Aller guten Dinge sind drei

Drei Komponenten sind zum Aufbau einer IP-PBX-Infrastruktur erforderlich: der Telefonie-Client, der als IP-Telefon oder Software auf einem PC zur Verfügung gestellt wird, ein PBX-Server als zentrales Element der Infrastruktur und ein Gateway, das die Verbindung zwischen dem IP-Netz und dem öffentlichen Telefonnetz herstellt.

Von: Dr. Ralf Ebbinghaus

Das Herzstück einer IP-PBX-Architektur ist der Server. Er ist für alle Vermittlungsprozesse und Verbindungsanforderungen zuständig, wie für das Umleiten von Rufen bei "besetzt" oder "nicht erreichbar", für Konferenzschaltungen oder das Einspielen von Musik, wenn ein Anrufer warten muss. Weil der Telefonie-Server alle Verbindungsanforderungen bearbeitet, verwaltet er auch die statistischen Informationen über die Auslastung der Verbindungswege, den Zustand der aktuellen Verbindungen und den Status aller registrierten Teilnehmer. Die Sprachdaten werden allerdings direkt zwischen den Telefonen ausgetauscht und nur in Ausnahmefällen über den Server geleitet, etwa bei einer Telefonkonferenz.

Darüber hinaus ist der Server für die Komfortmerkmale ("Supplementary Services") verantwortlich. Gerade hier zeigt sich die Leistungsfähigkeit einer IP-Telefonanlage. Zu den Leistungsmerkmalen zählen Funktionen wie Anrufe halten, um- oder weiterleiten, Wahlwiederholung, Namenstasten, Anklopfen, Rufnummernübertragung sowie Gebühreninformation, die mit ihrer Integration in PC-Applikationen (Outlook, Exchange, Lotus Notes) die Welt der "echten" Computer-Telefonie-Integration erschließen.

Spezielle Funktionen von IP-Telefonanlagen

Besonders interessant sind jedoch IP-PBX-Server, wenn es darum geht, vollkommen neue Funktionen zu realisieren, die auf anderen Nebenstellenanlagen unmöglich sind, wie zum Beispiel:

- Tages- und Wochenprofile für die Steuerung von eingehenden Rufen: Selbst der individuelle Kalender von Microsoft Outlook kann eingehende Anrufe automatisch annehmen und weiterleiten.

- Log-in-Daten: Sobald sich ein Nutzer von einem anderen Ort aus über das Internet einloggt, etwa einem Hotelzimmer oder von zu Hause, werden alle Gespräche an dieses Endgerät weitergeleitet. Loggt sich der Nutzer aus, kann der Server die Rufe automatisch weiterleiten oder ablehnen.

- Ankommende Rufe am Wochen-ende: Ein Anrufbeantworter nimmt den Ruf an und bietet dem Anrufer beispielsweise die Möglichkeit, statt eine Nachricht zu hinterlassen, eine Verbindung zum Notdienst oder zu einer bestimmten Person herzustellen. Dies bestätigt der Anrufer über seine Telefontastatur oder im Dialog mittels Spracherkennung.

- Rufnummernübertragung mit Unterstützung von Telefon-Verzeichnis-CDs: Bei einem eingehenden Ruf sucht die IP-PBX den Teilnehmer des rufenden Anschlusses in der Telefonnummerndatenbank. Am Ende des Gesprächs wird dem Angerufenen angeboten, die Ruferinformationen (Rufnummer, Name, Adresse) gleich in sein Adressverzeichnis aufzunehmen, etwa in den "Kontakte"-Ordner von Microsoft Outlook.

- Automatische Installation und Konfiguration neu angeschlossener Telefone.

- Message-Waiting durch Signalisierung am Telefon oder extern durch E-Mail, Short Message Service (SMS) oder Voice-Mail-Forwarding: Das heißt Anruf einer (externen) Nummer und Abspielen des gerade aufgenommenen Textes.

Weitere Funktionen lassen sich zur Verfügung stellen, weil die TAPI-Schnittstelle beziehungsweise "TAPI Service Provider" (TSP) unterstützt werden. Das betrifft Fax, Voice Mail, Interactive Voice Response, Spracherkennung oder Unified Messaging. Weitere Module eines IP-PBX-Servers können Informationen zur Abrechnung und Verkehrsmessung sowie eine Benutzerverwaltung mit Rechten und Profilen bereitstellen. Zu diesem Bereich zählen auch Logfiles und "Call Detail Records" (CDR) zur Datenübergabe an eine Abrechnungssoftware.

Geld sparen mit Least Cost Routing

Eine wichtige Eigenschaft von Serverprodukten ist, dass sie LAN- und PC-IP-Telefone automatisch erkennen. Aus Gründen der Ausfallsicherheit, aber auch, um an verschiedenen Standorten eigene Telefonie-Server installieren zu können, muss ein synchroner Betrieb mehrerer IP-PBX-Server in einem Unternehmensnetz unterstützt werden. Dies ermöglicht erst den Aufbau von ausfallsicheren Konfigurationen mit redundanten Servern. Auch der Betrieb mit einem oder mehreren VoIP-Gateways ist Voraussetzung einer optimalen "Least- Cost-Routing"-Strategie (LCR).

LCR wählt automatisch den preiswertesten Verbindungsweg. Dabei berücksichtigt das Verfahren sowohl die Kosten für die Nutzung unterschiedlicher Carrier für das "Public Switched Telephone Network" (PSTN) als auch die Möglichkeit, den Sprachverkehr möglichst lange innerhalb eines kostengünstigen IP-Netzes zu halten. Da-rüber hinaus muss ein IP-PBX-Server in der Lage sein, die für eine Verbindung gewünschte "Quality of Service" zu garantieren, indem er entweder ganz auf eine IP-Weiterleitung verzichtet oder den Voice-Service eines "Internet Telephony Service Provider" (ITSP) wählt. Diese Strategie kann durchaus im Widerspruch zum Least Cost Routing stehen. Um eine möglichst einfache Integration in bestehende Umgebungen zu gewährleisten, muss sich die IP-PBX-Software nahtlos in das Betriebssystem auf dem Server einfügen. Nur dies stellt sicher, dass der Anwender das System in Eigenregie warten, verwalten und konfigurieren kann.

Das Gateway: Brücke zur "normalen" Telefonie

Das Gateway in einer IP-PBX-Architektur übernimmt eine Brückenfunktion bei der Kommunikation zwischen IP-Telefonen mit dem klassischen Telefonnetz (PSTN). Ein Gateway, das ausschließlich zur Anbindung von lokalen H.323-Telefonen und PC-Clients dient, besteht - zumindest in Europa - meist aus einer oder mehreren handelsüblichen ISDN-Karten (CAPI 2.0) mit BRI- oder PRI-Schnittstellen. Bei internen Anrufen sowie der Kommunikation mit dem Telefonnetz arbeitet das Gateway normalerweise im G.711-Modus. Dieser stellt die Grundfunktion aller H.323-konformen Endgeräte dar und garantiert eine optimale Übertragungsqualität bei lokalen Verbindungen. Rufe, die IP-Adressen außerhalb des lokalen Bereichs anwählen, verwenden eines der von den jeweiligen Telefonen unterstützten Kompressionsverfahren. Mit Hilfe einer Protokollerweiterung stellt das Gateway auch die Verbindung zu einer TK-Anlage her. Somit ist gewährleistet, dass die IP-PBX nicht nur als Ersatz, sondern auch als Ergänzung zu bestehenden TK-Installationen genutzt werden kann.

Der Client: Benutzeroberfläche frei konfigurierbar

Um einen PC in ein LAN-Telefon zu verwandeln, ist eine Client-Software erforderlich. Der Rechner benötigt eine Soundkarte, Lautsprecher und Mikrofon. Je nach Ausstattung des PC lässt sich aber auch ein Head- oder Handset verwenden. Der Client besitzt eine grafische Benutzeroberfläche, die meist ein Komforttelefon nachbildet.

Fortschrittliche Telefonie-Clients erlauben es dem Anwender, Design und Funktionsumfang der Benutzeroberfläche frei zu konfigurieren. Dies kann einheitlich für ein Unternehmen erfolgen oder auf den einzelnen Nutzer abgestimmt sein. So lassen sich beispielweise die Zahl, Belegung und Position der Kurzwahltasten variieren. Oder aber der Nutzer versieht das Telefon mit einer Oberfläche nach seinem Geschmack. Eine vergleichbare Gestaltungsfreiheit können klassische Telefone nicht anbieten.

Durch die Integration in die bestehende Systemumgebung ist es möglich, dass der Mitarbeiter bei einem Wechsel von einem Arbeitsplatz zum anderen oder bei der Einwahl über das Internet ins Firmennetz jedes Mal seine individuelle Oberfläche vorfindet. Zudem sind Funktionen für Vieltelefonierer wie Anruflisten, Rückruflisten, Durchwahlfilter und ähnliche Features integriert. Eine IP-PBX darf sich nicht nur in Verbindung mit einem Software-Client betreiben lassen. Manchmal wünscht sich der Benutzer zusätzlich ein Tischtelefon oder es steht kein PC-Telefon zur Verfügung, etwa

- bei ausgeschaltetem PC,

- weil der Benutzer nicht auf ein PC-basiertes Telefon zurückgreifen möchte,

- um die Ausfallsicherheit im Falle eines Stromausfalls zur erhöhen,

- in Umgebungen, in denen der Software-Client nicht läuft (Terminals),

- in Produktionshallen.

In diesen Fällen kann eine IP-PBX zusammen mit einem H.323-kompatiblen Telefon betrieben werden. Ein IP-Telefon unterscheidet sich vom klassischen Gerät lediglich durch die Schnittstelle: Statt eines a/b- oder ISDN-Interface verfügt das IP-Telefon über eine 10/100BaseT-Schnittstelle. Außerdem verwenden beide Systeme unterschiedliche Protokolle. Bei einem ISDN-Telefon sind dies Q.931 oder Euro-ISDN, bei einem LAN-Telefon meist TCP/IP und H.323. Darüber hinaus nimmt das IP-Telefon zum Teil auch die notwendige Sprachkompression (G.723, G.729) vor.

Einzelstandort versus verteilte Standorte

Je nach Struktur eines Unternehmens muss eine IP-PBX unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Die einfachste Konfiguration ergibt sich bei einem Einzelstandort. In diesem Fall verfügt das Unternehmen über einen zentralen Server und ein zentrales Gateway. Während auf dem Server die Nutzerinformationen, Nummernpläne et cetera liegen, hat das Gateway die Aufgabe, die Verbindung zum klassischen Telefonnetz oder anderen IP-Netzen herzustellen.

Verteilte Standorte stellen andere Anforderungen. Hier ist zu berücksichtigen, dass nicht nur ein zentraler Server und ein Gateway zur Verfügung stehen, sondern das System die Struktur einer Multi-Server- und Multi-Gateway-Umgebung hat. Das heißt, dass unter Umständen jeder Standort über eigene Systeme verfügt.

Die Server müssen in diesem Fall ständig miteinander in Kontakt stehen. Das ist notwendig, um jede Änderung von Daten oder Zuständen auf einem Server mit den anderen Systemen abzugleichen, zumal die Server auf dasselbe Telefonbuch beziehungsweise den gleichen Nummernplan zugreifen.

Gateways haben die Aufgabe, den Telefonverkehr möglichst lange im kostengünstigen IP-Netz zu halten und erst in der Zielregion in das PSTN zu wechseln. Darüber hinaus dienen sie für Anrufe aus dem normalen Telefonnetz als Übergabepunkt ins IP-Netz. Drittens müssen sie in der Lage sein, einen IP-Anruf an einem anderen Standort in das PSTN einzuspeisen (Toll Saving).

Die Migration von der TK-Anlage zur IP-PBX

Die meisten Unternehmen oder Behörden verfügen über eine TK-Anlage. Diese in einem Zug komplett durch eine IP-PBX zu ersetzen, ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht machbar. Daher wird eine IP-PBX häufig als Ergänzung zu einer bestehenden TK-Anlage eingesetzt. Dabei werden zunächst nur einzelne Abteilungen mit einer IP-PBX als Unteranlage der bestehenden TK-Anlage ausgestattet. Zusätzlich lassen sich Außenstellen oder Heimarbeitsplätze über bestehende IP-Verbindungen an das Unternehmensnetz anbinden.

Bewährt sich die IP-Telefonie, werden sukzessive neue Anschlüsse direkt über die IP-PBX eingerichtet. Auf diese Weise löst die IP-PBX nach und nach die alte TK-Anlage ab. Unternehmen sind mit dieser schrittweisen Einführung einer IP-PBX in der Lage, Probleme in Bezug auf die Auslastung des Netzwerkes oder die Ausfallsicherheit zu erkennen und zu lösen. Im dritten und letzten Teil der dreiteiligen Serie gehen wir auf Einsatzgebiete der IP-Telefonie ein. (re)

Zur Person

Dr. Ralf Ebbinghaus

ist Vice President Sales and Marketing bei der Swyx Communications AG in Dortmund.