nur als Backup-Lösung. In der Regel macht sich die Fab30 ihren Strom selbst.

Das gilt auch für das Reinstwasser, das eine Chip-Fabrik zum ständigen Spülen, Kühlen und der Verdünnung von Chemikalien benötigt. Ist die Wasserversorgung einmal unterbrochen, steht die gesamte Produktion. Da das bei einem Rund-um-die-Uhr-Betrieb wie der Fab30 fatal wäre befinden sich in deren Erdgeschoss entsprechende Reservetanks.

Zusammen fassen diese 500 Kubikmeter, die für rund fünf Stunden Produktion ausreichen. Das Wasser für die Halbleiterfertigung darf nur Verunreinigungen von ein bis zwei Teilchen pro einer Million Moleküle (1-2 ppm) enthalten - der Rest ist reines H20.

Derartiges Reinstwasser ist alles andere als genießbar und mit dem destillierten Wasser für das heimische Bügeleisen nicht vergleichbar. Laut Hans Lüdeck, dem Facility Manager der Fab30, reicht das Trinken von weniger als einem Liter "Eau de AMD", um einen Menschen zu töten. Der Grund: Das Reinstwasser entzieht dem menschlichen Organismus Mineralien, wodurch das Nervensystem versagt.

Materialanalyse mit High-Tech

Was im Reinraum produziert wird unterliegt einer ständigen Prüfung durch das "Material Analysis Lab", kurz MAL. Ziel ist hier vor allem die Qualitätsprüfung. Nur wenn sich auf jedem Wafer möglichst wenige Fehler finden ist die Ausbeute, der sogenannte "Yield", hoch genug. Da Kupfer den Halbleiter sehr leicht verunreinigen kann, ist das MAL in der Fab30 besonders wichtig.

Zum Einsatz kommen dort Mikroskope, deren Auflösung hoch genug ist, um die Gitterstruktur des Siliziumkristalls darstellen zu können. Dies ist mit herkömmlichen Raster-Elektronen-Mikroskopen (REM) nicht mehr zu bewerkstelligen.

Stattdessen kommen unter anderem Transmissions-Elektronen-Mikroskope (TEM) zum Einsatz. Die Elektronen werden dabei mit 200 KV beschleunigt und durch ein magnetisches Linsensystem fokussiert. Die so erreichbare Auflösung beträgt bis zu 0,1 Nanometer.

Doch schon 2 Nanometer Auflösung reichen aus, um die Gitterstruktur des Siliziumkristalls sichtbar zu machen und 50 Nanometer stellen einen 0,18-Mikron-Transistor in A4-Größe dar.

Derart kleine Strukturen erst einmal freizulegen ist Aufgabe einer anderen Technologie, die sich "Focussed Ion Beam" nennt.

Zersägte Wafer per FIB

Der einzige Grund in Dresden einen Wafer zu zersägen ist die Materialanalyse, um defekten Strukturen innerhalb der sechs Metall-Layer eines Athlon oder Verunreinigungen auf die Spur zu kommen. Auch hier macht das Kupfer wieder ein Umdenken in der Halbleiterfertigung notwendig. Würde der Wafer mit mechanischen Werkzeugen zersägt und dann die Schnittstelle poliert könnte das Kupfer auch andere Stellen verschmutzen - und die Suche nach dem eigentlichen Problem wäre kaum mehr möglich.

Daher sägt und fräst in der Fab30 ein "Focussed Ion Beam" (FIB). Wie schon bei einem TEM (siehe vorherige Seite) wird dabei ein Strahl durch magnetische Linsen gebündelt. Nur handelt es sich jetzt nicht mehr um Elektronen, sondern um komplette Ionen. Diese reagieren mit dem Zielmaterial und schießen einzelne Atome heraus - der FIB fräst sich regelrecht durch das Material. Damit entstehen beispielsweise die häufig zu sehenden Querschnitte durch Chip-Strukturen.

Wie präzise der FIB arbeitet zeigt das folgende Bild. Dabei wollten die MAL-Mitarbeiter offenbar einmal selbst kreativ und nicht nur destruktiv am Material arbeiten.

In Kombination mit einem Elektronenstrahl lassen sich per FIB in einem Arbeitsgang auch gleich mikroskopische Untersuchungen anstellen - das heißt dann "Dual FIB".

Wie auf dem obigen Bild zu sehen ist kann der Wafer dabei auch gekippt werden. So sind verschiedene Schnittwinkel möglich. Solch grobe Praktiken dürfen die MAL-Mitarbeiter aber meist nur mit Test-Wafern durchführen: "Einen Produktions-Wafer bekommen wir hier nur selten zu sehen" erklärt Laborleiter Ehrenfried Zschech mit sichtbarem Respekt vor dem eigenen Produkt. Kein Wunder: Bei einem Marktwert der auf einem Athlon-Wafer befindlichen Prozessoren von bis zu 100.000 Mark überlegt sich AMD eine MAL-Behandlung lieber zweimal. Da dieses Labor kein Reinraum ist, kann ein in normaler Luft ausgepackter Wafer komplett zerstört werden.

Der nächste Schritt: SOI

Neben der alltäglichen Kontrolle des aktuellen Kupfer-Fertigungsprozesses bereitet AMD in Dresden auch den Umstieg auf die Silicon-on-Insulator-Technologie, kurz SOI, vor. Wie SOI funktioniert, können Sie einem eigenen Beitrag entnehmen.

Wesentliches Merkmal von SOI sind die "vergrabenen" Transistoren, die vollständig von einem Isolationsmaterial verdeckt sind. In der Erforschung von serientauglichen SOI-Prozessen ist es daher besonders wichtig zu wissen, welche Materialien sich bei diesem "Vergraben" wo abgesetzt haben.

Mittels Falschfarben-Darstellungen, die beispielsweise durch den Einsatz von Röntgenstrahlen bei der TEM-Mikroskopie erzeugt werden können, werden die einzelnen Elemente und Verbindungen sichtbar.

Mit SOI-Prozessen will AMD in der zweiten Jahreshälfte 2002 in Dresden die Serienfertigung seines ersten 64-Bit-Prozessors aufnehmen, der derzeit noch unter dem Codenamen "Clawhammer" geführt wird.

Auf den nächsten neuen Sachsen-Chip muss man nicht ganz so lange warten: Auch die neue Version des Athlon, Codename Palomino, kommt aus Dresden. Athlons made in Germany werden der PC-Branche somit noch einige Jahre erhalten bleiben. (nie)