"Open Source heißt ja nicht kostenlos"

Wie Linux für das Call-Center Kikxxl zum Wachstumsmotor wurde

Lars Hoeger ist ein Überzeugungstäter. Als er vor beinahe 15 Jahren die IT-Leitung des Call-Center-Betreibers Kikxxl übernahm, verordnete er ihm sofort eine Linux-Umgebung. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen - "Open Source heißt ja nicht kostenlos" - , sondern wegen der Stabilität und Sicherheit.

Die Kikxxl-Zentrale im Osnabrücker Industriegebiet an der Mindener Straße wirkt von außen hell und transparent - Glas dominiert die Außenfassade. Innen ähnelt das Gebäude einem Hochsicherheitstrakt: Hier öffnen sich Türen nur für Autorisierte, durch Transponder geschützt. Einige Bereiche des Call-Centers sind zudem mit Sichtblenden gegen die Flure abgeschirmt; Ton- oder Bildaufnahmen streng verboten. Kikxxl arbeitet unter anderem für die Netz-Provider Telekom, Vodafone und Debitel. Und die möchten sicher sein, dass ihre Kundengespräche nicht von Konkurrenten verfolgt werden können.

Der Call-Center-Betreiber feierte kürzlich seinen 15. Geburtstag. Mittlerweile beschäftigt er mehr als 1600 Menschen, die Monat für Monat rund 2,5 Millionen Gespräche führen. Neben der Zentrale in Osnabrück ist Kikxxl in Bremen und Dortmund sowie neuerdings auch in Bochum ansässig.
Der Call-Center-Betreiber feierte kürzlich seinen 15. Geburtstag. Mittlerweile beschäftigt er mehr als 1600 Menschen, die Monat für Monat rund 2,5 Millionen Gespräche führen. Neben der Zentrale in Osnabrück ist Kikxxl in Bremen und Dortmund sowie neuerdings auch in Bochum ansässig.
Foto: Kikxxl

Darüber hinaus werden alle Prozesse schon aus Sicherheitsgründen dokumentiert, sagt IT-Chef Hoeger. Die "locker 10.000 Seiten" aktuell zu halten gehört zu seinen Aufgaben. Einer der IT-Beiträge zum Kikxxl-Geschäft besteht schließlich in der Programmierung und Betreuung der Sicherheitssysteme.

Das Verwalten, Verarbeiten und Bereitstellen von Daten sind andere wichtige Aufgaben, die das 20-köpfige IT-Team zu erledigen hat. Die Mitarbeiter sollen sich ja nicht damit abmühen, Kundeninformationen zu suchen oder Vertragsformulare zu erstellen. Sie haben genug damit zu tun, die Probleme der Anrufer zu lösen (Inbound-Services) und den Bestandskunden ihrer Klientel neue Services schmackhaft zu machen oder eventuell Abtrünnige bei der Stange zu halten (Outbound-Services).

Projektsteckbrief

  • Branche: Dienstleistungen (Call-Center).

  • Projektart: Prozessautomatisierung in der IT (Rechtevergabe).

  • Herausforderung: hohe Fluktuation der Mitarbeiter, feingranulare Rechtegruppen.

  • Umgebung: Debian auf 1300 Clients und 140 Servern.

  • Eingesetztes Produkt: Univention Corporate Server (UCS). Zeitrahmen: 2010 begonnen, seit 2013 komplett umgesetzt.

  • Ergebnis: automatische Rechtevergabe; weniger Administrationsaufwand, mehr Innovation.

  • Geplante Weiterentwicklung: Browser als Remote-Service, Umsetzung von Proxy-Gruppen, Software as a Service.

Extrem hohes Sicherheitsverständnis

Mit Ausnahme der Telekom-Daten, die verschlüsselt aus dem Rechenzentrum des Providers übertragen werden, sind Kundendaten und andere kritische Informationen bei Kikxxl gespeichert - auf dem MySQL-Fork "MariaDB", weil Hoeger dem neuen MySQL-Eigner Oracle nicht traut: "Oracle-Chef Larry Ellison ist mir zu positiv gegenüber der NSA eingestellt."

"Die Daten speichern wir verschlüsselt und nach Mandanten getrennt - auf File-Server- und sogar auf Backup-Ebene", berichtet Hoeger: "Zweimal im Jahr unterwerfen wir uns einem Dauer-Audit, denn wir haben ein extrem hohes Sicherheitsverständnis." Mit mehr als 50.000 versuchten Zugriffen pro Monat steht das Call-Center quasi unter Dauerbeschuss. Dabei wollten die Hacker eigentlich gar nicht an die Daten, die in Osnabrück gespeichert sind, weiß der IT-Verantwortliche. Ihnen gehe es darum, ein Einstiegstor zu den Kundenunternehmen zu finden: "Die sind scharf auf unseren Status als vertrauenswürdiger Partner. Deshalb gibt es bei uns kein USB, kein WLAN, keine Wechseldatenträger."

Und noch etwas gibt es bei Kikxxl nicht - oder jedenfalls nur im absolut erforderlichen Maß: das Microsoft-Betriebssystem Windows. "Ein paar User meinen immer, sie müssten mit Exchange oder Powerpoint arbeiten", räumt Hoeger ein, aber es gehe dabei nicht um das Betriebssystem. Und so hat es sich der IT-Chef zur Aufgabe gemacht, sie sanft, aber bestimmt umzuleiten: "90 Prozent der Funktionen lassen sich mit Open-Source-Alternativen abdecken."

Lars Hoeger: "Wer die IT am Limit fährt, geht zwangsläufig Risiken ein."
Lars Hoeger: "Wer die IT am Limit fährt, geht zwangsläufig Risiken ein."
Foto: Kikxxl

Ganz und gar soll Microsoft aber nicht ausgesperrt werden: "Wir erledigen ein paar admi-nistrative Arbeiten und haben einige wenige Anwendungen unter Windows - sozusagen dreifach abgesichert", konzediert Hoeger. Der neue Standardarbeitsplatz der Call-Center-Agenten sei mit mindestens zwei Bildschirmen ausgerüstet. So lasse sich eine für den jeweiligen Kunden benötigte Windows-Umgebung klar von den Linux-Anwendungen abtrennen.

Das Grundsystem ist immer die Linux-Distribution Debian. Darunter wird im Bedarfsfall eine Windows-Umgebung hochgefahren. Hoeger: "Im Netz lassen wir kein Windows zu. Alle Schnittstellen nach außen sind Linux."