Historie

Apple und IBM: Aus Feinden werden Partner

16.07.2014 von Peter Müller
Für Steve Jobs verkörperte IBM lange Zeit alles Schlechte in der IT-Branche. Das Verhältnis der beiden Unternehmen war sehr wechselhaft.

Als Apple Mitte der Siebziger im Silicon Valley auf den Plan trat, war das als "International Business Machines" im Jahr 1911 im Bundesstaat New York gegründete Unternehmen längst etabliert. Die Welt kannte seinerzeit den Computer als Großrechner, der Schränke, ja, ganze Hallen füllte und an den Terminals angeschlossen waren, über die ausgebildete Fachleute mit ihm arbeiteten. Apple stellte mit dem Apple I im Jahre 1976 und dem kommerziell weit erfolgreicheren Apple II im Jahr darauf die Welt völlig auf den Kopf: Der Computer wurde persönlich, von (fast) jedermann zu bedienen und abseits von großen Firmenarchitekturen zu betreiben. IBM fühlte sich herausgefordert und brachte im Jahr 1981 selbst eine entsprechende Lösung heraus, den Personal Computer oder PC. Dank der Kooperation mit dem jungen Unternehmen Microsoft und der Offenlegung der Architektur übernahmen rasch "IBM-kompatible" Rechner den noch jungen Markt. Mit Apple und IBM hatten sich Rivalen für's Leben gefunden.

Apple "gratuliert" IBM 1981 in einer Zeitungsanzeige sarkastisch zu ihrem ersten Personal Computer.

Ausdruck der gegenseitigen "Wertschätzung" war nicht zuletzt der legendäre TV-Spot zur Einführung des Macintosh im Jahre 1984. Mit "Big Brother" war niemand anders als "Big Blue" gemeint - IBMs Spitzname. Der Hammerwurf der Athletin war nicht anders gemeint als ein Schlag in IBMs Gesicht. Aber trotz aller Bemühungen Apples, auch in Unternehmen Fuß zu fassen, hatte IBM einen großen Vorsprung in Corporate America. Nach und nach ersetzten in den Büros großer Unternehmen die persönlichen Computer den Großrechner, meist griffen CIOs aber zu den IBM-kompatiblen Rechnern, die längst nicht mehr alle von Big Blue stammten, aber alle unter MS-DOS und später Windows liefen. IBM selbst etablierte sich mit seiner Hardware vor allem im Server-Bereich.

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CNBC-Interview mit Tim Cook und Virginia Rometty
„…CNBC: So Tim, maybe just to start, how did this partnership come about? How long have you and Ginni been talking? TIM COOK: You know, Ginni and I have started talking-- a couple years ago and getting to know each other. And over that period of time, we built up a tremendous trust and respect for each other. And we began to talk about how complementary our companies are. ….. It's landmarked. It takes the best of Apple and the best of IBM and puts those together…….”
Wiener Zeitung: Das Puzzle von IBM und Apple
"Die Partner nehmen damit eine Bastion des Windows-Riesen Microsoft ins Visier, die dieser gerade mit seinen Surface-Tablets und Diensten absichern will…..IBM kann Apple die Tür in Unternehmen weit aufstoßen: Der Konzern ist ein wichtiger Anbieter von IT-Diensten und Technik-Ausrüster. Damit könnte es für Apple auch ein wichtiger Vertriebskanal werden. Die Partner scheuen keine großen Worte: Sie wollen "neu definieren, wie Arbeit erledigt wird"….“
apfelpage.de: Apple und IBM machen gemeinsame Sache
„Um den Markt der Business-Kunden zu erobern, gehen Apple und IBM, einst zwei Konkurrenten, nun eine Partnerschaft ein. Etwas überraschend mutet die in der Nacht vollzogene Ankündigung an, beim zweiten Blick ist die Kooperation der Giganten aber äußerst sinnig. Apple will über eine große Partnerschaft mit IBM stärker ins Geschäft mit Unternehmen kommen. Bislang haben in diesem Markt eher die Konkurrenten die Nase vorn. Da Apple sich auf Verbraucher-Elektronik spezialisiert hat, bietet sich eine Zusammenarbeit mit IBM, die sich auf das Big Data und Analytik-Business konzentriert haben, gerade zu an….“
heise
“ Man werde Apples "legendäre" Benutzerfreundlichkeit und integrierte Hard- und Software mit IBMs "unübertroffener" Tiefe in der Versorgung von Industrieunternehmen sowie bei Enterprise-Software kombinieren. Cook betonte einmal mehr, dass Apple-Technik mit iPhone und iPad jetzt schon stark im Firmenkundengeschäft verbreitet ist. Angeblich sind die Geräte mittlerweile bei 98 Prozent der Fortune-500-Konzerne zu finden.“
Wirtschaftswoche
„In frühen Zeiten von Steve Jobs wäre diese Zusammenarbeit nie denkbar gewesen. In den Achtzigern war das klare Ziel des Apple-Marketingchefs John Sculley, IBM und Microsoft auf dem Computermarkt auszustechen – was bekanntermaßen nicht so ganz geklappt hat. Der „Feindschaft“ wurde sogar ein mittlerweile ikonischer Werbespot gewidmet, in dem IBM als großer Bruder dargestellt wurde. Und nicht zu vergessen ist das legendäre Bild, auf dem Steve Jobs IBM ganz ungeniert den Mittelfinger zeigt.“
Münchner Abendzeitung
„….Es gehe darum, Apples Smartphones und Tablets fest in die Entscheidungsprozesse einzubinden, sagte IBM-Chefin Ginni Rometty der "New York Times". Dafür sollen spezielle Programme zur Auswertung von Firmendaten mit Anbindung an IBMs Cloud-Dienste entwickelt werden. Sie würden im Herbst mit dem Start des neuen Betriebssystems iOS 8 verfügbar sein. Apple-Chef Tim Cook sprach von einem Meilenstein. IBM kann Apple die Tür in Unternehmen weit aufstoßen:….“
zentral+
„…Der US-Computergigant Apple geht mit dem IT-Konzern IBM eine Partnerschaft ein. Die beiden wollen erreichen, dass Unternehmen vermehrt auf iPhones und iPads von Apple statt auf PCs setzen. Die Partner nehmen damit eine Bastion des Windows-Herstellers Microsoft ins Visier, die dieser gerade mit seinen neuen Surface-Tablets absichern will.Apple-Chef Tim Cook sprach von einem Meilenstein….“
Die Welt: Einstige Erzrivalen Apple und IBM verbünden sich
„Das hätte Steve Jobs nicht gefallen: Apple arbeitet im Geschäft der Mobilgeräte für Firmenkunden künftig mit IBM zusammen – der Firma, die der verstorbene Apple-Gründer Anfang der 80er-Jahre mit mittlerweile legendären Werbespots veräppelte und als "Big Brother"-Diktatur hinstellte…“
Computerworld: Why the Apple-IBM deal matters
„Apple's partnership with IBM to tackle the mobile enterprise could have lasting ramifications for both companies -- as well as for rivals Google, Microsoft and BlackBerry. It could also make life a lot easier for IT staff at large enterprises…. That suggests Apple won't run off and do a similar deal next week with Hewlett-Packard. More significantly, IBM, at least for now, is throwing all its chips in with Apple -- apparently at the expense of Google's Android OS and Microsoft's Windows Phone “
The Wall Street Journal: Apple, IBM in Deal to Create Apps, Sell Phones
„Enemies during the early personal-computer wars, Apple Inc. and International Business Machines Corp. said they will cooperate in the mobile era, striking an agreement to create simple-to-use business apps and sell iPhones and iPads to Big Blue's corporate customers.The deal underscores Apple's push to expand the reach of the iPhone and iPad into the business world….”
Financial Post
„ BlackBerry Ltd shares fall as Apple Inc, IBM Corp partnership targets enterprise users… Apple Inc. and International Business Machines Corp. are teaming up to provide business apps for the iPhone and iPad, taking aim at BlackBerry Ltd.’s core enterprise client base. After Tuesday’s announcement of the partnership, the Waterloo, Ont.-based smartphone maker’s shares fell almost 4% in after-hours trading as investors considered the potential threat to BlackBerry….”

Steve Jobs hasste IBM lange

Steve Jobs soll IBM mehr als einmal als "Todfeind" bezeichnet haben. Es ist einer der zentralen Geschichten des Films "Die Silicon Valley Story", dass Jobs sich so sehr auf IBM als Erzrivalen konzentriert, dass er Bill Gates und Microsoft dabei völlig unterschätzt. Weit nüchterner gingen Apple und IBM während Jobs' Auszeit miteinander um. So war IBM von 1994 bis 2005 Lieferant von Prozessoren für Macs. Zusammen mit Motorola/Freescale gründeten Apple und IBM im Jahr 1991 das PowerPC-Konsortium, die daraus entstandenen Chips trieben Desktop-Rechner über fünf Generationen hinweg, Laptops immerhin über vier. Den G5-Prozessor produzierte IBM schließlich exklusiv für Apple, als der G5-Prozessor nicht laptoptauglich wurde, endete die Zusammenarbeit. Apple fand in Intel - zwischenzeitlich neuer "Staatsfeind Nummer Eins" - einen alternativen Zulieferer, mit dessen Chips erst die heute bekannten Macs möglich waren.

Steve Jobs im Jahre 1983 vor dem IBM-Hauptquartier. Die Beziehung des jungen Unternehmens zum Traditionsbetrieb war nicht die beste. Das sollte sich aber noch mehrmals ändern
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Auch auf Ebene des Betriebssystems kooperierten Apple und IBM in den Neunzigern, das Joint Venture Taligent brachte aber keinen modernen Nachfolger für das System 7 zustande. Und während IBMs Geschäfte mit Blade-Servern oder dem Think Pad florierten, geriet Apple immer mehr in die Krise. Zeitweise war IBM einer der Kandidaten für eine Übernahme des zurecht gestutzten Emporkömmlings, doch dann kam Steve Jobs zum Unternehmen zurück. Und mit ihm ein modernes Betriebssystem, das sich schon seinerzeit auf die rivalisierende Intel-Architektur verstand. Die erneute Abkehr von IBM war also nur eine Frage der Zeit.

Die Neuzeit

Im Jahr 2005 erkannte IBM schließlich, dass die eigene PC-Sparte nicht mehr lukrativ war. Der Markt schien gesättigt, Desktops liefen zwar nach wie vor glänzend, doch ging der Trend schon vor zehn Jahren zum Mobilen. Das Think Pad war als hochpreisiges Notebook auch eher für Unternehmenskunden und nicht für den Consumer-Markt konzipiert. IBM stieß die gesamte Sparte samt der Markenrechten an den chinesischen Hersteller Lenovo ab und konzentrierte sich darauf, Dienstleister für Unternehmen zu sein. Anfang 2014 trat IBM auch noch seine Server-Sparte an Lenovo ab.

Die Zeiten, die Personen und die Unternehmen haben sich geändert. IBM-CEO Ginni Rometty im Gespräch.
Foto: Apple

Auch Apple hat sich extrem gewandelt. Computer werden immer mobiler und kleiner, immer mehr klassische PC-Aufgaben können mittlerweile Smartphones und Tablets übernehmen. Apple hat seit Jahren auch das Unternehmensgeschäft im Visier. Und obwohl immer mehr Firmen sich für iPhone und iPad interessieren, fehlt es Apple noch an den letzten Schritten. Und hier kommt wieder IBM ins Spiel, das genau weiß, welche Services und welche Software Unternehmen benötigen. Seit 2013 will sich auch IBM verstärkt als Unternehmen für mobile Lösungen definieren, als es die neue Geschäftseinheit "Mobile First" gründete. Insbesondere sind aber die Vertriebskontakte IBMs ein entscheidender Faktor bei der anstehenden Kooperation. Besonders Microsoft dürfte von der Entwicklung nicht begeistert sein. (Macwelt/mje)