3GSM: Java dominiert, Symbian stärkt Position

04.03.2004 von Jürgen Fey
Die Hersteller mobiler Devices haben sich auf Java als mobile Plattform eingeschossen und auf der 3GSM-Messe zahlreiche Erweiterungen vorgestellt. Aber auch Symbian konnte mit viel Neuem aufwarten.

Während die Welt der mobilen Endgeräte immer mehr jede Nische auszufüllen sucht, haben die Hersteller sich zugleich längst auf Java als universelle Programmierplattform eingeschossen. Kaum ein neues Handy kommt ohne J2ME-Support aus, und auch auf dem PDA findet Java immer mehr Anhänger. Nach offiziellen Angaben von Sun Microsystems sind inzwischen über 1,5 Milliarden Geräte, vom Server bis zur Smartcard, "Java-enabled". Dazu gehören etwa 250 Millionen Handys und 500 Millionen Smartcards.

Die Hersteller sehen dabei Java mit seinen genau definierten Geräteklassen-spezifischen APIs als universelles Instrument an, um kontrolliert an die jeweiligen Gerätefunktionen heranzukommen. Sogar das Microsoft-Lager mit Motorola und Samsung unterstützt J2ME, indem die Java-VM - jeweils in Eigenregie - der Smartphone-Platform von Microsoft etwa für das kommende Motorola MPx Smartphone hinzugefügt wird.

Palm kündigte kürzlich an, die von IBM entwickelte JavaVM (WebSphere MicroEnvironment) einzusetzen, die MIDP 2.0 unterstützt. Allerdings ist man bei Palm der festen Meinung, dass MIDP-Applikationen lediglich für neue Anwendungstypen interessant ist. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass Palm in Zukunft auch das Personal Profile unterstützt, um etwa PIM-orientierte Anwendungen besser realisieren zu können.

Dies soll weiterhin eine Domäne der nativen Palm-Anwendungen bleiben. Hier hat Nokia mit dem Nokia Communicator 9500 eine Alternative angekündigt. Dieses neue Gerät aus der seit Jahren kaum weiterentwickelten "Series 80"-Reihe bietet wahlweise MIDP 2.0 und Personal Profile auf Basis von CDC (Connected Device Configuration) und dem Foundation Profile.

Neues Zertifizierungsprogramm

Mit dem Java-Verified-Programm will man jetzt einen lästigen und kostenintensiven Stolperstein aus dem Weg räumen. Bisher haben die Hersteller und auch viele Netzwerkbetreiber eigene Zertifizierungsprogramme für J2ME-Applikationen. Erfüllt eine Anwendung die jeweilige Norm, erhält diese ein Logo ("Nokia OK") und wird in die Vertriebswege aufgenommen oder bekommt zumindest ein offizielles Plazet.

Leider waren die Zertifizierungen bisher sehr unterschiedlich, so dass der Software-Anbieter gleich eine Handvoll von Zertifizierungen über sich ergehen lassen musste - von den auflaufenden Kosten und dem Zeitverzug ganz zu schweigen. Jetzt haben sich Motorola, Nokia, Siemens, Sony Ericsson und Sun Microsystems zusammengetan, um eine für alle gültige und offene Testplattform zu definieren.

Erfüllt die Anwendung die Richtlinien, so gilt die Zertifizierung für alle Teilnehmer. Die Tests werden von externen Testhäusern durchgeführt. Es wird interessant zu beobachten, ob die Netzwerkbetreiber diese Aktivität ebenfalls unterstützen. Auf der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des erstmals im letzten Jahr angekündigten Programms erschien mit Nextel ausgerechnet ein bisher nicht gerade durch seine Standardfestigkeit bekannter Operator.

Neue APIS für mobile Devices

Für viele Entwickler ist J2ME zwar theoretisch eine ideale Umgebung, um Anwendungen für mobile Endgeräte zu erstellen, jedoch wünscht man sich einen wesentlich erweiterten Funktionsumfang über zusätzliche APIs. MIDP 2.0 ist zusammen mit JSR-185 auch unter dem Namen Java Technology for the Wireless Industry (JTWI) bekannt und definiert unter anderem die bekannte Messaging- und Multimedia-API sowie eine Testumgebung. In China will China Unicom auf der Basis von JTWI eine Java-Plattform unter dem Namen "UniJa" für seine 90 Millionen Kunden aufbauen.

Mit der Web Services-API (JSR-172) und beispielsweise dem Mobile-3D-Standard für J2ME (JSR-184) stehen weitere nützliche Schnittstellen in den Startlöchern. Kürzlich kam mit JSR-239 eine neue Initiative hinzu, die einen direkten Zugriff eines J2ME-Clients auf die OpenGL / ES-Ebene erlauben wird. Siemens treibt eine Initiative an, um im Rahmen der JSR-229 Bezahlsysteme einfacher und universeller gestalten zu können, und auf der Server-Seite könnte OSS-J als API zur Verbindung in die Systeme beim Operator noch für zusätzlichen Schwung sorgen. Das vor Jahren wohl etwas zu früh gestartete JINI könnte im Zusammenhang mit Bluetooth-Anwendungen ebenfalls wieder zu neuen Ehren kommen.

JAIN für Server, schnellere VM

Mit JAIN SLEE steht ebenfalls auf der Server-Seite eine neue Technologie bereit, die die Services unterschiedlicher Anbieter unter einen Hut bekommen könnte. Ein sehr interessanter Aspekt hierbei ist der Support von SIP (Session Initiation Protocol).

Hierzu ist ebenfalls ein Java-API-Projekt unter dem JSR-Dach in Arbeit, und in Kürze ist mit ersten Implementationen von SIP auf der Herstellerseite zu rechnen. SIP wird insbesondere für Anwendungen wie Instant Messaging, mobile Chat oder Push-Services interessant.

Auch die VM wird weiter entwickelt, um beispielsweise mehr Performance anzubieten. Sun selbst kündigte unter dem Namen "Java Technology for Smartphones HotSpot Implementation") eine Hotspot-Implementation an, die etwa um den Faktor 6 schneller sein soll als die bisherige J2ME-VM.

Nokia hat im aktuellen Modell Nokia 6600 bereits die ebenfalls schnellere Monty VM implementiert, die ebenso über Hotspot-Technologie verfügt, aber durch ein geändertes Threading-Modell und einen aggressiven Garbage Collector zuweilen für Umstellungsprobleme bei den Applikationen sorgt.

Symbian stärkt seine Position

Unter Branchenkennern zählt Symbian zu den drei Plattformen für mobile Endgeräte, die auch in Zukunft eine Überlebenschance haben. Zur 3GSM stellte Symbian seine aktuellen Zahlen und neue Produkte vor.

Im letzten Jahr hat sich für Symbian der Aufwärtstrend aus dem Vorjahr bestätigt. Laut Symbian konnte im Dezember zum ersten Mal über eine Million Symbian-Geräte verkauft werden. Über das gesamte Jahr summierten sich die Verkäufe der insgesamt fünf aktiven Lizenznehmer auf 6,67 Millionen Geräte. Über alles sind damit jetzt etwa 10 Millionen Symbian-Geräte im Einsatz. Jedes Gerät schlägt mit Lizenzgebühren von 7,25 US-Dollar für die ersten 2 Millionen Geräte zu Buche.

Gerüchten zufolge hat Nokia mit dem Modell 6600 diese Zahl in wenigen Monaten bereits erreicht und kommt in den Genuss der reduzierten 5 US-Dollar pro Gerät. Durchschnittlich liegen die reinen Herstellungskosten eines Symbian-Endgeräts zwischen 130 und 140 US-Dollar. Für UIQ-Kunden ist eine weitere Lizenzzahlung fällig, während die Series 60-Umgebung diverser Hersteller die Aktionäre von Nokia durch Lizenzeinnahmen erfreut.

Neue Klarstellungen

Der geplante Aufkauf der bisherigen Psion-Anteile seitens anderer Teilhaber, allen voran Nokia, scheint sich indes zu einer Art Marketing-Alptraum zu entwickeln. So sticht natürlich die Konkurrenz in die offene Wunde und spricht von der offenen Übernahme von Symbian durch den Branchenprimus Nokia und stellt den Vergleich zu Microsoft im PC-Segment an.

Tatsächlich sind die Würfel noch gar nicht gefallen. So haben derzeit alle Symbian-Teilhaber die Gelegenheit, sich den Zukauf weiterer Prozentpunkte zu überlegen. Der Nokia-Anteil wird dann, je nach Aktivitäten der anderen, zwischen 46,6 und 63,3 Prozent liegen.

David Levin, CEO von Symbian, versuchte ob der schlechten Stimmung einiger Teilnehmer im Markt, die Lage nochmals genauer zu erklären: "Es gibt keine speziellen Deals für unsere Teilhaber - alle bekommen die Quellen zu gleichen Bedingungen und Kosten". Laut Levine könnte Nokia erst bei einem Anteil von 70 Prozent die Kontrolle über Symbian erlangen: "In jedem Fall wird Nokia auch weiterhin nur 2 von 9 der Boardmember im Governing Board halten. Eine Gefahr der einseitigen Kontrolle besteht also auch nach dem etwaigen Transfer der Psion-Anteile nicht".

Kein Börsengang dieses Jahr

Derzeit muss der Aktienverkauf zuerst einmal durch die Anteilseigner von Psion genehmigt werden (bis Mitte März). Danach werden die internationalen Regulierungsbehörden angerufen, um bis April grünes Licht für die Angabe der Psion-Anteile zu erhalten.

Die derzeitigen Symbian-Teilhaber haben dann im Mai und Juni drei Wochen Zeit, um sich ihre Position zu definieren. Laut Levine besteht bereits verstärktes Interesse in Japan an Symbian-Anteilen. Levine:" Nokia hat bekannt gegeben, die offenen Psion-Anteile zu übernehmen, um Symbian zu stärken, ohne uns kontrollieren zu wollen. Das ist einmalig in der Geschichte unserer Industrie".

Gerüchte eines Börsengangs wurden nicht vollständig dementiert: "Ein Symbian IPO ist eine der diskutierten Optionen. In diesem Jahr wäre damit aber sicherlich nicht zu rechnen".

Neue Geräte und Lizenznehmer

Symbian konnte zur 3GSM gleich mehrere neue Geräte und Lizenznehmer begrüßen. So lizenzierte Arima (zweitgrößter Hersteller von mobilen Terminals und Notebooks in Taiwan) Symbian-OS mit der UIQ-Oberfläche und folgte damit Motorola, Sony Ericsson und BenQ. Zudem konnte man auch LG, die Nummer fünf im weltweiten Handymarkt, als Lizenznehmer gewinnen, ohne genauere Angaben über die Ziele der Koreaner machen zu wollen.

Nokia stellte mit dem Nokia 9500 einen neuen Spross der alten Communicator-Familie vor. Dieses Gerät passt optisch noch gut in die bekannte Series80-Familie, verfügt aber über eine eigenständige Systemumgebung (Symbian 7.0s vs. 6.0 oder früher et cetera) mit einigen Neuerungen, die dem Entwickler mal wieder einen Lernprozess abverlangen. Der Hersteller bietet auch gleich eine eigenständige Entwicklungsumgebung für die Series 80 Developer Platform 2.0 an, die sowohl MIDP, Personal Profile (per Plug-in) und natürlich auch eine native Umgebung zur Verfügung stellt.

Motorola zeigte mit dem A925 das zweite 3G-Handy aus den eigenen Reihen. Wie die Mehrzahl der 3G-Varianten setzt auch das amerikanische System bei diesem UIQ-Spross auf Video- und Audio-Streaming. Per Webbrowser oder E-Mail kann man ebenfalls kommunizieren. Der integrierte GPS-Empfänger, ein MP3-Player sowie Handschrifterkennung gehören ebenfalls zum Featureset des einstweilen in Italien verfügbaren Geräts.

Innovatives aus Fernost

Das im Vergleich zum Nokia 9500 weitaus innovativere Gerät kommt aus Japan und hört auf den Namen Panasonic X700. Der Winzling bietet eine komplette Series60-Umgebung (DP 2.0), eine Video-Kamera und erstmalig eine Mini-SD-Karte. Die Mini-SD nutzt nur 40 Prozent des Volumens einer normalen SD-Card, bietet bis zu 128 MByte Kapazität und passt somit besser zum kleinen Formfaktor des X700. Die Multimediacard Association geht davon aus, dass in den folgenden zwei Jahren mindestens ein Drittel aller Smartphones eine von außen austauschbare Memory-Karte aufweisen werden.

Zudem lässt sich eine Mini-SD per Adapter (Bild) auch als "normale" SD-Card nutzen. Mit dem zusätzlichen Speicher, der endlich ohne Batterieentnahme ausgetauscht werden kann, lassen sich dann auch mehrere MByte große Powerpoint-Präsentationen, Word- und Excel-Dateien speichern und mittels Viewer-Software darstellen. Das Gerät bietet zudem Bluetooth-Support.

Neue Symbian-Versionen

Die 3GSM wurde auch ausgewählt, mit Symbian 8.0 und UIQ 3.0 gleich zwei Neuerungen in der Symbian-Systemwelt anzukündigen. UIQ 3.0 soll sowohl für die bisherigen Pen-basierten Geräte als auch für Single-handed-Geräte (die Series60-Domäne) ausgelegt sein und lässt sich besser konfigurieren und optisch anpassen.

Erste Geräte sind erst im nächsten Jahr zu erwarten. Symbian 8.0 bietet unter anderem das Media Device Framework (MDF), das als Hardware Abstraction Layer (HAL) für Video, Audio und Spracherkennung ausgelegt ist, um die Clients universeller zum machen. Hardware-Hersteller und Middleware-Spezialisten können damit bestimmte Funktionen besser optimieren. Das verbesserte Device Management Framework unterstützt dann SynchML 1.1. Zu den Neuerungen von Symbian OS 8.0 gehört ein verbesserter Support so genannter "harter" Echtzeit-Funktionen. Dies soll insbesondere die Integration von Telefonie- und Applikationsfunktionen erleichtern und die Herstellungskosten reduzieren.

Der Java-Support wird ebenfalls erweitert. So ist MIDP 2.0 (JSR-118), CLDC 1.1 (JSR-139), der MobileMedia-API (JSR-135), Mobile 3D (JSR-184), das JWTI-Paket (JSR-185) sowie der neue Hotspot VM (CLDC HI 1.1 Java VM) im Java-Paket enthalten. Zudem findet sich in Symbian OS 8.0 auch ein OpenGL / ES-Layer. Die schöne neue Zeit der mobilen 3D-Anwendungen kann also kommen - voraussichtlich aber erst im nächsten Jahr. Passend dazu unterstützt Symbian 8.0 auch endlich den SDIO-Standard.

Neue Tools und Sprachen

Der Tools-Hauslieferant von Symbian, die Motorola-Tochter Metrowerks kündigte gleich das CodeWarrior Development Studio for Symbian OS, OEM Edition, Version 2.8 an. Eine Variante für Endkunden ist bei Verfügbarkeit der ersten Symbian-8.0-Emulatoren seitens der Hersteller zu erwarten. Insbesondere sollen die Debugging-Features verbessert worden sein, und der neue SDK-Wizard soll den Austausch der Symbian-Systemplattform (V 0.9, 1.0, 2.0, 2.1 et cetera) erleichtern. Zudem kümmert sich Metrowerks derzeit auch um die Verbesserung der Testumgebung für Symbian-Clients.

Neben der nativen C++-Umgebung und diversen Java-Varianten (MIDP, Personal Java, Personal Profile) sowie der auf Visual Basic und VB-net basierenden AppForge-Produktlinie findet auch das gute alte OPL (Open Programming Language) wieder Einzug in moderne Symbian-Umgebungen. Alte Psion-Kämpfer werden sich sicherlich noch an die Interpretierte Sprache OPL erinnern, die sich an Basic anlehnt. Das aktuelle OPL-Projekt wurde von Symbian als Open-Source-Projekt für die UIQ-Oberfläche veröffentlicht. OPL ist unter der gleichen Adresse auch für Series-60-Geräte und den Communicator verfügbar. Nokia arbeitet zudem an einer Alternative mit einer offenen Phyton-Umgebung für seine Series. (ala)