Paul S. Otellini ist auf Abschiedstournee. Der Präsident und Chief Executive Officer (CEO) von Intel wird im Mai 2013 zurücktreten - nach einer fast 40-jährigen Karriere beim weltweit größten Halbleiterhersteller. Die Präsentation der Geschäftszahlen für 2012 im Januar war einer der letzten Auftritte von Otellini vor großem Publikum, und nicht unbedingt einer, der ihm viel Freude bereitet haben dürfte. Intel wies für 2012 einen Umsatz von 53,3 Milliarden Dollar aus – 1,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Nettogewinn sank um satte 15 Prozent von 12,9 Milliarden Dollar auf 11 Milliarden Dollar.
Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2013 fort. Im Vergleich zum Zeitraum des Vorjahres ging der Umsatz um 3 Prozent von 12,9 auf 12,6 Milliarden Dollar zurück. Vor allem die PC Client Group, die Komponenten für PCs, Notebooks und Smartphones herstellt, musste Federn lassen. Sie landete bei 8 Milliarden Dollar und büßte somit 6 Prozent des Umsatzes ein. Dagegen schlug sich die Data Center Group wacker und konnte den Umsatz im Vergleich zu 2012 um 7,5 Prozent auf 2,6 Milliarden Dollar erhöhen. Der Nettogewinn von Intel sank im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vorjahr allerdings um 25 Prozent auf 2 Milliarden Dollar. Immer noch kein wirklich schlechtes Resultat. Dennoch hat diese Entwicklung maßgeblich dazu beigetragen, dass Otellini seinen Stuhl beim erfolgsverwöhnten IT- und Halbleiterunternehmen räumen muss.
Über einen Nachfolger wird derzeit heftig spekuliert. Angeblich sei Intel dieses Mal sogar bereit, einen Manager von außen zu holen, heißt es aus "gut unterrichteten Kreisen". Damit würde der Konzern mit der Tradition brechen, Leute aus dem eigenem Haus auf den Chefsessel zu befördern. Unter Analysten, IT-Fachleuten und Aktienexperten ist mittlerweile eine heftige Debatte darüber entbrannt, inwieweit Intel in einer Krise steckt oder derzeit nur eine Formschwäche zeigt. Wie erfolgreich Intel in den kommenden Jahren agieren wird, hängt maßgeblich von der Strategie des Unternehmens in folgenden Bereichen ab:
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der Entwicklung in den Bereichen PCs und Notebooks
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der Akzeptanz von Ultrabooks,
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der Aufholjagd bei Komponenten für hoch mobile Geräte wie Tablets und Smartphones sowie
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dem Data-Center-Markt, inklusive Server-Systemen, Netzwerkkomponenten und Trends wie Big Data, Hadoop und Cloud Computing.
Faktor 1: Der PC- und Notebook-Markt
Eine Entwicklung, die Intel bereits seit einigen Monaten zu schaffen macht, ist die schwache Nachfrage nach PCs und damit verbunden nach Prozessoren und Chipsets. Nach Angaben der Marktforschungsfirma Gartner sank der weltweite Absatz von PCs im ersten Quartal 2013 um 11,2 Prozent auf 79,2 Millionen Systeme. "Es war das vierte Quartal in Folge, in dem es zu einem Rückgang kam", sagt Mikako Kitagawa, Principal Analyst bei Gartner. Der Grund: "Im Consumer-Bereich schwenken Anwender vom PC zu anderen Endgeräten über, etwa Tablets und Smartphones", so Kitagawa. Allerdings erwartet Gartner weiterhin ein Wachstum bei PCs, die in Unternehmen eingesetzt werden. Die Hälfte der verkauften Desktop-Rechner entfällt auf dieses Marktsegment. "Obwohl in einigen Regionen der Austausch von älteren Arbeitsplatzsystemen gegen neue PCs bereits weitgehend abgeschlossen ist, wird der Absatz von PCs im professionellen Bereich weiter zunehmen", so der Analyst.
Gartners Mitbewerber IDC kommt zu vergleichbaren Resultaten. Auch der Start von Windows 8 habe keinerlei positiven Effekt hervorgerufen, im Gegenteil: "Es scheint nun klar zu sein, dass Windows 8 zur Abschwächung der Nachfrage nach PCs beigetragen hat", kommentiert Bob O'Donnell, Program Vice President Clients and Displays bei IDC. Vor allem die radikale Ausrichtung der Benutzeroberfläche auf die Bedienung mittels Touch Screen habe viele Nutzer verärgert. Dadurch hätten PCs im Vergleich zu Tablet-Rechnern an Attraktivität verloren.
Die sinkende Nachfrage nach Desktop-Rechnern und auch Prozessoren der Core-i3, -i5- und -i7-Reihe hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das Ergebnis der PC Client Group von Intel im Geschäftsjahr 2012 mit 34,3 Milliarden Dollar um 3 Prozent niedriger ausfiel als 2011.
Weniger PCs – dafür mehr Notebooks
Dass weniger Chips für Desktop-Rechner benötigt werden, ist eine Entwicklung, die nicht mehr umzukehren sein dürfte. Dafür steigt die Nachfrage nach mobilen Rechnern. Das gilt auch für Notebooks, die fälschlicherweise ebenso wie PCs von einigen Marktexperten zum "alten Eisen" gezählt werden. Laut einer Studie, die die Beratungsgesellschaft Deloitte Anfang 2013 veröffentlichte, erfreuen sich Notebook-Rechner respektive Laptops nach wie vor großer Beliebtheit, auch bei der jüngeren, vermeintlich ausschließlich Tablet- und Smartphone-affinen Generation.
So verfügen inzwischen 27 Prozent der Haushalte in Deutschland über einen Tablet-Rechner; bei Nutzern im Alter zwischen 30 und Mitte 40 sind es sogar 36 Prozent. Dennoch ist laut Deloitte für 79 Prozent der Anwender, die sowohl ein Tablet als auch ein Notebook besitzen, das Notebook deutlich wichtiger. Auch im Vergleich mit Smartphones schneidet das klassische Notebook gut ab: für 57 Prozent der Befragten ist es das wichtigste Kommunikationsgerät. "Das Manko von Tablets ist, dass ihre Konkurrenten Smartphone und Notebook über mehr und exklusivere Produkteigenschaften verfügen", sagt Dr. Andreas Gentner, Partner und Leiter des Bereichs TMT EMEA bei Deloitte. Tablets seien als Ergänzung von Smartphones und Notebooks in bestimmten Einsatzbereichen sinnvoll, müssten sich diesen Generalisten jedoch in den meisten Fällen geschlagen geben.
Für Intel bedeutet dies, dass Notebooks, die mit den mobilen Versionen der Core-i-CPUs sowie HD-Grafik- und Kommunikationschips ausgestattet sind, zumindest einen Teil der Einbrüche im PC-Geschäft kompensieren können. Und nach den bereits überzeugenden "Ivy Bridge"-CPUs sollen die neuen "Haswell"-Prozessoren für Notebooks und Ultrabooks noch mehr Mobilität ermöglichen. Sie benötigten so wenig Strom, dass der Nutzer eines Ultrabooks einen Tag lang arbeiten kann, ohne den Akku aufladen zu müssen, wirbt Intel.
Faktor 2: Ultrabooks: Noch eher Flop als Top
Doch auch bei hoch mobilen Rechnern wie den von Intel konzipierten Ultrabooks ist nicht alles Gold, was glänzt. Intel hat für diesen Typus hochwertiger Mobilsysteme "Blaupausen" entwickelt, die die technischen Spezifikationen und den Preisrahmen vorgeben. Doch die Hoffnungen, die Intel in Ultrabooks setzte, haben sich zumindest 2012 nicht erfüllt. So ging das Marktforschungsunternehmen IHS Suppli noch Anfang vergangenen Jahres davon aus, dass 2012 weltweit an die 22 Millionen Ultrabooks verkauft würden. Die "Ultras" sollten Ende 2012 knapp 40 Prozent des gesamten Notebook-Markts ausmachen. Doch bis Ende des dritten Quartals 2012 reduzierten die Marktexperten ihre Prognose auf rund 10 Millionen verkaufte Systeme.
Christian Lamprechter, seit 2011 Country Manager Deutschland und Österreich bei Intel, sieht das zumindest für den deutschen Markt anders: "Der Fachhandel und insbesondere die E-Tailer verzeichneten 2012 eine sehr starke Nachfrage nach Ultrabooks. Im Vergleich zu 2011 ist der Absatz um das 18-fache gestiegen." Allerdings sagt das nichts über die verkauften Stückzahlen aus.
Für 2013 steht nun die dritte Generation von Ultrabooks an. Sie ist mit Core-i-CPUs der "Haswell"-Reihe ausgestattet. Intel fertigt diese Prozessoren in einem 22-Nanometer-Prozess. Die Haswell-SoCs (System on Chip) für Ultrabooks weisen einen TDP-Wert (Thermal Design Power) von 13,5 bis 15 Watt auf. Hinzu kommt ein optimiertes Energiemanagement-System, das den Strombedarf im Vergleich zu den Ivy-Bridge-Prozessoren des Jahres 2011 um 50 Prozent verringern soll. "Damit nähern wir uns dem Ziel, dem Nutzer ein 'Ganztages-Computing-Erlebnis' zu bieten", so Lamprechter. Das heißt: Der Nutzer kann mit einer Akku-Ladung einen mobilen Rechner einen ganzen Tag lang verwenden.
Erfolgreiche Strategie: Blaupausen für Hersteller
Die Anlaufprobleme der Ultrabooks sind weniger auf die Technik sondern eher auf zu hohe Preise und ein unglückliches Timing zurückzuführen. Intel und seine Partner brachten die ersten Ultrabooks vor zweieinhalb Jahren auf den Markt und orientierten sich allzu sehr am Vorbild Apple und dessen sündteurem MacBook Air. Das Resultat: Geräte mit einem Preis von unter 1.000 Euro blieben Mangelware. Dies war ein Grund, weshalb Anwender verstärkt zu einem Tablet-Rechner griffen und sich als "Arbeitspferd" ein preisgünstiges Notebook leisteten. Mit der jetzt anstehenden neuen Generation von Ultrabooks kann sich das ändern. Nun will Intel verstärkt darauf hinarbeiten, dass Hersteller Systeme im Mittelklassebereich um die 400 bis 700 Euro anbieten – ein Konzept, das aufgehen könnte.
"Ein geschickter Schachzug von Intel war, Blaupausen mit den technischen Spezifikationen für Ultrabooks zu entwickeln und den Herstellern an die Hand zu geben", sagt Giorgio Nebuloni, Research Manager European Systems and Infrastructure Solutions beim Marktforschungsunternehmen IDC. "Allerdings wurde er durch die zu hohen Preise für die Geräte torpediert. Jetzt ist eine Mixtur unterschiedlicher Systemtypen zu erwarten", so Nebuloni weiter. "Die Grenzen zwischen Notebook, Ultrabook und Tablet verschwimmen zusehends, weil immer mehr mobile Rechner mit Touchscreens ausgestattet sind." Solche "Convertibles" ab etwa 500 bis 600 Euro sind mobile Rechner, die über Touchscreens verfügen und sich als Notebook wie auch als Tablet verwenden lassen.
Auf der CeBIT 2013 zeigte Intel Studien der neuen Ultrabooks, die auf Basis des Referenzdesigns "North Cape" entwickelt wurden. Sie verfügen über ein Display, das der Nutzer vom Rechner-Body abnehmen und als Tablet verwenden kann. Die Systeme liefen folgerichtig unter Windows 8.
Faktor 3: Tablet- und Smartphone-Markt
Anfang 2013 machte die Nachricht Schlagzeilen, dass Qualcomm, ein Hersteller von ICs (integrierte Schaltkreise) für mobile Systeme wie Smartphones und Tablets, erstmals eine höhere Marktkapitalisierung aufwies als Intel. Die Prozessoren der "Snapdragon"-Linie auf Basis der ARM-Architektur von Qualcomm, nach Angaben der Markforschungsfirma IHS iSuppli derzeit die Nummer drei der umsatzstärksten Halbleiterhersteller, sind unter anderem in den Android-Tablets von Sony (Xperia Tablet Z), Samsung (Galaxy Tab 2) und Lenovo (Ideatab S2110) im Einsatz, zudem im Dell XPS 10 (Windows 8 RT). Ähnlich sieht es bei Smartphones aus. Zu den Kunden von Qualcomm zählt die Crème de la Crème der Herstellerschar, unter anderem Samsung, HTC, LG, Sony und Nokia.
Der Erfolg von Qualcomm ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass Intel die Bedeutung beider Marktsegmente, Tablet wie Smartphone, zu spät erkannt hat. Dazu trugen zwei Faktoren bei: Die Fokussierung auf den Notebook- und Ultrabook-Bereich, als der Tablet-Boom Mitte 2010 begann, und das zu lange Festhalten am Netbook-Konzept. Die Folge ist, dass derzeit ARM-basierte Designs das Maß der Dinge bei Smartphones sind. Samsung setzt in seinem neuen Flaggschiff Galaxy S4 beispielsweise mit dem Exynos 5 Octa einen Achtkern-Prozessor auf Grundlage des ARM Cortex A7 und A15 ein. Smartphones mit "Intel Inside" sind dagegen rar. Auf der Website des Herstellers waren Mitte April zehn Modelle aufgeführt, etwa von Motorola, Asus, Acer, ZTE und Lenovo. Bei der Mehrzahl handelt es sich um preisgünstige Einstiegsmodelle.
Vorteil: Strukturbreiten von 22 nm und 14 nm
Allerding hat Intel den Kampf um den Tablet- und Smartphone-Markt aufgenommen, wenn auch mit gehöriger Verspätung. Eine zentrale Rolle spielen dabei die neuen Atom-SoCs der Reihe "Bay Trail" mit vier Rechenkernen. Sie sollen rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt kommen und in Tablets verbaut werden, unter anderem in Systemen von Acer, Asus, Dell, HP, Lenovo und Samsung.. In Tablets und speziellen Ultrabook-Modellen sollen zudem Haswell-SoCs mit einem TDP-Wert von 10 Watt zum Zuge kommen.
Atom-Prozessoren unterschiedlicher Aufprägung werden dagegen in Smartphones Einzug halten. Denkbar ist eine Art Arbeitsteilung: Endgeräte, die mehr als 4 W Strom benötigen dürfen, werden mit SoCs der Haswell-Reihe bestückt. Hoch mobile Systeme wie Mobiltelefone, deren Strombedarf niedriger als 4 Watt sein sollte, erhalten Atom-Komponenten.
Was Intel allerdings speziell im Smartphone-Bereich noch fehlt, ist ein hochkarätiger "Design Win", also ein Hersteller, der eines seiner Top-Modelle mit einem Atom-SoC bestückt. Das könnte sich jedoch 2014 ändern. Der Grund: Intel will noch in diesem Jahr beginnen, einen Teil der CPU- und SoC-Fertigung auf einen 14-nm-Fertigungprozess umzustellen. Das bedeutete niedrigere Chip-Strukturbreiten und einen geringeren Strombedarf. Andere Hersteller wie Samsung oder andere Auftragsfertiger von ICs sind noch weit vom 14-nm-Prozess entfernt. Wenn Intel diesen technologischen Vorteil konsequent ausspielt, hat das Unternehmen gute Chancen, seinen Spätstart bei Komponenten für Tablets und Smartphones in den kommenden zwei Jahren wettzumachen.
Faktor 4: Das Rechenzentrum
Zu den positiven Überraschungen im Geschäftsjahr 2012 zählt, dass Intels Data Center Group ein Umsatzplus von 6 Prozent erzielte und mehr als 10 Milliarden Dollar zum Gesamtumsatz beitrug. Ein Grund dafür ist die unangefochtene Spitzenposition im Server-Bereich. Etwa 80 Prozent der weltweit verkauften Server-Systeme nutzen laut IDC Prozessoren von Intel. Daran dürfte sich angesichts der Schwäche von AMD nichts ändern.
Hinzu kommt, dass Windows Server 2012 gerade für mittelständische Unternehmen an Attraktivität gewonnen hat. Das Betriebssystem stellt beispielsweise mit Hyper-V einen kostenlosen Hypervisor zur Verfügung. Mit DirectAccess ist zudem eine einfach handzuhabende Alternative zu virtuellen privaten Netzen (VPN) an Bord. Somit sind Windows-Server auf Basis von Intel-Prozessoren eine sichere Wahl für viele Anwender.
Allerdings könnte sich gerade der steigende Virtualisierungsgrad für Intel als problematisch erweisen. Nach Angaben von IDC sind in Westeuropa derzeit rund 25 Prozent aller Server in Form einer Virtual Machine (VM) implementiert. In den kommenden drei Jahren dürfte sich dieser Anteil auf etwa 75 Prozent erhöhen. Das bedeutet, dass Unternehmen weniger physische Server-Systeme benötigen. Dennoch kommt diese Entwicklung Intel letztlich zugute. "Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen in Deutschland sind derzeit dabei, eigene, kleine Rechenzentren aufzubauen oder vorhandene Server- und Storage-Systeme zu modernisieren", sagt Christian Lamprechter. Die Kombination aus Servern mit Intel-Prozessoren und Windows dürfte dabei in den meisten Fällen das Rennen machen.
Gut aufgestellt bei Micro-Servern
Viel Aufhebens wird derzeit um Micro-Server gemacht. Solche Systeme sind statt mit Intel-Xeon-, AMD-Opteron- oder IBM-PowerPC-Prozessoren mit stromsparenden CPUs der Reihe ARM oder Intel Atom ausgestattet. Nach Angaben der Marktforschungsgesellschaft IHS iSuppli werden 2014 weltweit rund 500.000 Micro-Server einen Abnehmer finden. Für das Jahr 2016 prognostizieren die Marktforscher einen Absatz von rund 1,2 Millionen Server-Systemen dieser Kategorie. Das entspricht etwa 10 Prozent des Server-Marktes.
Kurz vor Weihnachten 2012 hat Intel den weltweit ersten 6-Watt-Prozessor für Server vorgestellt. Micro-Server, Speicher- und Netzwerklösungen verschiedener Hersteller auf Basis der neuen 64-Bit-Prozessorfamilie Intel Atom S1200 sind bereits angekündigt. Im Laufe des Jahres will Intel zudem die nächste Generation von energieeffizienten Atom-Prozessoren für Micro-Server mit dem Codenamen "Avoton" auf den Markt bringen. Avoton bietet erweiterte SoC-Funktionen (System on Chip) und wird mit 3D-Tri-Gate-Transistoren im 22-nm-Fertigungsprozess hergestellt.
Das macht deutlich, dass Intel dem Konkurrenten ARM den Bereich Einstiegsserver für Web-Anwendungen, E-Mail und weitere Standardfunktionen nicht kampflos überlassen möchte. "Intel hat den Vorteil, dass es bereits jetzt über eine einsatztaugliche Micro-Server-Plattform verfügt", sagt IDC-Experte Nebuloni. HP hat denn auch im April einen Micro-Server der Moonshot-Reihe mit einem Atom-1200-Prozessor vorgestellt. Er soll rund 77 Prozent weniger kosten als ein x86-System und 89 Prozent weniger Strom verbrauchen. Eine Version mit ARM-Prozessoren soll erst später folgen.
Alltagstaugliche ARM-Server erst 2014
Praxistaugliche Micro-Server auf Basis der ARM-Architektur erwartet Nebuloni erst Anfang 2014: "Erst dann werden 64-Bit-ARM-Systeme in größeren Zahlen zur Verfügung stehen." Intels Centerton-Atom-Architektur ist bereits jetzt für 64 Bit ausgelegt. Tests von HP mit Moonshot-Prototypen, die mit Intel- und ARM-Prozessoren ausgestattet waren, haben zudem relativ geringe Unterschiede bezüglich der Performance pro Watt ergeben.
Allerdings werden laut Giorgio Nebuloni Server-Hersteller wie HP und Dell dennoch Micro-Server auf Basis von ARM entwickeln und vermarkten – alleine deshalb, um den Druck auf Intel zu erhöhen und zu verhindern, dass der Hersteller eine Hochpreispolitik bei Atom-Servern verfolgt. "Schließlich ist davon auszugehen, dass Micro-Server mit Stromspar-Prozessoren wie dem ARM oder Atom einen Teil von Intels Geschäfts mit Xeon-Prozessoren kannibalisieren", so Nebuloni.
Data-Center-Infrastruktur wird für Intel wichtiger
Angesichts des Wirbels um neue Xeon-Server-Prozessoren und der Debatte um ARM versus Atom wird häufig ein Bereich übersehen, in dem Intel seine Präsenz in den vergangenen Jahren sukzessive ausgebaut hat: Komponenten für Rechenzentren. So stellte Intel Anfang des Jahres eine eigene Version des Big-Data-Frameworks Apache Hadoop vor. Die "Intel Distribution for Apache Hadoop" ist in erster Line auf Xeon-CPUs zugeschnitten. Mithilfe des Frameworks können Anwender große Datenmengen innerhalb kurzer Zeit analysieren, laut Intel bis zu 1 TByte in sieben Minuten. "Wir wollen mit dem Framework dazu beitragen, dass Unternehmen ihr 'Datenproblem' lösen können", sagt Alan Priestley, Strategic Marketing Manager EMEA bei Intel. Laut Priestley werden Unternehmen im ersten Schritt auf Private-Cloud-Umgebungen setzen, wenn sie mithilfe von Hadoop Big-Data-Analysen vornehmen.
Das kommt nicht nur klassischen Anbietern von Rechenzentrumsausrüstung zugute. Auch Intel wird vom Revival des Data-Centers profitieren. Auf dem Intel Developer Forum in Peking gab Diane Bryant, Chefin der Datacenter and Connected Systems Group von Intel, einen Einblick in die Pläne des Unternehmens. Ähnlich wie bei Ultrabooks will Intel demnach Referenzdesigns für Rack-Scale-Architekturen in Rechenzentren entwickeln, die – natürlich – auf Produkten des Herstellers aufsetzen. Dies sind nicht nur Server-Komponenten. Durch den Zukauf von Unternehmen wie Fulcrum (ICs für 10- und 40-GBit/s-Switches) oder der Infiniband-Sparte von Qlogic hat Intel Know-how in Bereichen erworben, die Kernkomponenten eines Data-Centers tangieren. In der angesprochenen Blaupause einer modularen Rack-Lösung fließen diese Technologien zusammen.
Eine neue Offensive im Netzwerk-Geschäft startete Intel erst Mitte April auf dem Open Networking Summit. Mit der Vorstellung einer eigenen SDN-Plattform (Software Defined Networking) auf Basis von x86-Server-Technik greift der Halbleiterkonzern etablierte Netz-Player wie Cisco frontal an. Eigenen Angaben zufolge will Intel nicht nur in Sachen SDN mitmischen, sondern auch bei der Virtualisierung von Netzfunktionen unter dem Schlagwort "Network Function Virtualization" (NFV).
Das smarte TV von Intel
Ausflüge von IT-Firmen in Richtung TV sind gar nicht so selten anzutreffen. Man denke an Apple TV oder die Systemkomponenten von Cisco Systems für Kabel-TV-Netze. Auch Intel setzt offenkundig auf ein "intelligentes" TV-Angebot, das über eine eigene Set-Top-Box des Unternehmens bereitgestellt wird. Der Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg will erfahren haben, dass Intel bereits kurz vor einem Abschluss von Verträgen mit Content-Anbietern steht. Darunter sollen sich auch Branchenriesen wie Time Warner, NBC Universal und Viacom befinden. Verhandlungen laufen angeblich zudem mit Disney und CBS. Die Leitung des Bereichs Intel Media hat Erik Huggers übernommen, der von der BBC kommt.
Hersteller von Gateways und Set-Top-Boxen für Kabel-TV-Anbieter zählen bereits seit längerer Zeit zu Intels Kunden. In solchen Systemen kommen beispielsweise Atom-Prozessoren und Thunderbolt-Schnittstellen zum Einsatz. Nun liebäugelt der Hersteller offenkundig mit dem Einstieg ins Internet-TV-Geschäft. Der Content, sprich Live-Sendungen und "Konserven", sollen von Servern über Internet-Verbindungen zu einer Set-Top-Box in der Wohnung des Nutzers gestreamt werden. Die Set-Top-Systeme sind mit Intel-Atom-SoC-Modulen (System on Chip) ausgerüstet, verfügen über ein eigenes Betriebssystem und bieten Zugang zu weiteren Online-Services. Details zu diesen Diensten sind noch nicht bekannt.
Weshalb sich Intel ausgerechnet auf das Glatteis "TV" begibt, wird kontrovers diskutiert. Tatsache ist, dass entgegen allen früheren Prognosen Internet-basierte TV-Dienste immer noch in den Kinderschuhen stecken. In vielen Ländern, etwa in Europa, hängt dies mit der Hinhaltetaktik ehemaliger Monopolisten im Telekommunikationsbereich wie der Telekom, BT oder France Télécom zusammen. Intel versucht offenkundig, in diesen festgefahrenen Bereich frischen Wind zu bringen und gleichzeitig ein neues Geschäftsfeld aufzubauen, das noch nicht mit starken Konkurrenten gespickt ist wie etwa der Tablet- und Smartphone-Markt.
Intel kommt dabei sein Know-how aus dem Halbleiter-Sektor zugute, also mit Prozessoren und Interface-Chips. Weniger gut ist es um die Erfahrungen des Unternehmens mit dem Programmieren von User-Interfaces für Konsumgeräte bestellt. Die Kooperation mit einem erfahrenen Partner wie Apple oder Google hätte Intel daher gut getan.
Sicherheitstechnologie von McAfee für Intel-Chips und die Cloud
Als Intel im Jahr 2010 das weltweit zweitgrößte IT-Sicherheitsunternehmen McAfee für 7,68 Milliarden Dollar kaufte, fragten sich etliche IT-Fachleute, was Intel mit dieser Transaktion bezwecken würde. Mittlerweile gibt es darauf Antworten. Zum einen hat Intel die Sicherheitssoftware von McAfee in Chips integriert, die in PCs und Server-Systemen eingesetzt werden. Diese "Deep Safe"-Technologie soll Schadsoftware aller Art, inklusive Root-Kits, bereits auf der Hardware-Ebene blockieren. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Malware bis zum Betriebssystem oder zu Anwendungen durchdringt.
Im vergangenen Jahr gab Renée James, Leiterin der Software and Services Group von Intel, bekannt, dass die Sicherheitstechnik von McAfee speziell beim Schutz von mobilen Endgeräten zum Zuge kommen soll. Zu den Funktionen zählt unter anderem ein White-Listing, das den Zugriff auf potenziell gefährlichen Content verhindert, etwa von Spam-Versendern oder auf Inhalte von dubiosen Web-Seiten. Der Schutz auf Hardware-Ebene steht nur Endgeräten mit Prozessoren von Intel zur Verfügung. Daneben bietet McAfee Produkte an, die auch mit CPUs anderer Hersteller zusammenarbeiten, etwa für Android-Mobilgeräte mit ARM-Prozessoren.
McAfees Technologie kommt zusammen mit Produkten von Nordic Edge und Sarvega, die ebenfalls von Intel übernommen wurden, in einem weiteren Bereich zum Zuge: Cloud Computing und Virtualisierung. Während Deep Safe beim Booten von Servern verhindert, dass Root-Kits aktiv werden, ist Intels Trusted Execution Technology (Intel TXT) speziell für die Absicherung von Hypervisors ausgelegt. Sie analysiert das System-BIOS und den Hypervisor, bevor eine Virtualisierungssoftware startet. Dadurch werden Malware-Aktivitäten im Vorfeld unterbunden.
Drittes Element der Sicherheitslösung für Cloud-Computing-Umgebungen, Server und (mobile) Endgeräte ist eine Authentifizierung auf Basis von Einmal-Passwörtern und Single-Sign-on-Verfahren. Die Technik stammt von Nordic Edge. Sie soll insbesondere den Zugang zu Software-as-a-Service-Cloud-Angeboten einfacher und sicherer machen. Ob sich die fast 8 Milliarden Dollar für McAfee letztlich gelohnt haben, wird sich jedoch erst zeigen müssen. Bislang kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Intel vergleichbare Technologien zu einem günstigeren Preis bekommen hätte, etwa durch Kooperationen oder den Zukunft kleiner spezialisierter Anbieter.
Fazit: Agieren – nicht reagieren
Die aktuelle Kritik an Intel ist überzogen, auch wenn das Unternehmen Fehler begangen hat. Der größte bestand darin, zu lange auf den Desktop-PC zu setzen und den Bereich mobile Endgeräte zu vernachlässigen. Intel hat das Geld und die Technologie, etwa im Bereich IC-Fertigung, um diese Scharte auszuwetzen. Allerdings sollte das Unternehmen nicht allzu verbissen den ARMs, Qualcomms oder Samsungs dieser Welt hinterher jagen. Schließlich gibt es Marktsegmente, in denen diese Firmen – noch – wenig zu bieten haben, etwa im Rechenzentrum und in der Netzwerktechnik. Gerade diese Bereiche werden an Bedeutung gewinnen, etwa durch Cloud Computing, Big Data und das Bearbeiten von Daten, die von intelligenten "Devices" aller Art bereitgestellt werden – vom Auto bis hin zum Home-Automation-System.
Als problematisch könnten sich für Intel auf mittlere Sicht mehrere Dinge erweisen. Da sind zum einen die hohen Kosten, die mit der Halbleiterfertigung verbunden sind. Hier gilt es abzuwägen, ob Intel nicht einen Teil der Aufwendungen mithilfe von Auftragsfertigung für andere Unternehmen wieder hereinholen kann. Erste Ansätze gibt es bereits, etwa ein Abkommen mit Altera, das Intel mit Field-Programmable Gate Arrays (FPGA) beliefern wird. Zum anderen sollte Intel nicht zu lange abwarten, wenn es darum geht, neue Marktchancen zu nutzen. Dies ist übrigens ein Schwachpunkt, den auch der ehemalige AMD-Chefs Hector Ruiz an seinem ehemaligen Erzrivalen kritisiert. Intel hat sehr wohl das Potenzial, neue Marktsegmente zu besetzen. Man denke an Bereiche wie das "Internet der Dinge" und den Embedded-Systems-Sektor. Hier steht die Entwicklung noch am Anfang. Intel hat gute Chancen, am Boom in diesem Bereich zu partizipieren. (wh)
"Auch der Mittelstand richtet Data Center ein", Kurzinterview mit Christian Lamprechter, Country Manager von Intel Deutschland und Österreich
Welche Trends im Bereich IT sieht Intel speziell in Deutschland?
Christian Lamprechter: Ein wichtiges Thema ist, dass mittelständische Firmen in IT-Ausrüstung investieren. Das sind Erfahrungswerte unserer Vertriebspartner. Allen Diskussionen über Cloud Computing zum Trotz richten Mittelständler Rechenzentren ein. Oft handelt es sich dabei um kleinere Data-Center. Zudem integrieren Unternehmen verstärkt ihre Client-Systeme in die IT-Infrastruktur, etwa mithilfe von Intels vPro-Technik.
Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Nutzung private Endgeräte in deutschen Firmen? Und bevorzugen Anwender dabei eher Systeme wie Smartphones und Tablets statt Notebooks?
Lamprechter: Nach unseren Erfahrungen wollen die IT-Abteilungen nicht, dass die IT-Infrastruktur durch Bring Your Own Device komplexer wird. Zudem spielen Faktoren wie Sicherheit und Kosten, etwa durch den Support unterschiedlicher Plattformen, eine große Rolle. Intel sieht sich daher gut aufgestellt, weil wir mit dem Ultrabook eine kompakte und leistungsfähige Systemplattform entwickelt haben, die dennoch portabel ist und sich zudem zentral verwalten lässt. Das ist in einer heterogenen IT-Umgebung sehr viel aufwändiger.
Welche Rolle spielt Cloud Computing in Deutschland und wie positioniert sich Intel in diesem Bereich?
Lamprechter: Wir sehen in Deutschland gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen einen wachsenden Bedarf an Hosting-Services, inklusive Cloud-basierten Services. Anwender wollen nicht nur Server und Storage-Kapazitäten mieten, sondern auch Netzwerkkomponenten wie Gigabit- oder 10- und 40-Gigabit-Ethernet-Systeme sowie schnelle Speichersysteme auf Basis von Solid State Drives (SSDs). Alle diese Komponenten zählen zu Intels Produktportfolio. Insofern kommt uns diese Entwicklung natürlich entgegen.