AMD-Clone: Intel stellt 64-Bit-x86-CPUs vor

18.02.2004 von Christian Vilsbeck
Intel hat auf dem Developer Forum erstmals seine Pläne für x86-Prozessoren mit 64-Bit-Erweiterung bekannt gegeben: Intels Pentium- und Xeon-CPUs werden ab Q2/2004 kompatibel zur AMD64-Architektur.

Prestigesieg für AMD: Branchenprimus Intel übernimmt die 64-Bit-Erweiterungen des Athlon64/Opteron und macht seine Produkte dadurch kompatibel zu den CPUs des Underdogs. Die Spekulationen haben ein Ende, erste Intel-x86-CPUs mit 64-Bit-Erweiterungen sollen schon in den nächsten Monaten erscheinen. Selbst der auf dem Markt befindliche Pentium 4 Prescott enthält bereits die 64-Bit-Erweiterungen, Intel hat sie jedoch noch deaktiviert.

Doch zunächst zur Vorgeschichte: Schon kurz nach der Vorstellung von AMDs AMD64-Architektur auf dem Microprocessor Forum im Herbst 2000 kochte die Gerüchteküche: Intel arbeite an einer Geheimwaffe gegen AMDs Hammer-Prozessoren, die zum Einsatz kommen sollte, falls AMD zu erfolgreich werden würde. Mehr als der Codename Yamhill für Intels 64-Bit-Alternative wurde aber nie bekannt, offizielle Kommentare von Intel blieben lange aus. Bei Yamhill war auch stets unklar, ob es kompatibel zur AMD64-Architektur (auch x86-64) sei oder vielleicht doch an den Itanium-Befehlssatz angelehnt wäre.

Letzteres galt aber zunehmend als unwahrscheinlich. Denn durch ein Cross-License-Agreement zwischen Intel und AMD dürfen beide Unternehmen die Technologien des jeweils anderen verwenden - wenn auch mit einer festgelegten Verzögerung. Intel kann somit die AMD64-Erweiterung ohne Lizenzgebühren nutzen.

Das Geheimnis ist gelüftet

Auf dem Intel Developer Forum machte Craig Barrett am 17. Februar 2004 Schluss mit den Spekulationen und lüftete das Geheimnis. Yamhill tauft der Hersteller jetzt offiziell in 64-Bit Extension Technology um. Diese auch unter dem Kürzel CT (Clackamas Technology) firmierende 64-Bit-Erweiterung basiert auf der AMD64-Architektur. Mit CT setzt Intel damit erstmals eine von AMD entwickelte Prozessor-Architektur ein - bislang war es stets umgekehrt.

Intel-CPUs mit CT-Technologie bieten somit eine Abwärtskompatibilität zu 32-Bit-Betriebssystemen sowie zu Betriebssystemen und Programmen für den Opteron/Athlon64. Erste Intel-Prozessoren mit CT sollen mit dem Xeon "Nocona" bereits im zweiten Quartal 2004 debütieren - wie tecCHANNEL schon am Vortag des Intel Developer Forums meldete.

Marktdruck

Intel betonte seit dem Launch der Athlon-64-Prozessoren im September 2003 immer wieder, 64 Bit wären im Desktop-Segment nicht vonnöten. Der mit 32-Bit-Prozessoren adressierbare Speicherbereich von 4 GByte sollte demnach für die nächsten Jahre ausreichen, so das Unternehmen weiter. Intel ging bei Fragen auch nicht auf einen eventuellen Performance-Vorteil durch 64 Bit breite Register ein.

Doch nicht nur im Desktop-Segment, besonders im Server-/Workstation-Bereich gewinnt die AMD64-Architektur zunehmend an Marktanteil. Namhafte Hersteller wie Fujitsu-Siemens, IBM und Sun bieten bereits Server-/Workstations mit Opteron-Prozessoren an. Hier hat Intels 32-Bit-Xeon künftig einen schweren Stand. Der Opteron ist ihm in der 32-Bit-Performance mehr als ebenbürtig und bietet bei Bedarf zudem die Unterstützung für 64-Bit-Betriebssysteme. Und das zu Preisen, mit denen 64-Bit-Intel-Systeme auf Itanium-Basis nicht konkurrieren können.

Langsames Zurückrudern

In den letzten Monaten formulierte Intel seine Aussagen über die Notwendigkeit von 64 Bit - auch im Desktop-Segment - aber vorsichtig um. Intels CTO Paul Otellini äußerte im Januar 2004, wenn es entsprechende Betriebssysteme und Applikationen gebe, stehe man mit einer entsprechenden CPU bereit. Intel wich damit erstmals von seiner Aussage ab, 64 Bit seien vorerst den großen Servern mit Itanium-CPUs vorbehalten.

Beim Betriebssystem spielte Otellini vor allem auf Windows XP/2003 Server für 64-Bit-Prozessoren an. Microsoft hatte in mehreren Statements bereits geäußert, neben der Itanium-Version nur noch ein einziges 64-Bit-Windows zu entwickeln, nämlich das für die AMD64-Architektur. Bereits aus diesem Gesichtspunkt wäre es für Intel unlogisch gewesen, eine dazu inkompatible 64-Bit-Architektur auf dem Markt etablieren zu wollen.

Da Intel jetzt die AMD64-Architektur übernimmt, sind keine Kompatibilitätsprobleme zu erwarten. Per Video-Konferenz kündigte daher auch Microsofts CEO Steve Ballmer während der Keynote auf dem IDF die volle Unterstützung von Intels 64-Bit Extension Technology in Windows an.

Xeon mit 64-Bit Extensions in Q2/2004

Intels Ankündigung der 64-Bit Extensions sollen schnell Produkte folgen. Bereits im zweiten Quartal 2004 will Intel eine neue Xeon-Prozessor-Generation für Server und Workstations mit zwei CPUs vorstellen. Der Codename für diesen Prozessor lautet Nocona. Die Nocona-CPU basiert auf dem Prescott-Core der am 1. Februar 2004 vorgestellten Pentium-4E-Prozessoren.

Damit steht auch fest, dass Intel CT im Prescott-Core bereits implementiert hat. Allerdings hat sie der Hersteller bei den Desktop-Prozessoren noch Hardware-mäßig deaktiviert. Über einen Zeitpunkt des 64-Bit-Debüts bei den Desktop-Prozessoren hat sich Craig Barrett noch nicht geäußert. Als wahrscheinlich gilt jedoch das zweite Quartal 2005, denn dann stellt Intel den Pentium-4-Nachfolger Teja vor. Ein allzu großer Marktanteil des Athlon64 im Desktop-Segment könnte jedoch für einen früheren Starttermin der CT sorgen.

Prescott mit CT kommt noch 2004

Die zur AMD64-Technologie kompatible 64-Bit-Erweiterung bleibt beim Nocona nicht die einzige Neuerung. Neben der SSE3-Unterstützung hebt Intel die Taktfrequenz des FSB von aktuell 533 auf 800 MHz an. Laut tecCHANNEL vorliegenden Roadmaps geht der Nocona mit den Taktfrequenzen 2,80, 3,00, 3,20, 3,40 sowie 3,60 GHz an den Start.

In der zweiten Jahreshälfte 2004 will Intel laut Craig Barrett noch einen Prescott-Prozessor mit CT-Technologie für Single-Prozessor-Server/Workstations vorstellen. Ob diese CPU den Markennamen Xeon oder Pentium 4 erhält, beantwortete Intel noch nicht. Dem Xeon MP für Multiprozessorsysteme spendiert Intel die 64-Bit-Erweiterung im ersten Quartal 2005. Der unter dem Codenamen Potomac bekannte Xeon MP basiert dann ebenfalls auf dem Prescott-Core.

Betriebsmodi der CT-Architektur

Um problemlos mit 32- und 64-Bit-Software agieren zu können, beherrschen die Nocona-Prozessoren verschiedene Betriebsmodi: Legacy Mode, 64-Bit-Mode und Compatibility Mode. Findet der Nocona aktuelle 32-Bit-Betriebssysteme wie Windows XP vor, so arbeitet die CPU im so genannten Legacy-Mode. Der Xeon mit 64-Bit Extensions verhält sich dabei wie ein normaler x86-Prozessor und ist voll kompatibel zu vorhandenen 16- und 32-Bit-Betriebssystemen und -Anwendungen. Die 64-Bit-Features liegen dann brach.

Steht dem Nocona dagegen ein 64-Bit-Betriebssystem zur Seite, schaltet die CPU in den IA-32e getauften Betriebsmodus. Der IA-32e Mode von Intels 64-Bit Extensions beinhaltet zwei Untermodi: den 64-Bit Mode und den Compatibility Mode. 64-Bit-Anwendungen arbeiten im entsprechenden 64-Bit Mode. Den Programmen steht somit auch der volle Adressraum mit einer Breite von 64 Bit zur Verfügung.

Der Compatibility Mode des Nocona erlaubt unter 64-Bit-Betriebssystemen eine binäre Kompatibilität mit vorhandenen 16- und 32-Bit-Anwendungen. Diese Programme müssen nicht neu kompiliert werden. Den 64 Bit großen Adressraum des Betriebssystems können diese aber nicht nutzen, sie bleiben auf 32 Bit beschränkt.

Die drei verschiedenen Betriebsmodi von Intels 64-Bit Extensions entsprechen somit exakt denen der AMD64-Architektur. Nur heißt der IA-32e Mode bei AMD Long Mode. Laut Intel arbeiten Applikationen, die für AMD64-Prozessoren geschrieben wurden, im Regelfall auch mit dem Nocona. Wie Intel weiter betont, unterscheidet sich die Intel-Architektur aber durch zusätzliche Features wie SSE3 und Hyper-Threading.

Aktivieren des IA-32e Mode

In welchem Betriebsmodus sich der Nocona-Prozessor befindet, wird über das globale Kontrollbit IA32_EFER.LMA sowie über zwei weitere Flags angezeigt. Steht das LMA-Bit auf 0, verhält sich der Nocona wie ein normaler x86-Prozessor. Arbeitet der Prozessor im 64 Bit breiten IA-32e Mode, ist das Read-only-Bit LMA auf 1 gesetzt.

Um den IA-32e Mode des Nocona zu aktivieren, muss das Betriebssystem das LME-Bit (Long Mode Enable) aus dem Extended Feature Enable Register EFER aktivieren. Hierzu sind von der Software folgende Schritte durchzuführen:

Die CPU befindet sich nun im 64 Bit breiten IA-32e Mode und kann je nach Applikation in seinen zwei Untermodi operieren. Die beiden CPU-Zustände 64-Bit und Compatibility Mode werden über zwei weitere Flags gewählt: Der CS-Descriptor legt fest, ob Anwendungen in der 64-Bit-Umgebung im Compatibility Mode mit 16 oder 32 Bit laufen oder den 64-Bit Mode nutzen.

Neue Register im 64-Bit Mode

Wenn der Xeon mit CT-Technologie im 64-Bit Mode arbeitet, stehen dem Prozessor im Vergleich zum Legacy Mode folgende zusätzliche Features zur Verfügung:

Auf den vollen 64-Bit-Adressraum greift Intels CT-Technologie nur über eine segmentierte Adressierung zu. Zudem ist die physikalische Adressbreite auf 52 Bit beschränkt. In der ersten Generation von Intels Prozessoren mit 64-Bit Extensions implementiert Intel sogar nur einen 48 Bit breiten virtuellen Adressraum, und die physikalische Adressbreite ist auf 40 Bit beschränkt.

Damit kann die CPU aber immerhin auf ein TByte Speicher zugreifen. Mit den gleichen Einschränkungen betreibt AMD auch seine aktuellen Athlon-64- und Opteron-Prozessoren.

Anwendungen, die im Legacy oder Compatibility Mode laufen, stehen beim Nocona weiterhin nur die acht allgemeinen 32 Bit breiten Register EAX, EBX, ECX, EDX, EBP, ESI, EDI und ESP zur Verfügung. Arbeitet der Prozessor dagegen im 64-Bit Mode, erweitert die 64-Bit-Extensions-Architektur diese acht Register über den R-Präfix auf 64 Bit. Die verbreiterten Register erhalten die Bezeichnungen RAX bis RSP. Zusätzlich kann der Nocona im 64-Bit Mode auf acht neue ebenfalls 64 Bit breite GPRs (General Purpose Register) R8 bis R15 zugreifen. Auch in diesem Register-Handling stimmt die Intel-Erweiterung mit der AMD64-Architektur überein.

Für Fließkomma-Berechnungen wurde außerdem die Anzahl der acht 128 Bit breiten SIMD-Register durch XMM8 bis XMM15 verdoppelt. Davon profitiert allerdings nur der 64-Bit-Mode. Die XMM-Register können mit SSE, SSE2 und SSE3 genutzt werden.

Status: Windows 64-Bit

Seit September 2003 bietet Microsoft eine Beta-Version von Windows XP 64-Bit Edition an. In einem ersten Test bei tecCHANNEL mit einem Athlon 64 FX überzeugte die Beta-Version in einem Punkt bereits auf Anhieb: Vorhandene 32-Bit-Applikationen laufen ohne Performance-Einbußen gegenüber einem 32-Bit-Windows-XP - teilweise sogar schneller. Der einzige Ausreißer unter DirectX lässt sich durch den frühen Entwicklungsstand des 64-Bit-DirectX-APIs erklären. Auch die OpenGL-Implementation bedarf noch deutlicher Optimierung. Die Benchmark-Ergebnisse von 64-Bit-Programmen waren auf Grund der Beta-Stadien von Betriebssystem und Anwendungen noch nicht sehr aussagekräftig.

Eine Preview-Version von Windows XP 64 Bit Edition für Systeme mit Opteron- und Athlon-64-CPUs hat Microsoft seit Februar 2004 im Angebot. Die englische Preview ist als freier Download oder auf CD erhältlich.Vor dem Download oder der CD-Bestellung steht eine Registrierung an. Die CDs werden nach Angaben von Microsoft nicht vor Mitte Februar 2004 verschickt. Will man die 64-Bit Preview (rund 450 MByte) lieber herunterladen, schickt Microsoft nach der Registrierung einen Link zu einer ISO-Datei nebst Produkt-Key.

Die 64-Bit-Windows-Version ist zwar funktionsfähig, befindet sich aber immer noch in Entwicklung und sollte nur zu Testzwecken eingesetzt werden. Support übernimmt Microsoft nicht, es existiert allerdings eine spezielle Newsgroup, die Microsoft dafür eingerichtet hat. Durch die Kompatibilität der 64-Bit Extension Technology mit der AMD64-Architektur sollte die Preview-Version auch mit Nocona-Prozessoren arbeiten.

Vorhandene 32-Bit-Gerätetreiber lassen sich unter Windows XP 64-Bit Edition nicht verwenden. Grafikkarten, Controller und sonstige Hardware erfordern spezielle 64-Bit-Treiber. Über den aktuellen Status dieser Treiber von Drittanbietern informiert derzeit AMD auf einer eigens eingerichteten Webseite.

Links zum Download und zur Bestellung nebst weiteren Informationen finden Sie hier. Finale Versionen von Windows XP und Windows XP 2003 Server für AMD64-CPUs und Xeons mit CT-Technologie wird es nicht vor Mitte 2004 geben.

Fazit

"Intel verfügt über die Ressourcen, die Flexibilität und die technischen Grundlagen, die nötig sind, um unsere Kunden mit den Funktionen auszustatten, die sie für ihre Computeranwendungen benötigen", sagte Craig Barrett während der Vorstellung der 64-Bit Extension Technology für den Xeon. "Indem wir diese Alternative bieten, können wir - in Kombination mit der Itanium-Prozessorfamilie, die auf große, leistungshungrige Anwendungen zugeschnitten ist - ein breites Spektrum an Lösungen anbieten, die alle Bereiche abdecken und in 32- sowie 64-Bit-Konfigurationen erhältlich sind."

Schöne Worte, aber freiwillig übernimmt Intel sicher nicht AMDs 64-Bit-Technologie und gönnt dem Mitstreiter diesen Prestigegewinn. Dem zunehmenden Erfolg der Opteron-Prozessoren musste Intel schleunigst etwas entgegensetzen. Denn die Itanium-Plattform spielt in einer deutlich höheren Preisliga und beherrscht nicht den nativen 32-Bit-Modus. Gerade diese Flexibilität beim Verwenden von 32- oder 64-Bit-Betriebssystemen und -Applikationen beschert AMDs Opteron jedoch zunehmende Beliebtheit im Server-/Workstation-Umfeld.

Mit der 64-Bit Extension Technology soll Intels nächste Xeon-Prozessor-Generation nun die gleiche Flexibilität bieten. Und diese geht bereits im zweiten Quartal 2004 mit dem Nocona an den Start. Selten zuvor führte Intel eine neue Technologie so kurz nach ihrer Ankündigung ein. Warum steht dabei außer Frage. (cvi)