Rechtsfalle

AGB´s im Internet: Was sind die rechtlichen Folgen?

30.10.2015 von Birgit Götz
Im Web ist nichts so schnell weggeklickt wie die allgemeinen Geschäftsbedigungen. Welche Folgen es haben kann, die AGB nicht zu beachten, lesen Sie in diesem Beitrag.

Kein Interesse, keine Zeit oder mangelndes Verständnis – die Gründe für die obligatorischen Lippenbekenntnisse zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind vielfältig und nachvollziehbar. Viel interessanter ist allerdings, was das für rechtliche Folgen hat. Was spricht das Gesetz.

„tl;dr – too long; didn’t read“ ist im Internet der universelle Hinweis darauf, dass ein Text nicht gelesen wurde. Insbesondere im englischsprachigen Netz werden des Öfteren längere Texte unter dem Zusatz „tl;dr“ für die Eiligen und Lesefaulen zusammengefasst.

Die Webseite https://tosdr.org hat es sich zur Aufgabe gemacht, entsprechende Kurzfassungen für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen populärer Online-Portale zu erstellen. Auf der Seite heißt es, dass der Satz „Ich habe die Nutzungsbedingungen gelesen und bin mit ihnen einverstanden“ die größte Lüge des Internets sei. Das mag etwas reißerisch verpackt sein, trifft jedoch den Kern des Problems: Niemand macht sich die Mühe, vor einer Registrierung oder einem Einkauf im Internet die AGB zu lesen (nicht einmal Juristen). Das führt natürlich zu der Frage, welchen Sinn AGB überhaupt haben und welche Folgen es hat, diese nicht zu beachten.

„Ich habe die Nutzungsbedingungen gelesen und bin mit ihnen einverstanden.“ Wenn AGB aber nicht gelesen werden, welchen Sinn haben sie dann und welche Folgen hat es, sie nicht zu beachten?

Ökonomisch, effizient und risikoreich

Im Alltag schließt jeder Mensch unzählige Verträge ab. Über den Inhalt dieser Verträge macht man sich im Normalfall keine Gedanken. Niemand würde auf die Idee kommen, sich vor dem Kauf eines Smartphones mit dem Verkäufer zusammenzusetzen und einen kompletten neuen Vertrag zu schreiben. Also wird genau dieser eine Vertrag massenhaft mit immer denselben Bedingungen abgeschlossen. Der Verkäufer legt dem Kunden bereits vorgefertigte Verträge vor, deren Inhalte nicht mehr zur Disposition stehen.

Diese vorgefertigten, mehrmals verwendeten und nicht individuell ausgehandelten Verträge werden Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) genannt und sind mittlerweile – sowohl offline als auch online – der Standard. Selbst beim Verkauf eines Gebrauchtwagens unter Privatleuten wird häufig auf diese Musterverträge zurückgegriffen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass solche Verträge rechtlich einwandfrei sind. Insbesondere die vorgefertigten Verträge bergen die Gefahr, dass sich darin Klauseln verstecken, die die andere Vertragspartei benachteiligen oder mit dem deutschen Recht nicht vereinbar sind. Beliebte Themen in der Tagespresse sind beispielsweise fehlerhafte Renovierungsklauseln in Mietverträgen, zu kurze Verjährungsfristen beim Gebrauchtwagenkauf oder zweifelhafte Klauseln in den AGB von Google und Facebook.

Es versteht sich von selbst, dass AGB in einer gewissen Weise einer Kontrolle unterliegen müssen. Diese Kontrolle wird durch das AGB-Recht gewährleistet, das Teil des deutschen Verbraucherrechts ist. Die Prüfung von AGB erfolgt in mehreren Schritten.

„Klauseln zur Datenerhebung sind oft unwirksam“

Christian Solmecke hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke auf die Beratung der Internet-und Medienbranche spezialisiert. Nachdem er selbst vor seiner Tätigkeit als Anwalt über zehn Jahre als freier Journalist und Radiomoderator (unter anderem für den Westdeutschen Rundfunk) arbeitete, berät er nun zahlreiche Journalisten und Medienschaffende.

Medienrechtsanwalt Christian Solmecke hilft in Fragen zu Online-Recht weiter.

Neben seiner Kanzleitätigkeit ist Solmecke Lehrbeauftragter der Fachhochschule Köln für Social Media und Recht sowie Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet an der Cologne Business School. Dort beschäftigt er sich insbesondere mit den Rechtsfragen in sozialen Netzen. Solmecke selbst ist stark in den sozialen Netzen vertreten und interagiert über seinen Youtube-Rechtskanal mit über 50.000 Abonnenten. Die Facebook-Seite der Kanzlei gehört zu den größten Social-Media-Rechtsangeboten Deutschlands. Und mit dem Pocket Anwalt hat er bereits eine sehr erfolgreiche App in die App-Stores gebracht.

AGB müssen vor Vertragsschluss bekannt sein

Grundsätzlich müssen beide Vertragsparteien damit einverstanden sein, dass die AGB Teil des Vertrags werden. Das setzt wiederum voraus, dass der jeweilige Vertragspartner überhaupt weiß, dass die AGB existieren. Dafür muss der Steller der AGB seinen Vertragspartner noch vor Vertragsschluss auf die AGB hinweisen. Es genügt also nicht, wenn die AGB bei der Bestellung in einem Online-Shop erst mit der Ware verschickt werden. In diesem Fall sind die AGB nicht Teil des Vertrags.

Im Internet hat sich die berühmte Checkbox mit der bereits angesprochenen Erklärung, die AGB gelesen zu haben, durchgesetzt. Durch Anklicken der Checkbox erklärt der Nutzer die Kenntnisnahme der AGB und sein Einverständnis. Wenn er die Checkbox nicht anklickt, dann kann er mit der Registrierung oder dem Einkauf nicht weitermachen.

Dem Benutzer muss es auch tatsächlich möglich sein, die AGB zu lesen. Problematisch sind beispielsweise AGB, die als Pop-up oder PDF angezeigt werden, denn dadurch besteht die Gefahr, dass die AGB nicht auf jedem Endgerät oder nicht mit jedem Browser angezeigt werden können. Ob die AGB allerdings auch wirklich gelesen werden, ist irrelevant.

Die Angst vor dem Kleingedruckten

Einen Vertrag nicht zu lesen, sich aber dennoch mit ihm einverstanden zu erklären, birgt natürlich die Gefahr einer unangenehmen Überraschung. Das Misstrauen gegenüber den AGB ist weit verbreitet, nicht umsonst werden sie auch abfällig als „Kleingedrucktes“ bezeichnet. Diese Bezeichnung spielt auf Klauseln an, die absichtlich klein geschrieben werden, um den Vertragspartner zu täuschen. Das Problem unerwarteter und versteckter Klauseln war auch dem Gesetzgeber bekannt und hat deshalb seinen Weg in das heutige AGB-Recht gefunden. In § 305c des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heißt es hierzu:

„Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.“

Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Vertragspartner (unabhängig davon, ob er die AGB gelesen und verstanden hat) darauf vertrauen darf, dass sich der Inhalt der AGB in einem rechtlich zulässigen Rahmen bewegt. Dadurch wird wiederum der dem AGB-Recht zugrundeliegende Gedanke des Verbraucherschutzes deutlich. Die geschäftliche Unerfahrenheit des Verbrauchers darf nicht ausgenutzt werden.

Der § 305c BGB verhindert, dass überraschende Klauseln überhaupt Teil des Vertrages werden. So könnte Facebook beispielsweise in seine AGB schreiben, dass der Nutzer für jedes geteilte Bild einen Euro bezahlen müsste. Mit einer derartigen Klausel würde angesichts der beworbenen Kostenfreiheit der Plattform niemand rechnen. Die Klausel wäre überraschend und nicht Teil des Vertrags – ob sie nun im Vertrag steht oder nicht.

Ebenso unwirksam sind Klauseln, die in den AGB versteckt werden, also nach dem „äußeren Erscheinungsbild“ ungewöhnlich sind. Darunter fällt beispielsweise die Regelung von besonderen Pflichten unter der Überschrift „Sonstiges“ oder ein Haftungsausschluss in unnötig kleiner oder unleserlicher Schrift (das berüchtigte Kleingedruckte).

Die verbotenen Klauseln werden im BGB aufgelistet

Überraschende Klauseln finden sich heutzutage nur noch selten in AGB und sind oft Indiz für einen vorsätzlichen Betrug. Die meisten Probleme sind weniger offensichtlich und erfordern eine detaillierte Auseinandersetzung mit den AGB. Für Juristen gestaltet sich daher der Großteil einer AGB-Prüfung so, dass einzelne unklare oder zweifelhafte Klauseln ausführlich auf die Vereinbarkeit mit den geltenden Gesetzen hin untersucht werden. Hierbei hilft wiederum das Gesetz mit einer Aufzählung von Verboten.

In den §§ 308 und 309 BGB sind Fälle geregelt, in denen Haftungsausschlüsse, Vertragsstrafen oder Kündigungsfristen unwirksam sind. So ist beispielsweise ein Haftungsausschluss für vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzungen in den AGB verboten.

In §§ 308 und 309 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sind unwirksame Klauseln aufgeführt. Erfasst sind nicht alle Fälle, denn oft ergibt sich die Unangemessenheit einer Klausel erst aus dem Zusammenspiel mit anderen Klauseln.

Keine unangemessene Benachteiligung für den Verbraucher

Der Verbotskatalog in den §§ 308 und 309 BGB erfasst allerdings nicht alle Fälle unwirksamer Klauseln. Häufig ergibt sich die Unangemessenheit einer Klausel erst aus dem Zusammenspiel mit anderen Klauseln oder aus der Natur des Vertrages selbst. In einem letzten Schritt werden problematische Klauseln aus diesem Grund auf eine unangemessene Benachteiligung hin geprüft. Damit ist alles gemeint, was den Vertragspartner des Nutzers der AGB in einer ungerechtfertigten Weise benachteiligt.

So hat zum Beispiel das OLG Koblenz (Gerichts-Urteil vom 30.10.2003 – 2 U 504/03) einen Fall entschieden, in dem ein Internetprovider in seinen AGB unterschiedliche Kündigungsfristen geregelt hat. Das allein ist nicht ungewöhnlich. Allerdings durften die Kunden erst zum Ende der zwölfmonatigen Vertragslaufzeit kündigen, während der Internetprovider selbst jederzeit mit einer Frist von vier Wochen kündigen durfte. Einen Grund für diese Ungleichbehandlung gab es nicht, weshalb das Gericht die Klausel als unangemessene Benachteiligung der Kunden angesehen hat.

Ein aktuelles Thema sind Schriftformklauseln in Verträgen, die im Internet abgeschlossen wurden. Erfolgte die Kommunikation online und wurde der Vertrag ebenfalls online geschlossen, muss der Kunde nicht damit rechnen, dass die Kündigung auf dem Postweg erfolgen muss. Daher sehen hier mittlerweile die meisten Gerichte eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher. Dennoch finden sich diese Klauseln noch vermehrt in den AGB zahlreicher Unternehmen.

Unwirksame Klauseln fliegen raus, der restliche Vertrag gilt

Das wirft die Frage auf, was mit unwirksamen Klauseln passiert. Im Regelfall sind nur einzelne Klauseln unwirksam – wenn dadurch der gesamte Vertrag unwirksam würde, wäre keiner Vertragspartei geholfen. Schließlich ist der Kunde häufig mit dem Rest des Vertrags und den erbrachten Leistungen zufrieden.

Deshalb beeinflussen einzelne unwirksame Klauseln natürlich nicht den ganzen Vertrag. Der Vertrag besteht auch weiterhin fort, lediglich die unwirksamen Klauseln werden gestrichen. Die unwirksamen Teile des Vertrags werden so weit entfernt, wie der Rest des Vertrags noch Sinn ergibt.

Die so entstehenden Lücken werden durch die allgemeinen Gesetze gefüllt. Im Falle der unwirksamen Schriftformklausel würde diese entsprechend den Umständen entweder durch ein mündliches Kündigungsrecht oder die Möglichkeit der Kündigung per E-Mail ersetzt.

Deutsches Recht im Internet gilt auch für ausländische Firmen

Wie AGB geprüft werden, ist somit klar. Der ganze Aufwand wäre jedoch vergebens, wenn deutsches Recht auf Verträge im Internet überhaupt nicht anwendbar ist.

Selbstverständlich gibt es ebenfalls deutsche Internetdienste-Anbieter. Allerdings hat der Großteil der populären sozialen Netzwerke sowie Online-Shops seinen Sitz im Ausland, und zwar vorwiegend in den USA. Dort unterliegen AGB einem anderen Prüfungsmaßstab, zumal sich das US-amerikanische Recht vom deutschen Recht bedeutend unterscheidet.

Grundsätzlich können die Vertragsparteien selbst über das anzuwendende Recht entscheiden. Eine Ausnahme gilt für Verbraucherverträge, da ansonsten starke Verbraucherrechte wie das deutsche oder allgemein das europäische jederzeit durch eine entsprechende Rechtswahl ausgeschlossen werden könnten.

Wenn also ein Unternehmer seinen Dienst an deutsche Verbraucher richtet, so ist deutsches Recht anwendbar.

Im Verhältnis zwischen Internetdienste-Anbietern und Internetnutzern ist dies regelmäßig der Fall. Dass sich die angebotenen Dienste auch an deutsche Nutzer richten, ergibt sich bereits aus der Übersetzung von Webseiten ins Deutsche oder der Möglichkeit, bei der Registrierung auf einer Online-Plattform „deutsch“ als Nationalität auszuwählen.

Auch wenn viele US-amerikanische Konzerne das gern anders sehen, müssen sich ihre AGB an deutschem Recht messen lassen.

Der nie endende Streit um das Urheberrecht

Vor diesem Hintergrund können einige der typischen Klauseln in Online-AGB näher betrachtet werden. Ein immer wieder aufkommendes Thema sind Vereinbarungen zur Einräumung von Nutzungsrechten an Bildern, Videos, Texten und anderen Inhalten.

So finden sich in den AGB sozialer Netzwerke teilweise Klauseln, in denen eine umfangreiche Einräumung von Nutzungsrechten an den vom Nutzer hochgeladenen Medieninhalten geregelt wird. Das kann in verschiedener Hinsicht problematisch sein.

An den meisten auf sozialen Netzwerken geteilten Inhalten bestehen Urheberrechte. Der Urheber hat dadurch also das Recht zu entscheiden, wann, unter welchen Umständen und an wen diese Inhalte veröffentlicht und verbreitet werden dürfen. Dann erscheint es ungerecht, diese Rechte durch das bloße Hochladen eines Fotos an den Betreiber des sozialen Netzwerks zu verlieren.

Zwingende, aber freiwillige Rechteeinräumung

Allerdings muss auch hier differenziert werden. Denn gewisse Nutzungsrechte an urheberrechtlich geschütztem Material müssen den sozialen Netzwerken zwangsläufig eingeräumt werden, damit diese ihren Dienst überhaupt erbringen können.

Dazu gehören primär das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und das Vervielfältigungsrecht. Lediglich durch das Einräumen dieser Rechte sind die Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Inhalte sowie eine Verbreitung derselben durch Sharing-Funktionen mit dem Urheberrecht vereinbar.

Auch die Tatsache, dass sich beispielsweise Facebook eine weltweite Lizenz einräumt, ist nicht ungewöhnlich. Schließlich können öffentlich auf Facebook geteilte Bilder von Nutzern aus der ganzen Welt betrachtet werden. Würde Facebook nur eine auf Deutschland beschränkte Lizenz eingeräumt, müsste das Netzwerk dafür sorgen, dass die Bilder für Nutzer mit ausländischen IP-Adressen nicht sichtbar sind. Das entspricht weder dem Sinn eines sozialen Netzwerks noch dem Willen der Nutzer. Dafür verdeutlicht das Beispiel sehr gut, dass zahlreiche vermeintlich „enteignende“ Klauseln in Online-AGB lediglich die rechtlichen und technischen Anforderungen des Internets widerspiegeln.

Schlussendlich kann jeder Nutzer selber entscheiden, ob er seine Bilder oder Videos auf sozialen Netzwerken teilt. Wenn er sich dafür entscheidet, muss er sich darüber bewusst sein, dass diese Inhalte von anderen Nutzern weiterverbreitet werden können.

Rechtliche Grenzüberschreitung bei den Nutzungsrechten

Mitunter finden sich in den AGB sozialer Netzwerke auch sehr viel weiterreichende Einräumungen von Nutzungsrechten. Denkbar sind hier beispielsweise Klauseln, in denen die Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte für eine kommerzielle Nutzung und eine Unterlizenzierung an beliebige Dritte geregelt wird. Das soziale Netzwerk wäre in diesem Fall befugt, die Nutzungsrechte an den Bildern seiner Nutzer gegen ein Entgelt auch anderen Unternehmen einzuräumen.

Im Jahr 2013 wurden auf Facebook mehr als 340 Millionen Fotos pro Tag hochgeladen. Damit dürfte Facebook eine der größten Bilderdatenbanken der Welt sein, was sich wiederum wirtschaftlich nutzen ließe.

Selbstverständlich ist der Verkauf dieser Bilder rechtlich nicht zulässig. Eine entsprechende Klausel in den Facebook-AGB könnte bereits überraschend sein. Schließlich rechnet ja niemand damit, die eigenen Fotos im Werbeprospekt eines Supermarkts abgedruckt zu sehen. Auf jeden Fall stellt eine derartige Klausel eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer dar: Auch wenn der Nutzer seine Fotos kommerzialisieren möchte, sollte er doch selbst daran verdienen.

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Nutzerdaten sind wertvoll: Die Datenkraken im Internet

Das zweite große Thema im Online-AGB-Recht ist der Datenschutz. Während sich zumindest die großen Internetdienste-Anbieter im Urheberrecht weitestgehend an das deutsche Recht angenähert haben, besteht im Bereich Datenschutz großer Nachholbedarf.

Bei jedem Registrierungsvorgang auf einer Webseite sowie bei jedem Einkauf in einem Online-Shop fallen Daten an. Viele dieser Daten sind zwingend erforderlich, damit der Plattformbetreiber überhaupt in der Lage ist, seine Dienste zu erbringen: Ohne die Angabe von Name und Anschrift beispielsweise kann Amazon ein Paket nicht ausliefern.

Anfang des Jahres änderte Facebook seine AGB. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) bemängelte insgesamt 19 Klauseln.

Problematisch wird es hingegen, wenn diese Daten auch zu anderen Zwecken als dem vereinbarten Dienst verwendet werden. Mit Be-zug auf soziale Netzwerke stellt sich darüber hinaus die Frage, was mit all den zusätzlichen, persönlichen Daten geschieht.

Nutzerdaten sind wertvoll. Für die Einwilligung zur Datenerhebung muss für den Nutzer jedoch nachvollziehbar sein, wer die Daten verarbeitet und wer auf die Daten zugreifen kann.

Nutzerdaten sind wertvoll, insbesondere für Marketing-und Marktforschungsunternehmen. Abgesehen von der Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung von Nutzerdaten bestehen darüber hinaus Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Datenbestände. Das deutsche Datenschutzrecht ist sehr streng. Die Datenerhebung setzt eine Einwilligung des Nutzers voraus und die Daten selbst müssen vor dem Zugriff unbefugter Dritter ordnungsgemäß geschützt werden. Die Weitergabe der Daten darf ebenfalls nicht ohne die Zustimmung des Nutzers geschehen.

Das Problem mit der Einwilligung zur Datenerhebung

Wie Online-Plattformen mit den Daten ihrer Nutzer umgehen, erklären sie häufig in separaten Datenschutzrichtlinien. Auch hierbei handelt es sich nach geltender Rechtsprechung um AGB. Dabei ist hauptsächlich zwischen zwei Arten von Klauseln zu unterscheiden.

Zunächst gibt es solche Klauseln, die eine Datenerhebung oder Datenweitergabe festlegen, ohne eine Einwilligung des Nutzers einzuholen. Dabei handelt es sich um einen unmittelbaren Verstoß gegen das deutsche Datenschutzrecht, wodurch der Nutzer unangemessen benachteiligt wird. Diese Klauseln sind unwirksam.

Die andere Art von Klauseln sieht zwar eine Einwilligung vor, sie ermächtigt den Internetdienste-Anbieter aber auch zur Erhebung einer Vielzahl von Daten, die über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen. Grundsätzlich ist diese Regelung wirksam, solange der Nutzer einwilligt oder, wie vermehrt in sozialen Netzwerken, diese zusätzlichen Daten freiwillig der Online-Plattform zur Verfügung stellt.

Derartige Klauseln müssen sich allerdings am sogenannten Transparenzgebot messen lassen. Das bedeutet, dass Klauseln eindeutig und verständlich formuliert sein müssen. Aus der Klausel muss klar hervorgehen, wer die Daten verarbeitet und wer auf die Daten zugreifen kann. Andererseits könnte die Zustimmung des Nutzers durch absichtlich undeutliche Formulierungen erschlichen und die datenschutzrechtliche Erfordernis der Einwilligung ausgehebelt werden.

Klauseln zur Datenerhebung sind oft unwirksam

Einen Fall dieser Art hatte das LG Berlin (Ur-teil vom 30.04.2013 – 15 O 92/12) vor einiger Zeit zu entscheiden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte Apple aufgrund von mehreren problematischen Klauseln zunächst abgemahnt und schließlich verklagt. Unter anderem regelten die Klauseln die Weitergabe von Nutzerdaten an „strategisch wichtige Partner“. Das Gericht sah hierin eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer, da aus der Klausel nicht hervorging, welche konkreten Institutionen mit „strategisch wichtigen Partnern“ gemeint waren.

Einige Monate später entschied dasselbe Gericht einen ähnlichen Fall (siehe das Urteil vom 19.11.2013 – 15 O 402/12). Wieder hatte der VZBV geklagt – dieses Mal gegen Google. Und wiederum befand das Gericht einige der Klauseln als nicht transparent und somit benachteiligend für die Nutzer. Insgesamt wurden 25 Klauseln aufgrund verschiedener Verstöße gegen deutsches Recht für rechtswidrig erklärt.

Widerspruch gegen AGB ist nicht pauschal möglich

Es zeigt sich also, dass immer noch viele Online-AGB problematische Klauseln beinhalten, durch die Internetnutzer benachteiligt werden. Doch wie wehrt man sich gegen einen großen Konzern wie Facebook oder Google?

Mit jeder neuen AGB-Änderung durch Facebook verbreiten sich auch sogenannte Widerspruchserklärungen in dem sozialen Netzwerk. Entweder mit kurzem Text oder als Bild teilen Tausende von Facebook-Nutzern Erklärungen hinsichtlich der Unanwendbarkeit der neuen AGB vor dem Hintergrund des deutschen Urheberrechts oder Datenschutzrechts.

Eine Auseinandersetzung mit dem Thema unwirksamer AGB ist wünschenswert, in dieser Form allerdings wirkungslos.

Zum einen ist eine pauschale Ablehnung der AGB nicht möglich, würde doch der gesamte Vertragsinhalt wegfallen. Darüber hinaus sind, wie bereits festgestellt, viele der Klauseln, die das Urheberrecht betreffen, wirksam und sogar erforderlich.

Zum anderen ist es nicht möglich, einen Dienst zwar in Anspruch zu nehmen, gleichzeitig allerdings den zugrundeliegenden Vertragsin-halt abzulehnen. Ein derartiger Widerspruch bleibt also folgenlos.

Widerstand auf dem Rechtsweg über Verbraucherverbände

Eine andere Möglichkeit besteht darin, aktiv an der öffentlichen Diskussion teilzunehmen und selbst die rechtliche Initiative zu ergreifen. Nicht umsonst finden Online-AGB immer wieder den Weg vor die deutschen Gerichte. Allerdings ist dieser Weg sowohl zeitaufwendig als auch finanziell belastend. Außerdem haben Rechtsstreite einzelner Privatpersonen gegen große Konzerne wie beispielsweise Facebook oder Google kaum Aussicht auf Erfolg. Dafür gibt es in Deutschland jedoch die Verbraucherverbände. Erst im Februar 2015 wurde bekannt, dass der Verbraucherzentrale Bundesverband zum wiederholten Male ein Unterlassungsverfahren gegen Facebook eingeleitet hat. Hintergrund hierzu sind die Änderungen der Facebook-AGB Anfang dieses Jahres. Die Verbraucherzentrale bemängelt insgesamt 19 Klauseln, darunter beispielsweise die Klarnamenpflicht und Bestimmungen zur werblichen Verwendung von Nutzerdaten.

Mit jeder neuen AGB-Änderung durch Facebook verbreiten sich auch sogenannte Widerspruchserklärungen – die in dieser Form allerdings wirkungslos sind.

Große mediale Aufmerksamkeit hat auch der Österreicher Max Schrems auf sich gezogen. 2012 gründete er einen Verein mit dem Ziel der Durchsetzung des Datenschutzes in Europa. Primär richtete er sich damit gegen Facebook – unterstützt von 25 000 Menschen hat er 2014 eine Sammelklage gegen das soziale Netzwerk eingereicht.

2012 gründete der Österreicher Max Schrems einen Verein mit dem Ziel, den Datenschutz in Europa durchzusetzen. 2014 reichte er – unterstützt von 25.000 Menschen – eine Sammelklage gegen Facebook ein.

Sensibilisierung und Internetaffinität

Die meisten Internetnutzer dürften diese Aktionen begrüßen, in näherer Zukunft wird sich jedoch trotzdem nichts ändern. Es kann auch nicht jeder Internetnutzer aufgrund der Ignoranz ausländischer Konzerne gegenüber deutschem Recht zu einem Aktivisten werden.

Allerdings gibt es einfache und schnelle Möglichkeiten, um die eigenen Rechte im Internet bis zu einem gewissen Grad durchzusetzen. Dazu gehört zunächst ein grundlegendes Verständnis der Materie: Wenn viel Zeit auf einer bestimmten Online-Plattform verbracht wird, lohnt es sich, die AGB zu lesen. Daneben ist auch eine Auseinandersetzung mit der Datenschutzerklärung zu empfehlen. Dort findet sich im Regelfall ein Hinweis auf alle erhobenen Daten und die Möglichkeit, diese Datenerhebung auf das Nötigste zu begrenzen.

Des Weiteren ermöglichen Browser-Add-ons wie Ghostery es, das Sammeln von Daten durch Internetdienste-Anbieter zu überwachen und auch zu verhindern.

Nutzer sozialer Netzwerke sollten sich darüber hinaus der Folgen von Veröffentlichungen urheberrechtlich geschützten Materials bewusst sein. So benutzen beispielsweise Künstler und Fotografen soziale Netzwerke lediglich sehr begrenzt zur Verbreitung ihrer Werke.

Nichtbeachten von AGB hat keine gravierenden Folgen

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind stets ein anstrengendes und zähes Thema, mit dem sich niemand gern auseinandersetzt. Die Ausführungen haben jedoch gezeigt, dass die Nichtbeachtung von AGB trotzdem keine gravierenden, rechtlich nachteiligen Folgen haben kann. Überraschende Klauseln werden überhaupt nicht erst Vertragsbestandteil, und die AGB selbst unterliegen jederzeit der gerichtlichen Kontrolle.

Das sollte die Ignoranz gegenüber AGB aber nicht noch verstärken, denn es zeigt sich auch, dass unwirksame Klauseln keine Seltenheit sind. Der große Wandel in Bezug auf große Konzerne wie Facebook oder Google lässt allerdings noch auf sich warten. Dafür benötigt es vor allem politische Initiative und Durchsetzungskraft auf internationaler Ebene.

(PC-Welt/ad)