Applikationsvermieter unter sich

14.07.2000
Auf Veranstaltungen rund um das Thema ASP wird diskutiert, wie Programme zur Miete die Wertekette verändern, wie Alliance Management, Risk-Sharing-Modelle oder Solution Based Pricing die Software- und Servicebranche aufmischen. Langsam springt der Funke auf die Anwender über.

Von: Konrad Buck

Die Verfügbarkeit breitbandiger Netze steigt kontinuierlich, ebenso deren Management-Möglichkeiten. Zusammen mit der immer stärkeren Durchdringung der Unternehmens-IT mit Internet-Technik scheinen die Tore für Application Service Providing (ASP) weit geöffnet. Forrester Research prognostiziert für den Markt von weltweit circa 900 Millionen Dollar Umsatz im Jahr 1999 eine Steigerung auf insgesamt 4,5 Milliarden Dollar. Dabei wachse der Anteil von Packaged Applications, die von ASPs bereitgestellt werden, von zwei Prozent in 1999 auf 22 Prozent im Jahr 2003 an. Das globale Marktpotenzial beziffert die Giga Information Group im Report "Measuring the ASP Market Today and Tomorrow" längerfristig auf rund eine Billion Euro. Allerdings warnt die Gartner Group davor, dass im Jahr 2001 bereits 60 Prozent der heute am Markt vertretenen ASPs schon wieder verschwunden sein werden.

Von den weitreichenden Umgestaltungsmöglichkeiten des NetBusiness konnten sich die rund 100 Besucher eines internationalen ASP-Symposiums im Mai in Paris ihr Bild machen. Veranstalter Progress Software hatte sich das Thema Software zur Miete bereits früh auf die Fahnen geschrieben und konnte hierzulande schon Anfang letzten Jahres mit ersten Anwendungen bei ASPs aufwarten (siehe NetworkWorld 3/2000). Gemeinsam mit Partnern zeigte die Firma, wie weit die Modelle bereits in die Unternehmen hineingehen, und präsentierten drei ASPs aus drei EU-Ländern.

"Mehr Kunden als ASPs"

Für Mark Armstrong, Managing Director beim britischen Softwarehaus Systemcare Outhosting Solutions Ltd. (www.systemcare.com) aus Billingham, sieht die Situation durchaus rosig aus: "Es gibt bisher wenige funktionierende ASPs und sehr viele potenzielle Kunden. Diese reißen uns die Lösungen aus der Hand." Der Anbieter bietet seine Supply-Chain-Management-(SCM)-Software "M-Four" seit letztem Jahr auch auf Mietbasis an. Üblicherweise dauert die Implementierungszeit der Kaufversion von M-Four - derzeit ist sie bei 24 Firmen und etwa 200 Anwendern im Einsatz - laut Armstrong rund sechs Wochen. Entschieden zu viel für Sean Fennon, Managing Director des Software-Mieters Si3. Die Firma betreut im Bereich SCM Kunden wie Ingersoll Rand, British Airways oder TRW und nutzt dafür M-Four auf Mietbasis. Fennon reizt bei der Software allein der Nutzen, und den hat er lieber sofort als Wochen später: "Wir haben uns bisher nur ein einziges Mal im ganzen Lebenszyklus der Software über Preise unterhalten. Danach kümmerten wir uns um Umsatz und Gewinn."

Die Belgier vertrat Luc Dethaey, CEO des Anbieters von Software für die Reisebranche Icsat (www.icsat.com) aus Antwerpen. Das Unternehmen versorgt 250 Firmen mit 400 000 Anwendern in 30 Ländern. Via Internet vertreibt Dethaey seine in "Progress 4GL" programmierten Lösungen der ACE-Familie (ACE Tour, -Net und -Corporate) seit Oktober letzten Jahres. Als einmalige Einrichtungsgebühr berechnet Icsat 1500 Euro. Anschließend wird über eine monatliche Grundgebühr zuzüglich individuell auszuhandelnder zeit- oder volumenabhängiger Tarife abgerechnet. Typischer ASP-Kunde seit Ende 1999 ist der kleine Reisebürobetreiber Interticket mit Niederlassungen in Antwerpen und Ostermall. Vor dem Handschlag mit Dethaey musste Inhaber Edy De De-cker für die acht Arbeitsplätze an zwei Standorten drei Unix-Server betreiben, inklusive nächtlicher Batch-Läufe, regelmäßiger Backups und ohne das Wissen der Mitarbeiter um die Vorgänge der Schwesteragentur. Heute stehen Hard- und Software beim ASP, die Mitarbeiter greifen auf die Anwendung per Browser zu.

Die Freilassinger Alphaware GmbH (siehe NetworkWorld 3/2000) stellte die Lösung ihres Kunden Profilux vor. Die Hamburger Brillenvertriebs GmbH nutzt seit Ende vergangenen Jahres die ERP-Software "Alphaworks". Robin Prosch, General Manager bei Profilux, betont, dass seine Firma innerhalb von zwei Wochen mit der Software aktiv war: "Unsere Kunden, die Optiker, haben bereits zu über 55 Prozent einen PC im Laden. Das durch den ASP-Vertrag gesparte Geld können wir ins Marketing stecken."

Die Zulieferketten werden neu definiert

Robin Bloor, Gründer und Chef der britischen Marktforschungsgesellschaft Bloor Research, brachte es auf den Punkt: "Die Unternehmen und Firmen wollen Prozesse und nicht die Applikationssoftware für das Aufsetzen von Prozessen. Nur wenn sie die Prozesse nicht kaufen können, kaufen sie die Applikationssoftware, um es eben selber zu machen." Er führt weiter aus, dass das ASP-Geschehen zum Zusammenbrechen bisheriger Zulieferketten in der gesamten IT-Welt führen werde. Am Ende werde jedes Unternehmen in irgendeiner Form zum ASP-Kunden oder aber selbst zum ASP.

Weitere neue Aspekte von ASP sind nach den Worten von Wolfgang Haid, bei Fujitsu Siemens im Bereich Entwicklung neuer Geschäftsfelder tätig, das Alliance Management, Risk-Sharing-Modelle oder Solution Based Pricing. ASP, so Haid, erfordere von den Mitspielern insbesondere die Fähigkeit, in neuen Beziehungsgeflechten die Position zu finden und diese zu behaupten. Dazu bedürfe es gerade bei der Neuauflage der Wertschöpfungsketten fundierter Erfahrungen in den ASP-Ursprungsbereichen, vor allem dem Outsourcing. Hierbei gelte: Ein auf mehrere Schultern verteiltes Risiko trage sich leichter. Und eng neben dem Bereich Risk Sharing liege auch der lösungsbezogene Preis von Leistungen. Bereits in Kürze werde beispielsweise Hardware auf Basis "pro User, pro Monat" verkauft. So bleibe nicht nur bei der Software, sondern auch für die Komponentenhersteller in Logistik und der Abwicklung der Verkäufe kaum ein Stein auf dem anderen. Doch die Teilnahme an einem weiter stark atomisierten Markt lohne sich: "Die Volumina, die hier ins Spiel kommen, sind immens. Ich rechne damit, dass in den nächsten zwei Jahren weltweit hunderte von neuen Data Centern entstehen werden."

Schon ein alter Hase im ASP-Geschäft ist die Neckarsulmer TDS AG (www.tds.de). Deren Vorstandsvorsitzender Peter Eisenbacher verweist auf die bereits jahrzehntelange Erfahrung des Unternehmens im Bereich Auslagerung von IT. Sein Expertenwissen will TDS jetzt auf dem neuen Schauplatz ASP in bare Münze umsetzen. Zu den Rezepten für den erhofften Erfolg gehört ein dreistufiges Konzept.

Erster Schritt: Outtasking

Im ersten Schritt sei ASP nichts weiter als ein selektives Outtasking, bei dem der Anbieter für seinen Kunden das abwickle, was hunderte weiterer Kunden ebenfalls bräuchten. Hierbei kämen in hohem Maße Synergien zum Tragen, die der Anbieter in Form niedrigerer Kosten und höherer Qualität an die Kunden weitergeben könne. Im zweiten Abschnitt, dem Aufsatz neuer Pricing-Modelle, sieht Eisenbacher noch erheblichen Handlungsbedarf seitens der Softwareanbieter: "Hier bedarf es noch großer Anstrengungen von Unternehmen wie Oracle oder SAP, entsprechende Tarifsysteme zu beschreiben und umzusetzen." Eisenbacher kennt auch den Grund für die zögerliche Haltung und findet eine passende Analogie: "Wer Autos plötzlich vermietet statt sie wie bisher zu verkaufen, erleidet erst mal Umsatzeinbrüche." In Zeiten nervöser Börsen ein gefährliches Spiel. Drittens sei die ASP-Welt hochgradig arbeitsteilig. Daher empfehle sich TDS als Integrator. Speziell mittelständische Unternehmen seien darauf angewiesen, bei Koordination und Management der Softwaremiete unterstützt zu werden. In Kürze wird TDS außerdem eine strategische Kooperation mit einem der wirklich großen US-ASPs bekannt geben. Welchem, mochte er derzeit noch nicht sagen. (sf)