Abgemahnt wegen Tauschbörse: Nicht immer muss man zahlen

02.02.2006
In den vergangenen Monaten erhielten zahlreiche Anwender Abmahnschreiben wegen der Nutzung von Tauschbörsen wie Emule oder Bit Torrent. Doch nicht immer ist die Rechtslage eindeutig, nicht immer ist es sinnvoll, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Nutzer von Tauschbörsen Post bekommen – unliebsame Post von abmahnenden Anwälten und von der Staatsanwaltschaft: Darin ging es um Tauschbörsen, um Unterlassungserklärungen und um viel Geld.

So verschickte eine Hamburger Anwaltskanzlei im Auftrag von sechs Majorlabels der Musikindustrie Abmahnschreiben. Man habe, heißt es da, herausgefunden, dass durch den Adressaten über eine Tauschbörse MP3-Dateien angeboten wurden. Obwohl es möglich sei, den Upload technisch zu unterbinden, habe dieser das nicht getan. Aufgeführt wird jeweils eine Liste mit den zur Verfügung gestellten MP3-Dateien, die IP-Adresse des Anschlusses und die genaue Uhrzeit. Daraufhin folgt eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, verbunden mit einer Rechnung, die sich in der Regel auf mehrere tausend Euro für Schadensersatz und Anwaltskosten beläuft. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um ein Vergleichsangebot – zu erstatten seien eigentlich zehntausend Euro pro Titel. Wer damit nicht einverstanden ist oder gar nicht binnen der kurzen Frist reagiert, dem wird eine Klage angedroht.

In einem anderen Fall geht es um das Spiel Earth 2160. Der Hersteller des Computerspiels, die Firma Zuxxxez, veranlasste über die Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Herausgabe der IP-Adressen von mehreren tausend Nutzern, die danach von einer Karlsruher Kanzlei Post erhielten. Hier gab es zudem bereits Hausdurchsuchungen zur Beweissicherung.

Abmahnungen: Hart, aber nicht immer gerecht

Auf den ersten Blick mag das alles plausibel und gerecht klingen: Es sollte inzwischen allgemein bekannt sein, dass das Tauschen (insbesondere das Anbieten) von urheberrechtlich geschützten Musiktiteln, Computerspielen, Filmen etc. nicht legal ist. Doch nicht immer ist es so, dass der Anschlussinhaber eines DSL- oder Telefonanschlusses auch der Übeltäter ist. Familienmitglieder, Mitbewohner, die sich einen gemeinsamen Anschluss teilen oder gar Außenstehende, die unberechtigt ein nicht abgesichertes WLAN nutzen – die Möglichkeiten sind vielfältig und bringen den Anschlussinhaber dennoch in Erklärungsnot. Schon deswegen sollten Anwender überlegen, mit wem Sie ihr Internet teilen und sicherstellen, dass niemand ohne Berechtigung ins eigene WLAN eindringen kann.

Ob jemand für einen Verstoß, der mit Hilfe seines Internet-Anschlusses begangen wurde, haftbar gemacht werden kann, ist unklar. Zwar behauptet die abmahnende Spiele- und Musikindustrie, verantwortlich sei generell der Inhaber des Anschlusses, einschlägige Urteile, die sich auf diesen Sachverhalt beziehen, gibt es aber nach den Worten von Rechtsanwalt Johannes Richard nicht.

Er geht davon aus, dass der Anschlussinhaber wohl dann nicht haftet, wenn er nicht wusste und auch nicht wissen konnte, was über seinen Anschluss gelaufen ist. „Angenommen von einem Telefonanschluss aus werden beleidigende Anrufe ohne Kenntnis und Willen des Anschlussinhabers durchgeführt. Dann wird man diesen dafür auch nicht verantwortlich machen können“, umschreibt der Jurist den Sachverhalt.

Vorbeugen: Filesharing-Software absichern

Dabei drehen sich sämtliche bisherigen Strafanzeigen und Abmahnungen um das Bereitstellen von Inhalten in Tauschbörsen, nicht um das Herunterladen. Vielen Anwendern ist aber nicht bekannt, dass sie bei einigen Tauschbörsen schon während des eigenen Downloads wieder Fragmente von Dateien im Upload weitergeben. Dies lässt sich bei vielen Tauschbörsen-Clients abstellen, indem Sie den Upload-Wert auf Null setzen. Je nach Client kann das aber zu einem ungünstigen Upload-Download-Verhältnis führen, so dass Sie auch keine Daten mehr von den Gegenstellen bekommen.

Grundsätzlich wäre es auch möglich, über einen Proxy-Server eine andere IP-Adresse zu nutzen. Services wie Findnot.com kosten allerdings mindestens 6,25 Euro im Monat, sofern man sich für zwei Jahre an den Anbieter bindet. Allerdings ist der Service nicht für alle Fälle geeignet, da der Datendurchsatz beeinträchtigt wird und so die Daten deutlich langsamer auf den Rechner gelangen.

Eltern haften für ihre Kinder – nicht immer

Schwierig ist die rechtliche Lage vor allem dann, wenn der Nachwuchs ins Spiel kommt. Denn strittig ist, ab welchem Alter Kinder und Jugendliche eigentlich für eine Urheberrechtsverletzung sinnvoll zur Rechenschaft gezogen werden können. „Bei Ladendiebstahl, beim Einwerfen einer Fensterscheibe oder ähnlichen Dingen ist das noch vergleichsweise klar“, erklärt Johannes Richard. „Nur ist eine Urheberrechtsverletzung vom Sachverhalt her um einiges komplizierter – so kompliziert, dass oftmals nicht einmal die Eltern genau wissen, was denn erlaubt ist und was nicht.“ Zudem fände sich in vielen einschlägigen Forumsbeiträgen die (falsche) Aussage, dass Tauschbörsennutzung generell strafrechtlich nicht relevant sei.

„Eltern haften für ihre Kinder“ ist eine beliebte Wendung des täglichen Sprachgebrauchs – was aber möglicherweise in diesem Fall nicht stimmt. Denn Eltern haften nur dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht vernachlässigen. In wieweit sie diese aber im Zusammenhang mit dem Internet erfüllen müssen (und ob sie das überhaupt können), ist fraglich. Realistisch gesehen ist es oftmals eher so, dass der Nachwuchs ab einem gewissen Alter über mehr Know-how verfügt als die Eltern – und gegebenenfalls vorhandene Kindersicherungen aushebelt.

Außerdem sollten Eltern zunächst klären, ob sie überhaupt eine Unterlassungs- und Verzichtserklärung für ihr Kind unterzeichnen dürfen – eine Erklärung, die für 30 Jahre bindend ist und im Ernstfall, also bei wiederholtem Tausch, zum finanziellen Ruin des Kindes führen kann. „Hier ist zumindest einiges noch nicht vom Gesetzgeber abschließend geregelt“, so Richard, der auch familienrechtliche Folgen sieht. Sicher ist nur, dass eine solche Erklärung, nur vom Kind oder Jugendlichen unterzeichnet, nicht rechtskräftig wäre, denn Kinder und Jugendliche sind nur beschränkt geschäftsfähig. Hier aber handelt es sich keinesfalls um ein „Geschäft des täglichen Lebens“ im Sinne des Gesetzes. Aber auch die Eltern dürfen unter Umständen für ihr Kind gar keine solche Erklärung unterschreiben.

Fazit: Nicht alles schlucken

Wenn Sie eine Abmahnung erhalten, sollten Sie schleunigst rechtliche Hilfe suchen, denn die gesetzten Fristen sind in der Regel recht knapp bemessen. Foren wie 123recht.net können hier eine erste Anlaufstelle sein, sind jedoch mit Vorsicht zu genießen – nicht jeder, der dort schreibt, hat auch wirklich Ahnung von der Materie. Den Kopf in den Sand zu stecken und überhaupt nicht zu reagieren, ist in den meisten Fällen der falsche Weg.

Insbesondere wenn Sie sich tatsächlich keiner Schuld bewusst sind, lohnt sich der Gang zu einem Anwalt. Nur der kann entscheiden, ob ein Einspruch Aussicht auf Erfolg hat. Hilfreich kann auch der Blick auf Internetrecht-rostock.de sein, eine Site, die sich auf Rechtsprobleme rund um Computer und Internet spezialisiert hat. Eine Vielzahl von Gesetzestexten finden Sie unter http://www.rechtliches.net/ - die Site eignet sich allerdings eher für Anwender mit Vorkenntnissen.

Damit es allerdings gar nicht so weit kommt, sollten Sie dafür sorgen, dass Ihr WLAN abgesichert ist. Außerdem kann es gegebenenfalls nicht schaden, mit Kindern über die rechtliche Situation zu sprechen und ein Unrechtsbewusstsein zu wecken. (PC-Welt/mja)

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