Ab 40 sind Sie zu alt!

Ältere IT-Mitarbeiter haben es schwer

15.01.2010 von Jürgen Tenckhoff und Rolf Bastian
In der IT-Branche fühlen sich viele Mitarbeiter ab 40 schon zu alt und oft ausgegrenzt. Der Jugendwahn vieler Firmen sowie die Abkehr von erfahrenen Mitarbeitern bergen jedoch betriebliche Risiken.

"Im beruflichen Umfeld wird Alter mehr und mehr zur Belastung, da hier noch kein Umdenken bei den Verantwortlichen stattgefunden hat. Das Topmanagement ist allerdings schon weiter als das mittlere Management." Diese Einschätzung eines 45-jährigen IT-Managers aus Nordrhein-Westfalen scheint repräsentativ zu sein: In Unternehmen der IT- und Telekommunikationsindustrie (ITK) in Deutschland liegt die Altersakzeptanz auf einer Skala von 0 (keine Altersakzeptanz) bis 100 (volle Altersintegration) mit 36 noch leicht unter dem ohnehin niedrigen Branchendurchschnitt von 37 (erst Werte über 60 deuten auf eine ausgeglichene Situation hin).

Altersakzeptanz: Bei Werten von 0 (keine Altersakzeptanz) bis 100 (volle Altersintegration) liegt in Deutschland der Branchendurchschnitt bei 37 Punkten. (Quelle: Dr. Tenckhoff UG)

Mehr als 200 Führungskräfte und Mitarbeiter aus der ITK-Branche - von insgesamt 625 Teilnehmern - hatten ihre Einschätzung bei einer Online-Studie von Result Counts und der Dr. Tenckhoff UG im Auftrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche abgegeben. Damit lassen sich auf hinreichender statistischer Grundlage bereits aufschlussreiche Zwischenergebnisse feststellen.

Im Vergleich zu allen betrachteten Branchen liegt die IT in der unteren Hälfte, die Telekommunikation gar nur im unteren Drittel. Aufschlussreich ist eine Differenzierung nach Alter und Geschlecht: Mit steigendem Alter schätzen die Teilnehmer die Altersakzeptanz in ihrem Unternehmen geringer ein, dabei urteilen Frauen sogar negativer als Männer. Dieser Trend ist in der ITK noch ausgeprägter als in anderen Branchen.

Folgen des demographischen Wandels

Die sinkende Altersakzeptanz in der IT-Branche dokumentieren auch zahlreiche freie Antworten dokumentieren: "Früher habe ich es nicht glauben wollen: Ab 40 ist man für den Arbeitsmarkt zu alt", schreibt etwa ein 50-jähriger Mitarbeiter des IT-Supports aus Rheinland-Pfalz. "Ich werde nach 17 Jahren erfolgreicher Tätigkeit für die Firma ausgegrenzt", so ein 54-jähriger Softwareentwickler aus Sachsen. Wobei einige die Lage auch differenzierter betrachten: "In meinem Unternehmen werden inzwischen nur noch junge Kräfte eingestellt, aber die Alten werden immer noch hoch geschätzt", berichtet ein 59-jähriger IT-Leiter aus Niedersachsen, und ein 31-jähriger IT-Manager aus Bayern meint: "Akzeptanz hat weniger mit dem Alter als mit der Eignung für den jeweiligen Beruf zu tun."

Junge Frauen haben es schwer: In der IT-Branche sind Frauen unter 30 wenig akzeptiert (32 Punkte). Der männliche Gegenpart liegt dagegen bei 43 Akzeptanzpunkten. (Quelle: Dr. Tenckhoff)
Foto: DR. Tenckhoff UG

Dass Unternehmen noch immer glauben, durch Verjüngung ihrer Belegschaft den Folgen des demografischen Wandels entgehen zu können, dokumentiert sich ebenfalls in vielen Statements. "Das Thema wird noch nicht wirklich ernst genommen oder zumindest verdrängt", schreibt ein 58-jähriger Telco-Leiter aus Nordrhein-Westfalen, und eine 46-jährige Telco-Managerin ebenfalls aus NRW ergänzt: "Es wird dramatisch, aber alle verdrängen die Realität. Ich mache das auch. Es gibt keine sichtbaren Ansätze, dem entgegenzuwirken."

Diese Einschätzungen decken sich mit einer branchenübergreifenden Untersuchung der Commerzbank vom Sommer dieses Jahres. Sie stellte fest, dass deutsche Unternehmen noch immer einseitig auf die Qualifikation der Jungen bauen und Mitarbeitern über 50 kaum Weiterbildung und andere Fördermaßnahmen angedeihen lassen.

Unternehmen müssen neue Wege finden

Altersstrukturanalysen der Dr. Tenckhoff UG in zahlreichen Unternehmen haben nachgewiesen, dass sich angesichts heutiger Belegschaftsstrukturen selbst bei unrealistisch niedrigen unteren Einstellungsgrenzen und Frühverrentungsprogrammen der steigende Altersdurchschnitt nicht mehr aufhalten lässt. Unternehmen bleibt also gar nichts anderes übrig, als Wege zu finden, um ihre Geschäftsmodelle mit älteren Mitarbeitern umzusetzen. Viele Teilnehmer der Umfrage haben einen solchen "demografischen Realismus" schon entwickelt, so etwa ein 55-jähriger Telco-Leiter aus NRW: "Ältere werden zu einer nicht mehr zu vernachlässigenden Ressource, da Jüngere nicht beliebig zur Verfügung stehen."

Neben der Gefahr des Fachkräftemangels birgt die geringe Altersakzeptanz weitere handfeste betriebswirtschaftliche Risiken, was sich auch in vielen Statements der Umfrage dokumentiert. "Viel Know-how und Erfahrung geht verloren, was Kapitalvernichtung ist", konstatiert ein 59-jähriger IT-Leiter aus NRW. Studien haben zudem nachgewiesen, dass altersgemischte Teams gerade in innovativen Branchen leistungsfähiger sind als altershomogene - was eine 43-jährige Telco-Managerin aus Bayern auch selbst festgestellt hat: "Die Erfahrung zeigt, dass eine ausgewogene Mischung aus männlich/weiblich sowie alt/jung ein Team besonders stark macht."

Kurzsichtig: Stereotype negative Altersbilder

Stereotype negative Altersbilder und die Ausgrenzung Älterer beeinträchtigen die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter und rufen Konflikte zwischen den Altersgruppen hervor. Ein 49-jähriger ehemaliger IT-Mitarbeiter aus Bayern formuliert es so: "Aus demotivierten ‚Älteren‘ werden zumindest im verursachenden Unternehmen keine motivierten Mitarbeiter mehr." Dass auch manche jüngere IT-Mitarbeiter und Führungskräfte die geringe Altersakzeptanz kritisch beurteilen, verwundert nicht. Selbst wenn sie heute davon profitieren können, sehen sie hier ihre eigene betriebliche Zukunft vorweggenommen.

Insgesamt wird deutlich, dass Mitarbeiter die größten Probleme beim Übergang von ihrer Jugend in diejenige Kategorie haben, die in der heutigen Berufswelt als "älter" eingeordnet wird. Eine detaillierte Auswertung aller Teilnehmer der gesamten Umfrage zeigt eine "Badewannen"-Kurve. In jungen Jahren wird die Altersakzeptanz relativ hoch eingeschätzt, danach fällt sie ab - mit einem Minimum zwischen 45 und 51 Lebensjahren - und steigt ab etwa 60 Jahren wieder deutlich an. Hier spiegelt sich eindrucksvoll ein Großteil heutiger beruflicher Lebensläufe.

Um die Altersakzeptanz und Altersintegration im Unternehmen zu verbessern, bedarf es vieler Ansatzpunkte: einer Änderung des Wertesystems, damit der Unternehmenskultur und -kommunikation, aber auch konkreter Maßnahmen zur Personalentwicklung, Qualifikation und Karriereangebote. Eine 54-jährige Telco-Leiterin aus Bayern bringt es so auf den Punkt: "Arbeitgeber müssen noch offener werden für die dauerhafte Planung mit Älteren - das gilt für Einstellungen, Fortbildungen, Beförderungen und die gesamte Firmenkultur." Ein 45-jähriger Telco-Manager aus NRW sagt: "Das Rollenmodell in Unternehmen ist nicht ausreichend daran angepasst, beispielsweise über alternative ‚Karrierepfade‘ auch älteren Beschäftigten eine für sie und das Unternehmen sinnvolle und erfüllende Position/Rolle zu bieten."

Der erste Schritt kann das Messen der konkreten Altersakzeptanz im Unternehmen sein. Die Online-Umfrage kann dazu einen Bezugsrahmen bilden. Sie wird fortgesetzt bis Sommer 2012 (die Teilnahme ist unter survey.tenckhoff.eu möglich) und soll demnächst auf EU-Ebene ausgedehnt werden.

Altersakzeptanz

Die Altersakzeptanz beschreibt den kulturellen Wert, der unser kommunikatives Handeln generationsübergreifend leitet. Damit können erstmals die "weicheren" Konsequenzen des demografischen Wandels wie zunehmende Karrierehindernisse und stereotype Vorstellungen, aber auch die Wertschätzung älterer Beschäftigter gemessen werden. Sie beeinflusst die Kommunikation in und zwischen den Altersgruppen. Angesichts der künftigen Altersstruktur-Entwicklung ist dies eine Schlüsselgröße.

Wie die Altersakzeptanz in Deutschland ausgeprägt ist, eruiert seit Sommer dieses Jahres eine auf drei Jahre angelegte Online-Studie der Beratungsunternehmen Dr. Tenckhoff UG in Hennef/Sieg und Result Counts GmbH in Mainz.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (cvi)