Heimcomputer-Emulatoren

Amiga, C64 und Co. auf dem Mac verwenden

03.03.2016 von Christian Rentrop
Die goldenen Zeiten des Heimcomputers liegen mehr als ein Vierteljahrhundert zurück. Trotzdem gelten Amiga, C64 und Co. Ikonen der Computertechnik. Mit Heimcomputer-Emulatoren können Sie in nostalgischen Gefühlen schwelgen – und die alten Computer wieder zum Leben erwecken.

Für viele heutige Macuser war der erste Computer war ein C64 oder Amiga von Commodore oder ein Atari ST. Damals sprach niemand von 3D-Grafik, Gigahertz und Gigabyte: Der 1987 erschienene Amiga 500, damals Preis-Leistungswunder seiner Zeit, kam mit 7,09 MHz – man gab damals noch die Nachkommastellen an – und in der Basisversion 512 Kilobyte RAM aus. Der 1982 erschienene C64 als sein Vorgänger war noch schwachbrüstiger: Gerade einmal mit einem Megahertz taktete der aufgrund seines Erfolgs immerhin bis 1994 gebaute Rechenknecht, der Arbeitsspeicher betrug lächerliche 64 Kilobyte und von Festplatten oder gar SSDs sprach damals auch niemand, gespeichert wurde auf Disketten.

Heimcomputer sorgen für Nostalgie

Trotz dieser aus heutiger Sicht lausigen Leistungsdaten – selbst der erste iPod vom Oktober 2001 besaß deutlich mehr Rechenleistung und Arbeitsspeicher – ließ sich mit beiden Systemen erstaunlich viel anstellen. Im Kinder und Jugendzimmer oft nur als bessere Spielekonsole missbraucht, wurden Heimcomputer aufgrund ihrer speziellen, damaligen PCs deutlich überlegenen Konstruktion beliebte Spielzeuge für Musiker und Grafiker. Insbesondere die Amiga und Atari ST waren die Multimediakisten ihrer Zeit: Während die Grafik-Fraktion Amiga oder Mac bevorzugte, griffen Musiker aufgrund des integrierten Yamaha-Synthesizers gerne zum Atari, die drei Systeme galten als ewige Konkurrenten wie heute Mac und PC, ohne sich technisch all zu sehr zu unterscheiden. PCs gab es damals natürlich auch, aber die Nutzer dieser Kisten mussten sich mit MS-DOS herumquälen, während die Heimcomputer der 2. Generation seit 1985 schon allesamt über grafische Benutzeroberflächen und Maus verfügten. Doch egal, welches Gerät man damals hatte: Heute ist es schwer, noch funktionierende Hardware aufzutreiben, um sich in nostalgischen Gefühlen bei einem Spielchen oder der Arbeit mit einem der damals heiß geliebten Anwendungsprogrammen treiben zu lassen. Und selbst wenn, ist die Anschaffung nicht selten mit Kosten und Mühen verbunden, verbrauchen Strom, Platz und Zeit. Zum Glück geht es auch einfacher.

Emulatoren holen alte Technik auf aktuelle Macs

Genau wie schon bei den alten Spielekonsolen lösen Emulatoren dieses Problem auf elegante Weise: Sie bringen die alten Heimcomputer-Systeme auf den Mac und erlauben die Ausführung von Anwendungen und Spielen für diese Systeme im Fenster. Anders als die Konsolen-Emulation ist die Emulation von Heimcomputer-Systemen allerdings deutlich aufwändiger: Während Konsolen der 80er und 90er Jahre in der Regel nichts als Mainboards mit Modulsteckplatz, einem einfachen Prozessor, wenig RAM und einem simplen Soundchip waren, boten Heimcomputer seinerzeit bereits ausgesprochen hochspezialisierte Komponenten für die Grafikberechnung und Soundwiedergabe: Der Atari ST mit seinem bereits genannten Yamaha-Midi-Chip ist ein Beispiel, ein anderes das schon 1985 komplexe Chipsatz der Amiga-Rechner mit seinen Chips Paula, Denise und Agnus. Der Amiga hatte sogar noch eine technische Besonderheit: Zwei RAM-Typen, Chip- und Fast-RAM, die unterschiedlich vom System genutzt wurden, dazu einige spezialisierte Bauteile sowie natürlich die Erweiterungsschnittstellen.

Hinzu kommt die oft gegenüber den derzeit in Macs verwendete x86/64x-Architektur von Intel unterschiedliche Prozessortechnik: Der Motorola 68000, der seinerzeit nicht nur in Amigas, sondern auch in 68K-Macs, dem Atari ST und einigen Spielekonsolen wie Segas Mega Drive zum Einsatz kam, war damals bereits ein hochkomplexer Prozessor. Dessen Emulation ist zwar heute – anders als vor wenigen Jahren – unproblematisch, doch durch das Zusammenspiel der verschiedenen emulierten Hardwarekomponenten können selbst aktuelle Macs beim Nachbilden ins Schwitzen kommen, zumal die Abstimmung der einzelnen Komponenten das eigentliche Problem darstellt. Immerhin: Emulatoren gibt es kostenlos für alle alten Systeme und erlauben zahlreiche Einstellungen – insofern ist die Emulation zumindest einfacher Heimcomputer-Systeme für moderne Macs kein Thema mehr.

Zusatzsoftware nur halb legal

In der Praxis stellt die Emulation von Heimcomputer-Systemen Anwender vor ein anderes großes Problem: Ähnlich wie bei Spielen in der Konsolenemulation gibt es essentielle Teile des Systems, die nach wie vor urheberrechtlich geschützt sind, die aber für die Emulation unerlässlich sind. Bei Amiga-Systemen sind das die sogenannten Kickstart-ROMs, bei Ataris die TOS-Files: Dabei handelte es sich um eine im ROM fest installierten Teil des Betriebssystems, vergleichbar mit dem heutigem BIOS bei PCs oder EFI bei Macs. Das stellte die Basisfunktionen des Rechners bereit und ermöglichte erst die Ausführung weiterer Software. Jeder Amiga-User erinnert sich wohl noch an das klickende Geräusch des Diskettenlaufwerks nach dem Einschalten und die Grafik mit der Hand, die eine Diskette hält – das war das Kickstart-Basisbetriebssystem.

Kickstart: Das Basissystem des Amiga

Dieser Teil des Amigas ist essentiell für den Betrieb – und nach wie vor urheberrechtlich geschützt. Wer es benötigt, muss zu einer offiziellen Emulator-Sammlung wie Amiga Forever Plus Edition greifen: Hier sind alle Kickstarts dabei, plus das Amiga-DOS-Betriebssystem in allen Versionen, außerdem eine Reihe von Spielen. Ein Emulator für OS X liegt allerdings nicht bei – aber das ist kein Problem, dafür gibt es ja die Macwelt.

1. Den Amiga auf dem Mac emulieren

Der Amiga-Emulator FS-UAE ist optimal an Mac OS X angepasst und erlaubt den schnellen Start von Spielen und Software.

Der zusammen mit seinem Vorgänger C64 wohl populärste Rechner der goldenen Zeit der Heimcomputer ist Amiga, insbesondere das Modell 500, das mit dem 14-Zoll-Commodore-Farbmonitor A1084 für seinerzeit erstaunlich günstige 1.500 bis 1.700 DM verkauft wurde. Dessen Emulation ist dank inzwischen sehr ausgereifter Software ausgesprochen einfach: Alles, was man braucht, ist, neben Amiga-Software und dem Kickstart-ROM für das gewünschte Amiga-Modell, die Mac-Version des Unix-Amiga-Emulators FS-UAE. Die muss ganz einfach entpackt und in den Programme-Ordner des Macs gezogen werden und ist anschließend installiert. Starten Sie anschließend den „FS-UAE Launcher“: Hier finden Sie rechts eine Auswahl aller Amiga-Modelle, wählen Sie hier einfach zunächst den Amiga 500.

Mit an Bord ist AROS, ein alternatives Kickstart-System für Amiga. Allerdings ist das nur bedingt mit alten Games kompatibel.

Praktisch: Der Emulator kommt bereits mit den alternativen Aros-Kickstart-ROMs, die „nachprogrammiert“ sind. Damit lassen sich alle emulierten Amiga-Modelle „aus der Box“ starten. Dummerweise ist das Aros-ROM nicht wirklich kompatibel: Im Test bekamen wir ein Spiel zum Laufen, weshalb wir allen Amiga-Fans dringend raten, sich die Original-Kickstarts über die Amiga-Forever-DVD oder im Netz zu besorgen. Die müssen in den Ordner ~/Dokumente/FS-UAE/Kickstarts/ kopiert werden. Nach einem Neustart des Emulators werden diese verwendet. Der Amiga 500 besaß Kickstart-ROM 1.2 oder später 1.3, was die wohl kompatibelste Version ist. FS-UAE erkennt automatisch, ob das passende ROM vorliegt und verwendet es.

Spiel einlegen, los geht’s

Diskette einlegen, Amiga starten, fertig: Der Spielspaß kann losgehen.

Zusätzlich braucht der Amiga natürlich Software. Einige der Spielehersteller bieten ihre Klassiker kostenlos und legal als Amiga-Disk-Images (ADF) zum Download an, darunter Gremlin mit Titeln wie Lotus Turbo Challenge und Zool und Factor5 mit Katakis, R-Type oder BC-Kid, Public-Domain- und Shareware-Titel gibt es bei Lemonamiga. Und wer sich über aktuelle Entwicklungen informieren will – ja, auch die gibt es – findet auf AmigaPD.com eine Reihe neu entwickelter Public-Domain-Titel für den klassischen Heimcomputer.

Zahlreiche Optionen erlauben die Anpassung des emulierten Amiga-Systems an die persönlichen Bedürfnisse.

Nach dem Download müssen Sie das Spiele-ZIP entpacken und können die ADF-Datei dann im Emulator in eines der virtuellen Diskettenlaufwerke einlegen. Ein Klick auf „Start“ startet dann das Spiel. Die Mac-Maus wird automatisch übernommen, die Joystick-Steuerung per Tastatur (Cursortasten und rechte ALT-Taste für Feuer) emuliert. Natürlich können Sie auch ein Gamepad oder einen Joystick per USB am Mac anschließen, einrichten und verwenden, um das Retrogaming-Gefühl authentisch zu gestalten, zudem können im Emulator Hardware-Bauteile wie Turbokarten oder Festplatten emuliert werden. Günstige USB-Joysticks und Gamepads gibt es übrigens bei Ebay, diese werden in der Regel vom Mac unterstützt. So steht dem Amiga-Spaß nichts mehr im Wege: Die Emulator-Szene für den Heimcomputer ist aktiv und es gibt nicht wenige Entwickler, die noch für den „echten“ Amiga arbeiten.

2. C64 auf dem Mac verwenden

Ohne ROM-Files geht nichts – die gibt es aber beim Download eines anderen Emulators.

Auch der C64 war seinerzeit ein ausgesprochen populärer Heimcomputer. Seine lange Bauzeit von 12 Jahren bis 1994 beweist, welche Popularität das System seinerzeit besaß. Trotz technischer Daten, für die sich selbst heutige Taschenrechner schämen würden, bescherte der C64 vielen Kindern und Jugendlichen der 80er und 90er Jahre ihre ersten Erfolge mit dem Computer. Möglich war das auch durch die sehr einfache Programmieroberfläche Basic und die unfassbare Zahl von Spielen für dieses System.

Wer erinnert sich nicht gern an den alten C64-Startbildschirm?

Mit dem VirtualC64-Emulator von Dirk Hoffmann gibt es eine deutsche Entwicklung, die den C64 auf moderne Macs bringt, authentisch und ohne lästiges Gefummel in der Kommandozeile. Leider braucht auch der C64 wie auch der Amiga ROM-Dateien, um im Emulator zu arbeiten, und davon gleich vier Stück: Kernal-ROM, Basic-ROM und Char-ROM sowie das VC1541-ROM des Diskettenlaufwerks. Die völlig legal zu erhalten, setzt wie beim Amiga den Kauf eines C64-Emulatorpakets für Windows voraus. Allerdings gibt es Workarounds: Wer den Linux-C64-Emulator Vice herunterlädt, findet in den diversen Unterverzeichnisse des „data“-Verzeichnisses die benötigten ROM-Dateien „basic“, „chargen“ und „kernal“ sowie „d1541II“. Diese können per Drag & Drop in den VirtualC64 gezogen werden, anschließend ist der Emulator einsatzbereit und startet mit dem bekannten C64-Basic-Screen.

Tape oder Diskette?

Spiele werden einfach per Drag & Drop in den Emulator gezogen.

Nun geht es an den Start der Software. Dazu benötigt man wie beim Amiga ein Disk-Image mit der Software, das man im Netz herunterladen kann. Anders als beim Amiga ADF-Dateiformat sind beim C64 auch mehrere Medien beteiligt: Es gab sowohl Disketten, als auch Tapes, die wie klassische Audiokassetten aussahen, erstere werden mit der Dateiendung „TAP“ versehen, Disketten mit „D64“. Außerdem noch eine mit einer Konsole vergleichbare Cartridge-Schnittstelle, auch hierfür gab es Spiele. Dem inzwischen sehr weit entwickelten C64-Emulator für Mac OS X ist das aber relativ egal: Wenn Sie ein Spiel spielen möchten, müssen Sie es einfach auf einer Plattform wie der C64-Gamebase suchen und herunterladen – natürlich müssen auch hier bestehende Copyrights im Auge behalten werden. Anschließend entpacken Sie das ZIP und ziehen das Tape- oder Disk-Image einfach ins Emulator-Fenster. VirtualC64 fragt Sie jetzt, wie vorgegangen werden soll, hier reicht ein Klick auf „Insert Tape“ beziehungsweise „Insert Disk“, schon startet das Spiel.

Allerdings sind die Tape-Ladezeiten auch emuliert aus heutiger Sicht katastrophal.

Der Ladevorgang dauert, gerade bei Tapes, ganz authentisch eine ganze Weile, anschließend kann das Game wie in der guten, alten Zeit verwendet werden. Wenn schnelleres Laden bei Tapes und Disketten gewünscht ist, können Sie im Menü „Hardware setup“ den Punkt „Bit accurate Emulation“ deaktivieren. In der Praxis verdoppelt sich die Geschwindigkeit damit ungefähr. Wer will, dass es schnell geht, sollte trotzdem immer die Datasetten-Images den Tape-Images vorziehen. Natürlich erlaubt auch VirtualC64 die Einbindung eines Joysticks, unterstützt anders als der Amiga-Emulator allerdings ausschließlich den leider vergriffenen Competition Pro USB von Speedlink, für den Sammler inzwischen viel Geld bei Ebay bezahlen. Immerhin: Die Steuerung per Tastatur ist natürlich auch kein Problem, vorbelegt sind die Cursortasten für die Steuerung sowie die Leertaste für „Feuer“.

3. Atari ST auf dem Mac nachbilden

Videospieleklassiker für den Atari ST...

Auch der gute, alte Atari ST lässt sich unter OS X emulieren. Alles, was Sie dazu brauchen, ist der Emulator Hatari in der OS-X-Version. Nach dem Entpacken des ZIP-Archivs müssen Sie das Disk-Image mounten und die Hatari-App in den Programme-Ordner verschieben. Nach dem obligatorischen Doppelklick öffnet sich der Atari-Emulator – so leicht, so einfach. Allerdings benötigt auch der Atari-Emulator ROM-Dateien, sogenannte TOS-Files, vergleichbar mit den Kickstarts des Amiga-Systems.

... erwachen mit Hatari zu neuem Leben.

Ähnlich wie beim Amiga-Emulator ist auch bei Hatari ein nachprogrammieres ROM, ein sogenanntes EmuTOS, vorinstalliert, das mit vielen Spielen auch erstaunlich zuverlässig arbeitet – es besteht also kein Bedarf, das Original-TOS irgendwo zu besorgen. Der Hatari-Emulator ist dabei sehr nervenschonend: Seine Optionen in der grafischen Benutzeroberfläche beschränken sich auf das Einlegen von Disketten, die Erstellung von Memory-Snapshots und den Neustart/Reset. Legt man ein Disk-Image im ST/STX-Format in eines der virtuellen Laufwerke, startet entweder das Spiel beim Boot – oder muss aus der EmuTOS-Oberfläche per Doppelklick gestartet werden. Hierbei erinnert der Emulator erstaunlich an aktuelle Betriebssysteme.

Zahllose Einstellungen für Atari-ST-Fans

Das EmuTOS-Betriebssystem ist beim Emulator dabei Das EmuTOS-Betriebssystem ist beim Emulator dabei und ermöglicht die Ausführung von Spielen und anderen Programmen auf dem Mac.

Zusätzliche Optionen bietet Hatari natürlich auch: Über das Preferences-Menü können zahllose Einstellungen vorgenommen werden, von der Auswahl der TOS-Datei, der CPU und der Arbeitsspeicher-Ausstattung über die Bildschirmauflösung und Soundqualität, ACSI- und IDE-Festplatten bis hin zu Eingabegeräten wie Joystick und Keyboard lassen sich alle technischen Funktionen des alten ST nachbilden.

Die Einstellungen bieten zahlreiche Möglichkeiten, den emulierten Atari ST an die eigenen Wünsche anzupassen.

Und nicht nur das: Wer will, kann sogar virtuelle Peripheriegeräte wie Drucker, einen MIDI-Modulator oder eine serielle Schnittstelle emulieren. Damit ist der Hatari-Emulator besonders leistungsfähig und kann Anwendern, die mehr als ein paar alte Videospiele spielen möchten, durchaus bei der Weiterverwendung des heimischen Atari-Setups helfen – selbst wenn der Originalrechner längst Elektroschrott ist.

(Macwelt/ad)