3GSM 2006: Der wichtigste Mobilfunk-Kongress des Jahres

13.02.2006 von Jürgen Fey
Vom 13. bis 16. Februar findet der 3GSM-Kongress statt, der zu den wichtigsten Mobilefunk-Ereignissen im Jahr gehört. Zum ersten Mal pilgern die über 60.000 Besucher nach Barcelona. Wir berichten direkt vom Kongress.

Diesmal pilgert die mobile Karavane also in das katalanische Barcelona zum 3GSM World Congress. Von restlos ausgebuchten Hotels abgesehen, profitiert die Veranstaltung spürbar vom Umzug aus dem engen und teuren Cannes, wo die 3GSM in den letzten Jahren stattfand. Über 60.000 Besucher werden erwartet - Rekordbesuch. Insgesamt blickt die Mehrzahl der Teilnehmer mit ungebremsten Optimismus auch auf dieses Jahr.

Und wieder beglückwünscht sich jeder dazu, in einer absoluten Boom-Branche tätig zu sein. Die Kunden-Akzeptanz der 3G-Idee, neue Services wie MobileTV und Streaming Music, sowie natürlich eine verbesserte Gerätegeneration und neue Services stehen diesmal im Zentrum des Interesses.

Trends und Zahlen

Die entscheidende Frage, ob die schöne neue Welt der 3G-Netze auch tatsächlich angenommen wird, kann letztendlich nur der zahlende Kunde beantworten. Aus England kommen hierzu keineswegs überraschende und dennoch beunruhigende Neuigkeiten.

Nach einer Umfrage von YouGov zeigt die Mehrzahl der britischen Kunden derzeit dem 3G-Hype noch immer die kalte Schulter. Demnach sind 79 Prozent der User davon überzeugt, dass mit 3G alles noch komplizierter wird. Ebenfalls 79 Prozent nutzen 3G-spezifische Services wie etwa Video-Telefonie selten oder gar nicht. Immerhin wollen in diesem Jahr 8 Prozent der Kunden auf ein 3G-Gerät umsteigen (von 4 Prozent im letzten Jahr).

Dieser Trend dürfte sich noch deutlich verstärken, da die Netzwerkbetreiber die bisherigen 2.5G-Geräte in ihrem Portfolio durch günstige und leistungsfähige 3G-Varianten ersetzen. Der Druck auf die Geräte-Hersteller wächst stetig. Im Portfolio vieler Betreiber dürften zum Ende dieses Jahres erstmals mehr 3G-Geräte als 2.5G-Varianten auf die Gunst der innovationsfreudigen Kundschaft warten.

MobileTV

Einer der Vorzeige-Dienste, der die Kundschaft in Scharen in das teuer aufgebaute 3G-Netzwerk locken soll, ist ohne Zweifel MobileTV.

Per Video-Streaming können dabei die Konsumenten aus diversen „normalen“ TV-Kanälen und speziell für die mobile Umgebung erstellte Kurz- Häppchen („Video snacks“) wählen. Hierbei kommen in der Regel Browser-basierte Lösungen zum Einsatz bei der der Videostream direkt im Browser dargestellt wird.

So manch gute Idee muss dabei derzeit noch warten, bis die Browserhersteller wie Openwave, Teleca oder Access mit den Anforderungen der Service-Anbieter und Operatoren mithalten können. Dedizierte „native“ MobileTV-Anwendungen werden demgegenüber die Ausnahme bleiben.

Um die Verbreitung des digitalen TV-Standards DVB-H zu unterstützen haben Sony Ericcson und Nokia vereinbart, bei der Entwicklung von DVB-H-Services und Clients zusammenzuarbeiten um eine möglichst hohe Interoperabilität auf Basis des „Open Air Interface“ (OAI) zu ermöglichen. Die im letzten Jahr bereits veröffentlichten OAI-Richtlinien gelten demnach als Richtschnur für beide Firmen um dieses Ziel er erreichen.

BlogTV

Mit “User Generated Content” (Blogs, Flickr, Chat-Foren etc.) migriert ein Trend, der bereits in der Desktop-Welt für Verwerfungen im Publishing-Business sorgt, in die Handy-Welt.

BlogTV versucht auf diesem Trend aufzuspringen beziehungsweise diesen an vorderster Front mit zu definieren. BlogTV ist eine Art „Live broadcast“ für 3G-Geräte. Schon macht der Term „Vlogger“ die Runde und lässt die stolzen Blogger potenziell schon wieder alt aussehen. Der Zugang zum Service ist einfach. Nach dem Login in den BlogTV-Server kann jeder User seinen Content an alle Zuseher per Broadcast über „seinen“ Channel senden.

Die BlogTV-Show besteht dabei aus Video- und Chat-Content. Die Betreiber haben auf den neuen Trend bereits das eine oder andere Auge geworfen. Orange sieht in Anwendungen wie BlogTV einen interessanten Umsatzträger, da die Kunden damit in jedem Fall für den so dringend benötigten Datentraffic sorgen. Kein Wunder also, dass Orange inzwischen vier BlogTV-Kanäle selbst betreibt und bei Bedarf weitere hinzuschalten will. Weltweit sind bereits 70.000 Broadcaster mit etwa 500 Shows jeden Tag „on air“. Für den Anbieter geht es dabei nicht darum, zu einem wirklichen Massen-Broadcaster zu werden.

Streaming

Auf mobile Inhalte und insbesondere Video-Applikationen konzentriert sich auch die die niederländische Firma IceMobile. Videocall2tv erlaubt es beispielsweise dem Anwender, sich vom Handy direkt mit der Infrastruktur eines TV-Senders zu verbinden, um etwa News, getreu dem Motto „jeder kann ein Reporter sein“, direkt vom Handy in den Kanal zu übertragen.

Das gleiche Signal kann man mit Varianten des Produktes ins Web oder auf andere Handies übertragen. Als Anwendungsbeispiel zeigte der Hersteller auch den Fall einer Musikband, die ihre Auftritte auf diese Weise öffentlich macht.

Mit der Streaming-Technologie konkurrierend zeigen auch die Lager von DVB-H sowie DMB (Terrestrial Digital Media Broadcasting) Flagge. Kaum ein Hersteller, der nicht seine Lösung hierfür präsentiert. Dabei schwappt diese Welle eindeutig von Korea und Japan nach Europa über. Insbesondere in Korea ist dieser Markt bereits seit dem letzten Jahr aktiv.

Samsung beispielsweise zeigt mit dem SGH-P900 rechtzeitig zur Fussball-WM das erste T-DMB-Gerät für Europa – es soll im zweiten Quartal 2006 verfügbar sein. Das SGH-910 unterstützt demgegenüber die DVB-H-Technologie. Das SPH-B4100 wiederum kombiniert S-DMB und T-DMB- Es bietet eine 5 MPixel-Kamera und ein Picture-in-Picture-Feature (PIP), um zwei Programme gleichzeitig sehen zu können.

HSDPA

Mit HSDPA (High Speed Download Packet Access) lassen sich Downlink-Übertragungsraten von bis zu 3,6 Mbps erzielen. Derzeit arbeiten die Netzwerk-Betreiber daran, die Technik in ihre Infrastruktur zu integrieren.

Die erhöhte Download-Performance muss nicht zwingend für MobileTV-Streaming zu Gute kommen – derzeit nutzen die meisten Betreiber noch nicht einmal die übliche 3G-Schwelle von 384 kBit/s, sondern transferieren bei etwa 150 kbit/s.

Samsungs erstes HSDPA-konforme 3G-Gerät ist das Z560. Das Handy schafft bis zu 1,8 Mbps und ist mit Features wie einer 2 Mpixel-Kamera (Auto-Fokus) und externen Musik-Keys ausgestattet.

Mit dem EF91 streitet sich BenQ Mobile mit Samsung um das Attribut, das weltweit erste HSDPA-Gerät in den Markt zu bringen. Das EF91 bietet neben dem schnellen Download ein 3,2 MPixel-Kamera mit Autofokus, Fotolicht und Camcorder-Funktion sowie ein großes 2-Zoll-Display mit einer Auflösung von 240x320 Pixel (262.000 Farben). Ein Steckplatz für MicroSD-Karten dient der Speichererweiterung. Natürlich bietet das EF91 auch einen MP3-Player und Bluetooth. Nach Angaben des Herstellers kommt das EF91 diesen Sommer in die Läden.

Wimax-Lösungen

Diverse Hersteller zeigen mit WiBro (Mobile WiMAX in Korea) eine weitere Alternative, um hohe Übertragungsraten zu erzielen. Zwar ist es für eine Markteinführung in Europa noch etwas früh, doch planen diverse Betreiber in Korea einen Start noch in diesem Jahr.

WiBro basiert auf dem IEEE 802.16e TDD OFDMA-Standard und erlaubt die Übertragung von Daten bis zu Geschwindigkeiten von 120 km/h mit Datenraten zwischen 20 und 30 Mbps und Abständen zur Basisstation von einem bis fünf Kilometer,

BREW kommt, oder doch nicht?

Bislang war die Welt der offenen Entwicklungsumgebungen für mobile Endgeräte auf Java (Java ME), Palm, PocketPC/Smartphone und native Symbian-Applikationen (Series60, UIQ) beschränkt.

Mit BREW der kalifornischen Firma Qualcomm findet nun eine weitere Möglichkeit den Weg nach Europa. BREW versteht sich als Alternative zu Java und basiert auf C um hochperformante Anwendungen im low- bis high-tier Markt zu ermöglichen.

Bisher galt BREW bereit in Japan und mit Abstrichen in den USA als feste Größe, an der Anwendungsprogrammierer nicht vorbeikommen. KDDI hat beispielsweise nach eigenen Angaben im letzten Jahr über 8 Millionen Brew-Geräte in Japan verkauft. Nach Qualcomm-Angaben bieten derzeit 62 Netzwerk-Betreiber in 29 Ländern BREW-basierende Geräte.

Mit BenQ kündigte nun ein wichtiger Anbieter für Europa Geräte an, die auf der BREW-Plattform basieren. BenQ nutzt hierbei die BREW-Plattform nicht nur für die Anwendungen, sondern setzt dieses System-Umfeld auch gleich als Betriebssystem für die Geräte ein.

Jeder Software-Entwickler muss sich zertifizieren lassen um die Applikationen signieren zu könnenm, bevor sich diese auf Endgeräte aufspielen lassen. Damit will Qualcomm die Qualität und Sicherheit der Anwendungen erhöhen. Derzeit muss die BREW-Umgebung bereits vom Gerätehersteller auf dem Handy zur Verfügung gestellt werden.

Der Anwender kann die Umgebung (wie etwa die AppForge-Runtime) nicht nachträglich installieren. Dies beschränkt die potenzielle Anzahl der für den Entwickler zur Verfügung stehenden Geräte in Europa spürbar. Es bleibt abzuwarten, ob der Hersteller diese Einschränkung entweder durch eine stark anwachsende Verbreitung (mehr Geräte, mehr Hersteller) oder durch eine Portierung der Laufzeit-Umgebung etwa auf Symbian oder andere Plattformen verbessern kann.

Beobachter der Szene nehmen an, dass auf Dauer neben Symbian, den Microsoft-Umgebungen und Java nur wenig weitere mobile Plattformen überleben können – Palm gilt nach der Ankündigung, künftig Windows Mobile zu unterstützen, bereits als der erste Aussteiger.

In unserem 3GSM-Special finden Sie ausführliche Informationen zu 3GSM und dem 3GSM World Comgress. (mec)