Wissensbezogene Prozessoptimierung

Wissensorientiertes Prozessmanagement ist die Kunst, Wissen produktiv zu machen. Die technologischen Grundlagen zur Aufbereitung und Verteilung von Wissen stehen schon länger zur Verfügung. Hingegen fehlte es noch an ganz konkreten prozessunterstützenden Anwendungen. Dieses Defizit wird nun beseitigt, wie die KnowTech 2002 zeigte.

Von: Marc S. Tenbieg

Unternehmen erkennen Wissensmanagement immer mehr als Wertschöpfungsfaktor an. Deswegen muss Wissen zukünftig bei der jeweiligen Prozessge-staltung systematisch berücksichtigt werden - ebenso wie es für Daten und Informationen seit je her selbstverständlich ist.

Dafür werden zunehmend unstrukturierte Informationen wie Dokumente oder Berichte wichtig. Für die unterschiedlichen Anforderungen sind aber viele Einzellösungen notwendig, die künftig immer mehr integriert und mit einem strategischen Repository ausgestattet werden. Dies ist meistens mit einem beträchtlichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Moderne Wissensmanagementansätze, wie beispielsweise das Semantic Web, gehen einen anderen Weg. Sie können auf strategische Repositories und auch auf Meta-Datenmodelle verzichten.

Auf der diesjährigen KnowTech 2002 (www.KnowTech2002.de), eine Konferenz im deutschsprachigen Raum zum Thema Wissensmanagement in Wirtschaft und Verwaltung, wurde eine ganze Reihe innovativer und vor allem praxisrelevanter Lösungen präsentiert, zum Beispiel auf der Basis von Portalen, Content-Management-Systemen oder Semantic Web. Sowohl die Produkte als auch die überwiegend praxisnahen Vorträge machten deutlich, dass Wissensmanagement "erwachsen" geworden ist. Die bisher nur für Experten verständlichen wissenschaftlichen Ausführungen und Diskussionen sind durch die Vorstellung vieler bereits realisierter Projekte zum Teil ersetzt worden. Hier reihen sich innovative Konzerne wie ThyssenKrupp, Bertelsmann, Porsche aber auch zusehends große mittelständische Unternehmen ein.

Ein Schwerpunkt der Konferenz, die parallel zur Systems stattfand, lag auf prozessorientierten Wissensmanagement-lösungen. Der Trend zu unternehmensweiten Informationsportalen auf Basis von Content-Management-Löungen hält an, doch kommt es zukünftig nicht nur darauf an, verteile Datenbanken oder Dokumente mit einem zentralen RechercheFrontend auszustatten. Es geht immer mehr um die eigentliche Wissensverwaltung und Informationsaufbereitung. Metadatenbanken, die auf Datenbankstrukturen existierender Systeme aufsetzen, liefern zwangsläufig unbefriedigende Ergebnisse. Es werden sich "intelligentere" Lösungen durchsetzen, die entweder auf bestehende Datenbanksysteme aufsetzen oder auch ganz neue Wege der Informationsverknüpfung gehen.

Eine umfassende prozessbezogene Wissensmanagementlösung kann beispielweise auf Basis eines Semantic Web realisiert werden (siehe Ticker). Eine semantische Anfrage führt zu einer deutlich höheren Zahl von Treffern, weil nach einer logischen Kombination der eingegebenen Begriffe sowie der dazugehörigen Unterbegriffe und Synonyme gesucht wird. Als ein XML übergeordneter Standard definiert RDF (Resource Description Framework) Informationen im Web und beschreibt Konzepte, Eigenschaften und Relationen mithilfe ihrer URIs. Das Semantic Web eröffnet als "Netz der Bedeutungen" viele Möglichkeiten für neue Generationen von Suchmaschinen beziehungsweise Agententechnologien.

Eine konkrete Umsetzung des prozessunterstützenden Wissensmanagements verfolgt beispielsweise "SemTalk" von der Semtalk GmbH (www.semtalk.de). Das Produkt stellt einen einfach zu bedienenden Editor für Semantic-Web-Ontologien und Prozesse auf Basis von "Visio" zur Verfügung. Die grafische Präsentation erfolgt mit dem Microsoft-Produkt, weil es sich im Anwendermarkt durchgesetzt hat und vollständig programmierbar ist.

SemTalk baut auf einem offenen, grafisch konfigurierbaren Metamodell auf, sodass es leicht an verschiedene, insbesondere auch prozessorientierte Modellwelten anzupassen ist. Die Modelle stehen den Anwendern mithilfe von MS Office XP "SmartTags" bei der täglichen Arbeit mit Word, Excel oder Outlook im direkten Zugriff zur Verfügung. Gleichzeitig ermöglicht SemTalk die verteilte Erstellung und Wartung solcher Modelle. Die Software stellt die Infrastruktur zur Definition vollständiger Modellierungsmethoden innerhalb von Visio zur Verfügung. Dabei kann es sich beispielsweise um die Definition von Methoden für DAML (Darpa Agent Markup Langu-age), Produktmodellierung inner-halb von ERP-Systemen oder für BPM-Methoden (Business Process Management) handeln. Es gibt Schnittstellen zu CASE Tools wie Rational Rose und zu Prozess-Modellierungswerkzeugen wie Aris von IDS Scheer. Außerdem existiert ein Reportgenerator für die Erzeugung von HTML-Tabellen und XSL für die Formatierung. Zur intelligenten Analyse der Daten wurde eine Anbindung an den Reasoning Web Service von "Ontobroker" von Ontoprise entwickelt.

Eine weitere Lösung ist "CognoVision" von der DHC GmbH (www.dhc-gmbh.com), die ebenfalls MS Visio vollständig integriert hat. CognoVision setzt auf bestehende Systemlandschaften auf und verwendet Funktionen, um multimediale Informationen aus unterschiedlichen Quellen wie MS Office, SAP, Internet oder verschiedener File Server miteinander in Beziehung zu setzen und intelligent zu verwalten. Ziel ist der Aufbau eines strukturierten Wissensnetzes, das die einfache Wiederverwendung von Daten sicherstellt. Beliebige Standardprodukte lassen sich in den CognoVision-Workplace integrieren. Der Datenaustausch erfolgt mittels XML-Technologie. Die Inhalte bleiben unverändert im Originalformat editierbar. Der Anspruch der Software besteht darin, die relevanten Informationen für Anwender zu gliedern und in Beziehung setzen zu können, ohne dabei selbst (Meta-)Informationen zu erzeugen. CognoVision will nicht bestehende Anwendungssysteme ersetzen, sondern die Ergebnisse aus den Anwendungen verlinken und verwalten.

Die Intelligent Views GmbH (www.i-views.de) geht mit "K-Infinity" einen etwas anderen Weg. Das Tool erzeugt auf Basis von bestehenden Datenbankstrukturen ein Wissensnetz, das sich von den Anwendern erweitern lässt. Ein Content-Management-System erfasst ergänzend die Informationen. Durch die sinnvolle Verknüpfung von Unternehmensdaten können große, beliebige Informationsquellen anwenderfreundlich zugänglich gemacht werden. Typische Einsatzgebiete dieser Lösung sind vor allem unternehmensweite Informations- und Enterprise-Portale, aber auch die Bereiche Projektdokumentation, CRM, Produkt- und Skill-Management.

Auf der Basis dieser Lösung wurde zusammen mit der GFT Systems (www.gft.com) ein Wissensnetz für die ThyssenKrupp AG realisiert. Unter dem Namen "ThyssenKrupp Base" werden Daten zu den Konzernstrukturen sowie zu den Produkten und Dienstleistungen aller 800 Konzernunternehmen in einem einzigen Wissensnetz verwaltet. Es ist eine kombinierte Informations-, Interaktions- und Transformationsplattform, in die zukünftig auch unternehmensübergreifende E-Business-Anwendungen angebunden werden sollen.

USU-Openshop (www.usuopenshop.de) setzt mit dem "Knowledge Miner" auf die so genannten "Topic Maps", einer Basistechnologie der semantischen Netze. Es sind Strukturen, mit deren Hilfe die Darstellung und der Zugang zu großen unstrukturierten Informationsmengen ermöglicht wird. Sie bestehen aus Topics, das heißt Themengebieten beziehungsweise Wissensknoten, und Topic Occurences, der statischen Dokumentenzuordnung zu einem Wissensknoten. Zusätzliche inhaltliche Verweise verknüpfen die Wissensknoten miteinander und machen deren Beziehung zueinander deutlich.