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802.11: Standard für drahtlose Netze

13.05.2005 von Prof. Dr. Axel Sikora
WLANs gewinnen an Bedeutung, ob für das drahtlose Surfen vom Sofa aus, als Hotspot oder als LAN-Alternative in Büros. Als Motor der Entwicklung fungiert der Standard 802.11, der eine breitbandige und kostengünstige Anbindung erlaubt.

Die Standards des LAN/WAN Standards Committee (auch IEEE802) des US-amerikanischen Ingenieurverbands IEEE (sprich: I-triple-E) bilden die allgegenwärtige Basis für die Vernetzung von Rechnern.

Das wohl bekannteste Teilstück des IEEE-Regelwerks sind die Ethernet-Standards der Arbeitsgruppe 802.3 (IEEE 802.3 CSMA/CD). Sie umfassen Geschwindigkeitsklassen von 10 Mbit/s bis zu den im Herbst 2002 spezifizierten 10 Gbit/s.

Mit der Verabschiedung des ersten herstellerunabhängigen Standards für Wireless LANs (WLANs) nach 802.11 hat die Standards Association (SA) des IEEE 1997 eine zentrale Grundlage für den immensen Wachstumsmarkt der drahtlosen Übertragungsprotokolle geschaffen. Der IEEE802.11 entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer Protokollfamilie. Die zugehörigen Teilstandards firmieren landläufig unter der Bezeichnung IEEE802.11 "abc".

Der erste Teil unserer Grundlagenreihe beschäftigt sich mit den diversen Gremien, die für die Standardisierung zuständig sind, und einer generellen Einordnung des 802.11-Standards und seiner Substandards.

Serie: 802.11 Standard für drahtlose Netze

Teil 1

Gremien und Grundlagen

Teil 2

Der MAC-Layer

Teil 3

Der PHY-Layer

Teil 4

Zusatzfeatures

Teil 5

Weitere 802.11-Standards

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Wireless-LAN-Gremien

Im Umfeld von IEEE802.11 agieren auch zwei Industriegremien. Die Wireless LAN Association (WLANA) soll die Verbreitung des Standards durch Marketing und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Die Wi-Fi-Alliance (ehemals Wireless Ethernet Compatibility Alliance, WECA) zertifiziert unter dem Schlagwort Wi-Fi (Wireless Fidelity) die Interoperabilität 802.11-kompatibler Geräte. Dabei entwickelt die WECA aber in zunehmendem Maße auch eigene Aktivitäten - insbesondere bei der Definition von Interim-Standards, die das Manko ausgleichen sollen, das sich durch die teilweise sehr langen Abstimmungsprozesse der IEEE Standards Association ergibt.

Neben 802.11 hat IEEE noch drei weitere Standards zur drahtlosen Signalübertragung verabschiedet - und arbeitet an noch weiteren Varianten. Der IEEE802.15.4 deckt die Netze niedriger Bandbreite und Reichweite (bis 10 m) ab, die als Wireless Personal Area Networks (WPANs) oder Short Range Wireless Networks (SRWN) bezeichnet werden. Im Gegensatz zu dem in der Consumer-Elektronik bislang dominierenden Bluetooth (einen Grundlagenbeitrag zu dieser Technologie finden Sie in unserem Hardware-Channel) soll IEEE802.15.4 im Zusammenspiel mit dem Netzwerk- und Anwendungsprotokoll ZigBee die Bereiche Heim-, Gebäude- und Industrieautomation adressieren.

IEEE802.16 beschreibt unter der Marketing-Bezeichnung WiMAX breitbandige Netze im mittleren Entfernungsbereich bis etwa 50 km und hat sich zum Ziel gesetzt, die bislang im Wesentlichen herstellerspezifischen drahtlosen Punkt-zu-Punkt- und Punkt-zu-Mehrpunkt-Funkbrücken abzulösen.

Noch ein wenig in der Zukunft liegen die Bemühungen der 802.15.3-Gruppe, die Ultra-Wide-Band (UWB) für sehr breitbandige Übertragungen über sehr kurze Distanzen definiert.

Noch recht weit in der Zukunft liegt 802.20 als Mobile Broadband Wireless Access (MBWA), der auch mobile Benutzer bei Geschwindigkeiten bis zu 250 km/h unterstützen soll.

802.11: Standard und Topologie

Die Familie der IEEE802-Standards definiert vor allem die Bereiche Bitübertragungsschicht (Physical Layer) und Sicherungsschicht (Data Link Layer), also die untersten zwei Schichten des OSI-Referenzmodells.

Funktionell unterteilt sich die Sicherungsschicht in zwei Bereiche. Für die Zugriffssteuerung, die Adressierung und das Rahmenformat zeichnet Media Access Control (MAC) verantwortlich. Die logische Steuerung der Verbindungen übernimmt Logical Link Control (LLC), das für alle IEEE802-Standards identisch ist. Auf diese Weise können Protokolle der höheren Schichten unabhängig vom Zugriffsmechanismus und der physikalischen Realisierung auf die Kommunikationsdienste zugreifen.

Drahtlose Protokolle wie 802.11 lassen sich also von Layer-3/4-Protokollen wie TCP/IP prinzipiell in gleicher Weise nutzen wie drahtgebundene Ethernet-Protokolle.

Verfahren und Frequenzen

Die erste Festlegung des Standards IEEE802.11 erfolgte nach sieben Jahren Entwicklungszeit im Jahr 1997. Er spezifiziert Bandbreiten von 1 und 2 Mbit/s. Die Spezifikation umfasst die Beschreibung eines MAC-Protokolls und dreier alternativer PHY-Technologien. Neben zwei Frequenz-Spreizverfahren (Spread Spectrum Technologies - SST) für Funkwellen im 2,4-GHz-Band zählt dazu auch ein Infrarot-Verfahren, das aber niemals praktische Relevanz erlangt hat.

Gerade die Übertragung im lizenzierungsfreien 2,4-GHz-ISM-Band macht WLANs nach IEEE802.11 besonders interessant. Dieser Frequenzbereich lässt sich weltweit für industrielle, wissenschaftliche und medizinische Zwecke (Industrial, Scientific, Medical) nutzen. Daher arbeiten etliche drahtlose Kommunikationsverfahren - auch Bluetooth und IEEE802.15.4 - ebenfalls in diesem Frequenzbereich. Zusätzlich existieren hier zahlreiche potenzielle Störquellen. Insbesondere sind Mikrowellenherde zu nennen, da bei 2.4 GHz eine Resonanzfrequenz der H2O-Moleküle liegt, durch deren Anregung wasserhaltige Speisen erwärmt werden können. Genau deswegen wurde das ISM-Band ursprünglich freigegeben: Für viele lizenz- und kostenpflichtige Übertragungsverfahren weist es ein zu hohes Aufkommen an Störern auf.

Nicht alle Nationen erlauben die vollständige Verwendung des Frequenzbereichs, einige beschränken die Anzahl verfügbarer Kanäle. Davon ist mittlerweile eigentlich nur noch Japan betroffen, nachdem in Europa Frankreich und Spanien die ursprünglichen Beschränkungen gelockert haben. Auch die weitere Spezifikation, vor allem die erlaubte Sendeleistung und die Modulationsverfahren, unterscheiden sich zum Teil deutlich.

Schnelle 802.11-Varianten

Schon bei der Zertifizierung des ursprünglichen 802.11-Standards war abzusehen, dass eine Datenrate von 2 Mbit/s für einen Markterfolg nicht ausreicht. Aus diesem Grund hatten zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Anbieter proprietäre Lösungen entwickelt. 1999 wurden dem Standard mit 802.11a und 802.11b zwei weitere Varianten hinzugefügt. Beide verfolgen das Ziel, höhere Bandbreiten zu erreichen. Allerdings beschreiten sie dabei verschiedene Wege.

802.11b stellt eine Erweiterung des DSSS-Bestandteils des originären 802.11-Standards dar. 802.11a löst sich dagegen vom ursprünglich verwendeten ISM-Band und weicht auf das 5-GHz-Band aus, in dem sich mit einem OFDM-Verfahren höhere Bandbreiten von bis zu 54 Mbit/s bei einer größeren Anzahl von Kanälen realisieren lassen. Seit Mitte 2003 steht mit 802.11g eine OFDM-basierte Lösung mit Datenraten von bis zu 54 Mbit/ s im 2,4-GHz-Bereich zur Verfügung. Die Arbeitsgruppe "n" arbeitet gegenwärtig an einer weiteren Geschwindigkeitssteigerung auf bis zu 500 Mbit/s.

Topologie im Funknetz

IEEE802.11 unterscheidet zwei grundsätzliche Betriebsarten: den Ad-hoc- und den Infrastruktur-Modus. Im Ad-hoc-Modus kommunizieren Endgeräte in einem Peer-to-Peer-Netzwerk unmittelbar miteinander. Solche Independent Basic Service Sets (IBSS) erlauben den schnellen, einfachen und kostengünstigen Aufbau von Netzwerken über kurze Entfernungen und mit begrenzter Teilnehmerzahl. Im Infrastruktur-Modus erfolgt die Kommunikation über einen Zugangspunkt (Access Point - AP), der als Relaisstation die Reichweite der Funkzelle verdoppelt. Zudem fungiert der AP als Funkbrücke und stellt typischerweise auch die Verbindung zum drahtgebundenen Netz her.

In der einfachsten Version besteht ein Infrastruktur-Funknetz aus einem AP und einer Gruppe von drahtlosen Stationen. Ein solches Netzwerk wird als Basic Service Set (BSS) bezeichnet. Koppelt man mehrere BSS über ein LAN, so spricht man von einem Extended Service Set (ESS). In diesem Modus spielt die korrekte Zuordnung der Stationen zu einem BSS eine entscheidende Rolle.

Daher müssen sich im Infrastruktur-Modus alle Stationen bei einem Access Point anmelden. Sie übertragen dann auf dem Kanal, der vom jeweiligen AP verwendet wird. Ein Wechsel der Zuordnung kann durch eine Veränderung der Kanaleigenschaften erfolgen (speziell beim Ortswechsel von mobilen Stationen), oder auch vom Administrator im Sinne eines Load Balancing vorgegeben werden.

Literatur

Vom Autor dieses Artikels liegen zwei Bücher zum Thema vor:

Sikora, A., "Technische Grundlagen der Rechnerkommunikation: Internet-Protokolle und Anwendungen", Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag, 2003, ISBN 3-446-22455-6.

Sikora, A., "Wireless LAN - Protokolle und Anwendungen", Addison-Wesley, 2001, ISBN 3-8273-1917-X.

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