802.11 Standard für drahtlose Netze - Zukünftige Entwicklungen

16.06.2005 von Prof. Dr. Axel Sikora
Der fünfte und letzte Teil unserer Grundlagenreihe beschäftigt sich ausführlich mit kommenden Standards, über die höhere Geschwindigkeiten, neue Einsatzgebiete oder Quality of Services realisiert werden sollen.

Die Standards des LAN/WAN Standards Committee (auch IEEE802) des US-amerikanischen Ingenieurverbands IEEE (sprich: I-triple-E) bilden die allgegenwärtige Basis für die Vernetzung von Rechnern.

Das wohl bekannteste Teilstück des IEEE-Regelwerks sind die Ethernet-Standards der Arbeitsgruppe 802.3 (IEEE 802.3 CSMA/CD). Sie umfassen Geschwindigkeitsklassen von 10 Mbit/s bis zu den im Herbst 2002 spezifizierten 10 Gbit/s.

Mit der Verabschiedung des ersten herstellerunabhängigen Standards für Wireless LANs (WLANs) nach 802.11 hat die Standards Association (SA) des IEEE 1997 eine zentrale Grundlage für den immensen Wachstumsmarkt der drahtlosen Übertragungsprotokolle geschaffen. Der IEEE802.11 entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer Protokollfamilie. Die zugehörigen Teilstandards firmieren landläufig unter der Bezeichnung IEEE802.11 "abc".

Der fünfte und letzte Teil unserer Grundlagenreihe beschäftigt sich ausführlich mit kommenden Standards, über die höhere Geschwindigkeiten, neue Einsatzgebiete oder Quality of Services realisiert werden sollen.

Serie: 802.11 Standard für drahtlose Netze

Teil 1

Gremien und Grundlagen

Teil 2

Der MAC-Layer

Teil 3

Der PHY-Layer

Teil 4

Zusatzfeatures

Teil 5

Weitere 802.11-Standards

Weitere IEEE802.11-Standards

Neben den bereits erwähnten Standards 802.11a/h, b und g umfasst IEEE811 noch eine Reihe weiterer Substandards. Ein Großteil davon durchläuft derzeit noch den Normierungsprozess.

Diese Arbeitsgruppen lassen sich in vier Bereiche einteilen:

Auf PHY-Ebene kümmert man sich um höhere Bandbreiten und Frequenzzuweisungen. Zu diesen Arbeitsgruppen zählen die bereits verabschiedeten Teilstandards a/h, b und g. Auch die Arbeitsgruppe "n" reiht sich hier ein. Aber auch damit wird die Reise noch nicht am Ende sein. Es sind bereits Aktivitäten für die drahtlose Gigabit-Übertragung im Gange.

Auf MAC-Ebene geht es zum einen um die Verfeinerung des Kanalzugriffs zur Unterstützung von Diensteklassen (Class of Service - CoS) und Dienstgüten (Quality of Service - QoS). Im engeren Sinne betrifft dies vor allem den IEEE802.11e (vgl. Abschnitt 37). Aber auch die Aktivitäten des IEEE802.11r werden benötigt, um eine schnelle Übergabe zu ermöglichen.

Auf MAC-Ebene geht es zum anderen um die Etablierung erweiterter und neuer Netzwerktopologien. Hierzu zählt neben dem 802.11r auch der 802.11s, der den Aufbau von vermaschten Netzwerken vorsieht.

IEEE802.11-Arbeitsgruppen

Task Group

Beschreibung

Status

802.11a

Definition eines PHY unter Nutzung eines OFDM-Modulationsverfahrens mit Trägerfrequenzen von 5 GHz und Datenraten von bis zu 54 Mbps

verabschiedet als IEEE Std. 802.11a-1999

802.11b

Definition eines PHY unter Nutzung eines DSSS-Modulationsverfahrens mit Trägerfrequenzen von 2,4 GHz und Datenraten von bis zu 11 Mbps

verabschiedet als IEEE Std. 802.11b-1999

802.11b-cor1

Korrekturen des MIB (Management Information Base) aus 802.11

verabschiedet

802.11c

Ergänzung des IEEE802.11 um spezifische MAC-Prozeduren, um 802.1-kompatible Bridge-Funktionalität zu ermöglichen

verabschiedet als Bestandteil des ISO/IEC 10038 (IEEE 802.1D)

802.11d

Erweiterung der PHY-Definitionen (wie Kanalauswahl, Frequenzsprungfolgen, Attribute der MIB) an neue Länder (Regulatory Domains)

verabschiedet in 2001

802.11e

MAC-Erweiterungen für Quality of Service: EDCF und HCF, sowie bei den Sicherheitsmechanismen (seit Mai 2001 in 802.11i)

verabschiedet in 2004

802.11f

InterAccess Point Protocol für Roaming und Load Balancing

verabschiedet in 2003

802.11g

Erweiterung des 802.11b für höhere Datenraten

verabschiedet in 2003

802.11h

Spectrum Managed 802.11a: Europäische Erweiterung des 802.11-MAC-Protokolls und des 802.11a-PHY-Protokolls für 5 GHz: TPC und DFS

verabschiedet in 2003

802.11i

MAC-Erweiterungen für verbesserte Sicherheits- und Authentifizierungsmechanismen; Übernahme der Sicherheitsthemen aus 802.11e im Mai 2001

verabschiedet in 2004

802.11n

Erhöhte Geschwindigkeiten bis 600 Mbps

geplant für 2006

802.11p

Drahtloser Zugang für Fahrzeuge

geplant für 2007

802.11r

Schnelles Roaming

in Arbeit

802.11s

ESS Mesh Networking

in Arbeit

802.11n - n wie noch schneller

In der Arbeitsgruppe "n" geht es um höhere Bandbreiten. Waren ursprünglich Bandbreiten um die 300 Mbit/s angepeilt, so haben sich die Pläne im Laufe der Diskussionen in etwa verdoppelt. Man spricht von 540 bis 600 Mbit/s bei einer Übertragung im 2.4-GHz-Bereich. Dabei basieren die derzeit vorliegenden Entwürfe auf der Kombination von mehreren Sender-/Empfängerzügen (Multiple Input - Multiple Output - MIMO).

Mittlerweile haben sich vor dem Hintergrund bereits existierender proprietärer Entwicklungen zwei Herstellergruppen formiert, die um den Standard konkurrieren.

Dies ist zum einen die WWiSE (WorldWide Spectrum Efficiency) um Texas Instruments, Broadcom und Conexant. Sie hat einen Vorschlag eingebracht, der je nach lokaler Spektrumsregulierung mit 20 oder 40 MHz breiten Funkkanälen und zwei bis vier Sender-/Empfängerzügen arbeitet. WWiSE soll in der höchsten Ausbaustufe bis zu 540 Mbit/s brutto erreichen, was mit einem verbesserten MAC-Protokoll auf rund 380 Mbit/s netto hinauslaufen könnte.

Zum anderen hat sich mit TGn Sync eine zweite Fraktion um Intel, Atheros, Cisco und andere Chipentwickler formiert, die ihre Vorstellungen von beschleunigtem WLAN beim IEEE-Standardentwurf 802.11n durchsetzen will. Wie WWiSE baut TGn Sync auf die breiteren Hochfrequenzkanäle, allerdings bei Letzterem mit einer zusätzlichen Stufe (10, 20 und 40 MHz). Durch Verbesserungen am MAC (Media Access Controller), unter anderem Header Compression und Frame Aggregation, und PHY(sical Layer) will man die Bruttodatenrate mit 600 Mbit/s noch ein Quäntchen höher treiben als WWiSE.

Welche Technik sich auch durchsetzt, das IEEE will in jedem Fall sicherstellen, dass neue Basisstationen auch mit älteren Clients zusammenarbeiten, die nach 802.11g oder 802.11b funken. Bis der neue Standard als Entwurf vorliegt, wird es wohl noch mindestens ein Jahr dauern. Das hält manche Hersteller nicht davon ab, mit eigenen Lösungen vorzupreschen, auch wenn das für Käufer bedeutet, sich später vielleicht am Ende einer Sackgasse wiederzufinden.

802.11e - "Wer ist wichtiger?"

Der Teilstandard 802.11e erweitert den oben beschriebenen Kanalzugriffsmechanismus mit Hilfe von drei Ansätzen:

Zum einen wird die DCF durch die so genannte Enhanced DCF (EDCF) erweitert. Bislang existieren verschiedene proprietäre Erweiterungen des DCF, die durch absichtliche Verletzungen der IFS-Bedingungen den Kanal so frühzeitig belegen, dass die anderen - standardkonformen - Stationen immer wieder nur einen belegten Kanal vorfinden und ihren Übertragungswunsch zurückstellen müssen. EDCF vergibt nun acht Geräteprioritäten, bei denen über ein Arbitration Interframe Space (AIFS) die Priorität festgelegt wird. Auf der Grundlage dieser Priorisierung können unterschiedliche Verkehrsgüten (Classes of Service) abgewickelt werden. Innerhalb dieser Dienstklassen gilt dann aber wieder nur der "Best-Effort"-Ansatz.

In einem zweiten Ansatz wird die Hybrid Coordination Function (HCF) definiert. Diese erweitert die bereits im originären Standard definierte Point Coordination Function (PCF), die aber niemals implementiert wurde. Die Grundidee hinter der HCF besteht darin, dass zyklisch auftretender Verkehr in einer so genannten Contention Free Period (CFP) abgewickelt wird, während der nur Stationen senden dürfen, die von einem Hybrid Controller angepollt werden. Damit wird die verteilte DCF durch ein Master-Slave-Zugriffsverfahren überlagert. Die Rolle des Masters (Hybrid Controllers) übernimmt in der Regel ein Access Point, der seine angemeldeten Stationen ansteuert. Auf diese Weise kann beispielsweise zeitkritischer Verkehr wie z.B. Voice-over-IP-Verkehr ungestört übertragen werden.

Das dritte Element besteht in der so genannten Continuation Transmit Opportunity (CTXOP). Hierunter versteht man die Möglichkeit eines Frame Bursting, das heißt der fortgesetzten Belegung des Kanals durch eine Station, die mehrere Rahmen hintereinander mit hoher Priorität übertragen möchte.

Die Wi-Fi-Alliance zertifiziert 802.11e-kompatible Produkte unter dem Marketing-Namen Wireless Media Extensions (WME).

802.11r - "Fast Roaming"

Für Multimedia-Anwendungen, wie beispielsweise Voice-over-IP über WLAN, kommt einem schnellen und vor allem zuverlässigen Wechsel von mobilen Stationen zwischen verschiedenen BSS-Zellen (Roaming) eine zentrale Bedeutung zu. Dieser wurde in der originären Spezifikation nur unzureichend spezifiziert, zumal er für reine Datendienste auch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Im Teilstandard 802.11f wurde das Inter Access Point Protocol (IAPP) definiert, dass die Kommunikation zwischen Access Points beschreibt, aber noch nicht eine ausreichend schnelle und vor allem herstellerübergreifende Übergabe von Stationen erlaubt. Insbesondere fehlt noch die im Bereich der Mobilkommunikation übliche Vorgehensweise des "Make-before-Break". Hierfür hat sich im Jahr 2004 die Arbeitsgruppe 802.11r etabliert, die standardisierte Lösungen zum "Fast Roaming" erarbeitet.

802.11s - "ESS Mesh Networking"

Vermaschte Netztopologien trifft man bei drahtgebundenen Netzwerken nur in Ausnahmefällen an, da der Kostenaufwand für die Verbindungen und für die Netzwerkkarten so hoch ist. Teilvermaschte Netze sind im Bereich von Weitverkehrsnetzen verbreitet, Cluster-Topologien beim Grid-Computing.

Hier bieten drahtlose Netze eine wesentliche Vereinfachung, weil jede Station mit beliebig vielen anderen Stationen im Empfangsbereich kommunizieren kann. Damit sind drahtlose Systeme für den Aufbau vermaschter Netze prädestiniert. Vermaschte Netze unterscheiden nicht mehr zwischen End- und Zwischenknoten. Jede Station kann Verkehr von anderen Stationen als Repeater oder Router weiterleiten.

Im Bereich der WPAN-Aktivitäten von IEEE802.15.4 und ZigBee sind Mesh Networks bereits vorgesehen. Diese leiden aber in diesem Bereich vor allem daran, dass auf den - notwendigerweise sehr kostenreduzierten - kleinen 8- oder 16-Bit-Mikro-Controllern keine leistungsfähigen Routing-Algorithmen implementiert werden können. Im Gegensatz hierzu verfügen WLAN-Stationen mit ihren 32-Bit-Mikro-Controllern über sehr viel mehr Rechenleistung.

In der letzten Zeit haben sich verschiedene Aktivitäten entwickelt, um WLAN-Access-Points auch drahtlos zu verschalten. Diese Bestrebungen sollen in der in 2004 ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe herstellerübergreifend standardisiert werden. Hierbei ist allerdings zu vermuten, dass diese Bestrebungen sowohl den Herstellern als auch den Wireless ISPs nicht wirklich gelegen kommen, so dass diese an einem langen Spezifikationsprozess interessiert sein könnten.

Literatur

Vom Autor dieses Artikels liegen zwei Bücher zum Thema vor:

Sikora, A., "Technische Grundlagen der Rechnerkommunikation: Internet-Protokolle und Anwendungen", Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag, 2003, ISBN 3-446-22455-6.

Sikora, A., "Wireless LAN - Protokolle und Anwendungen", Addison-Wesley, 2001, ISBN 3-8273-1917-X.

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