Anruf genügt

31.03.1999
Anwender von Linux-Komponenten sind bei Ausfällen längst nicht mehr auf sich selbst gestellt. Viele Systemhäuser helfen per Telefon oder Fax und manche sogar vor Ort. Dabei entlasten Mailing-Listen und Newsgroups die Unternehmenskasse.

Also, ich persönlich halte Datenbanken für ziemlich öde", bekannte der Linux-Begründer Linus Torvalds in einem Interview gegenüber Oracle. Ganz im Gegensatz dazu denken mehr und mehr Softwarehäuser, daß sie die Unix-Variante der GPL-Gemeinde (GPL = Gnu Public License) keineswegs ignorieren dürfen. Oracle war einer der Vorreiter beim Umstellen von Software auf die Freeware-Plattform. Beinahe gleichzeitig stellten gegen Ende des letzten Jahres die Datenbankschmieden Sybase, IBM und Informix kompatible Produkte vor. Bald folgten weitere Firmen, darunter auch Hardwarehersteller wie Compaq und Dell, die ihre Geräte mit der Linux-Ausgabe von Red-Hat ausliefern.

Längst ist das Angebot an kommerziellem Support für Linux-Netze so groß, daß Anwender in Städten auch vor Ort unterstützt werden. Zum einen leisten das Herausgeber von Distributionen wie Delix in Stuttgart und Suse in Fürth. Zum anderen haben zahlreiche Systemhäuser das Betriebssystem in ihr Repertoire aufgenommen oder sich von Anfang an ganz der Freeware-Sache verschrieben. Anbieter wie Linuxhaus in München und ID-Pro in Bonn unterstützen Kunden beim Planen ihrer Netzwerke, leisten Installationssupport und statten dem Anwender auch später Besuche ab, wenn dieser Hilfe beansprucht. Andere Unternehmen wie Ixsoft und Linuxland stehen ihren Kunden nur bei der Installation und nur über E-Mail oder Fax zur Seite.

Paßgenaue Software

Systemhäuser haben den Vorteil, daß sie in der Regel von den Distributionen unabhängig sind und beim Planen von Netzwerken jeweils die Rosinen picken können. Die meisten schneidern ihren Kunden Lösungen nach Maß oder steuern eigene Produkte bei. Linuxhaus plant neben Freeware-Servern auch Unix- und Windows-Komponenten und entwickelt Anwendungen in C und Perl. Lunetix baut Kombinationen aus Hard- und Software nach den Wünschen der Kunden und liefert Systeme wie einen Raid-Server mit einer Datenbank von Adabas oder richtet eine Firewall auf einem alten 486er-Rechner ein. Alpha-Linux-Komplettsysteme inklusive Rechner verkauft hingegen Ixsoft, nach Absprache auch mit einer benutzerspezifischen Konfiguration. Das Linux-Systemhaus Karsten Schulz programmiert für seine Auftraggeber in C, C++ und Java und bezieht dabei auch Novell-Server, NT-Maschinen und AS/400-Rechner mit ein. Eine Linux-Plattform mit Programmen für Warenwirtschaftssysteme (WWS) und für die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) erhalten schließlich die Kunden des Softwarehauses Abas.

Wer eine Spezialanfertigung in Auftrag gibt, darf eines nicht vergessen: Der Lieferant sollte sein Werk sehr genau dokumentieren und unbedingt auch die Quellen offenlegen, damit der Auftraggeber von dem Anbieter unabhängig bleibt.

Support nicht nur für Linux, sondern auch für Softwarekomponenten, Windows und Unix gewährt das Unternehmen Linuxhaus seinen Kunden. Dabei unterscheidet es zwischen drei Supportkategorien: Level 1 ist für Unternehmen mit einer eigenen IT-Abteilung gedacht und kostet je nach Anfrage bis zu 200 Mark. Kunden, die mehr als telefonische Hilfe und außerdem Unterstützung bei Datenverlusten brauchen, wählen Level 2 beziehungsweise 3. Nur mit Unternehmen schließt das Systemhaus Schulz Wartungsverträge ab, die auch eine spezielle Kundennummer festlegen können. Distributionsunabhängigen Support leistet Lunetix zu 150 Mark pro Stunde, auch wenn der Auftraggeber woanders eingekauft hat. Vor-Ort-Service für Suse- und Red-Hat-Linux erhalten Unternehmen, die sich an das Berliner Systemhaus Innominate wenden. Unter einer 0180er-Rufnummer können sie sich einmal kostenlos beraten lassen. In vielen Fällen sparen Unternehmen, wenn sie ihr Netz aus der Ferne durch einen Remote-Login warten lassen. Der Supporter holt auf diese Weise das System zu sich und erkennt Fehler schneller als aus einer mündlichen Beschreibung über das Telefon. Das Softwarehaus Ios und dessen Tochterunternehmen Delta Internet beraten per Telefon und E-Mail.

Falls keines der größeren Servicezentren in der Nähe ist, lohnt es sich dennoch, bei einem anzurufen. Die meisten verstehen sich als Mitglieder der Linux-Gemeinde und pflegen Kontakte zu anderen Systemhäusern und Ein-Mann-Betrieben, die nicht in den Gelben Seiten zu finden sind. Eine gute Anlaufadresse ist auch der Linux-Verband, dem einige der hier genannten Firmen angehören.

Linux von der Stange

Anwender, die sich für genau eine Distribution entscheiden und sich für den Kauf an den Urheber wenden, erhalten üblicherweise ein Paket für telefonische Assistenz bei der Installation. Was den vorgefertigten CD-ROM-Serien zugute kommt: Sie unterstützen von Haus aus eine breite Palette von Geräten, sind einfach zu installieren, wenn es um Standardaufgaben wie das Einrichten eines Web-Servers geht, und verfügen über ein Handbuch.

Distribution nennt man ein Bündel aus dem Linux-Grundsystem, Software für Anwendungen und einer Installationsroutine. Das Grundsystem enthält einen aktuellen Kernel, derzeit mit der Nummer 2.0.36, einen C-Compiler und Funktionsbibliotheken wie "glibc" oder die ältere "libc5". Unterschiede zwischen den Ausgaben gibt es hauptsächlich bei den Applikationen und bei den Installationsprogrammen.

Zwar werden alle mit dem X-Window-System ausgeliefert, die meisten auch mit dem Window-Manager KDE. Nicht jeder Distribution liegt jedoch eine Bürosoftware wie "Staroffice" oder "Applixware" und eine Datenbank von Sybase oder Adabas bei. Caldera-Linux enthält Clients für Netware 4.11 von Novell und läßt sich gegen Aufpreis um einen Netware-Server ergänzen. Red Hat begründete ein Verfahren für das Einrichten von Software. Das Programm "Red Hat Package Manager" (RPM) installiert eine Applikation allein auf der Grundlage ihres Quelltexts und einer Konfigurationsdatenbank, welche zum Beispiel über Abhängigkeiten der Softwarepakete Buch führt. Mittlerweile machen auch die Linux-Ausgaben von Suse und Delix davon Gebrauch. Die Debian-Distribution, welche keinen kommerziellen Urheber hat, sondern aus der freien "Gemeinde" stammt, benützt ein eigenes Paketformat.

Gewichtigere Unterschiede betreffen das Grundsystem. Sie führen dazu, daß Distributionen untereinander nicht kompatibel sind. Caldera Open Linux 1.3 beispielsweise arbeitet im Unterschied zu den übrigen Ausgaben mit der Kernel-Version 2.0.35. Suse-Linux organisiert die Systemeinstellungen in einer zentralen Konfigurationsdatei, so daß Funktionen, die darauf zurückgreifen, auf Geschwisterplattformen nicht laufen. Zudem weichen die Betriebssysteme hie und da noch vom Filehierarchiestandard ab.

Heimvorteile der Distributoren

Suse ist Urheber der in Deutschland am meisten verbreiteten Distribution. Das Unternehmen hat im letzten Jahr eine Münchner Filiale eröffnet und auch in den USA eine Vertretung eingerichtet. Im Kaufpreis des CD-ROM-Satzes ist ein 60tägiger Support über Telefon, E-Mail und Fax enthalten. Darüber hinaus können Kunden Softwareunterstützungsverträge abschließen, die pro Rechner einen monatlichen Grundpreis vorsehen und Programmkomponenten wie NFS-Server (NFS = Network File System), Domain-Name-Server (DNS), ISDN und Firewall pro Monat mit Gebühren zwischen 20 und 80 Mark abrechnen. Dieses Angebot betrifft allerdings nur eine Beratung via Telefon, E-Mail oder Fax - genauso wie bei der On-Demand-Hilfe des Professional-Services-Programms, welche für 350 Mark über einen Zeitraum von 30 Tagen maximal vier Stunden Beistand zusichert oder stündlich zu 240 Mark beisteht. Die Fürther kommen auf Wunsch auch ins Haus, planen, installieren und entwickeln spezielle Lösungen oder brennen CDs mit Anwendungen des Kunden. Der Vor-Ort-Service steht jedoch nur in Nürnberg, Berlin, Hamburg, Göttingen und Osnabrück zur Verfügung.

Der Einsteiger-Support bei Delix, Hersteller der Distribution "Deutsche Linux-Distribution" (DLD), ist ebenso kostenlos und wird solange gewährt, bis die nach dem Kauf jeweils übernächste Ausgabe des Betriebssystems erschienen ist. Adminstratoren können bei Problemen eine Hotline zu Rate ziehen oder eine E-Mail abschicken, worauf sie garantiert nach spätestens zwei Tagen Anwort erhalten. Auch Entwickler erhalten auf diese Weise Unterstützung, wenn sie Source-Codes und Skripte anpassen wollen oder Treiber programmieren. Der Stundensatz liegt bei 160 Mark und wird monatlich abgerechnet. Falls gewünscht kommt Delix auch zum Anwender.

Leider haben die Hersteller Red Hat, Caldera und Pacific Hitech hierzulande keine Filialen, so daß sich Kunden bei Problemen an hiesige Vertriebspartner oder eine Hotline aus Übersee wenden müssen. Der einzige deutsche Caldera-Partner Linuxland bietet zwar die Software zum Verkauf an, verweist jedoch auf die Web-Site des Herstellers, wenn jemand mehr als eine Starthilfe beansprucht. Red Hat kann bei mehreren Anbietern bezogen werden, ID-Pro hat sogar die Wartungsverträge des Amerikaners "Standard", "Gold" und "Gold mit Login-Option" im Programm. Probleme mit Slackware und Turbo Linux kann der Benutzer nur über E-Mails und Mailinglisten lösen, oder durch einen Anruf beim nächsten Systemhaus. Weil der Marktanteil der Plattformen in Deutschland jedoch vergleichsweise gering ist, haben die meisten Anbieter die Distributionen aus ihrem Supportangebot gestrichen. Auch zur Debian-Variante finden Anwender, die sich nicht an Integratoren wenden wollen, lediglich Online-Unterstützung auf der Web-Site des Pakets.

Man lernt nie aus

Ein Pluspunkt der Freeware-Plattform besteht in ihrer Offenheit. Anwender haben Zutritt zu den Quelltexten des Grundsystems und aller GPL-Applikationen. Und somit gilt eine sehr einfache Regel: Je mehr der Benutzer über Linux weiß, desto mehr kann er sich selbst helfen. Auch wenn ein Unternehmen die Installation und die Adminsitration eines Netzwerks in fremde Hände gibt, kann es und sollte es auch auf lange Sicht selbst Regie führen und das eigene IT-Team mit der Wartung betrauen. (kpl)