Digitaler Nachlass

Was mit den Online-Daten Verstorbener geschieht

Rechtliche Unsicherheit

Diese Tabuisierung sorgt auch dafür, dass das Thema "digitales Erbe" selbst bei vielen Nachlassverwaltern, Notaren und Juristen ganz allgemein bisher kaum auf der Tagesordnung auftaucht und es keine allgemeinverbindliche Rechtsprechung hierzu gibt.

Rechtsanwalt: Thomas Schulte hat sich intensiv mit den rechtlichen Fragen des digitalen Nachlasses beschäftigt.
Rechtsanwalt: Thomas Schulte hat sich intensiv mit den rechtlichen Fragen des digitalen Nachlasses beschäftigt.
Foto: Schulte und Partner Rechtsanwälte

Thomas Schulte, Rechtsanwalt und Gründungspartner seiner Berliner Kanzlei, erklärt: "Der materielle digitale Nachlass, zum Beispiel die Festplatte des Computers oder das Handy, geht nach § 1922 BGB an die Erben über, sofern im Testament nichts anderes geregelt wurde. Diese können dann entscheiden, was mit den dort gespeicherten Daten geschehen soll." Das müsse nicht unbedingt im Sinne des Erblassers sein - schließlich werde auch beispielsweise das Urheberpersönlichkeitsrecht vererbt ("Cosima-Wagner-Urteil", BGHZ 249-262).

Führte der Verstorbene also zum Beispiel ein Tagebuch, entscheiden die Erben, was mit diesen Aufzeichnungen geschieht - das gilt entsprechend auch für digital vorliegende Texte oder Videologs. Schulte empfiehlt, testamentarisch zumindest mitzuverfügen, was mit lokal gespeicherten digitalen Daten geschehen soll.

Schwieriger zu klären sei die Frage nach dem Verbleib immaterieller Daten - also Daten, die nicht lokal, sondern im Web gespeichert sind. Hier entscheide "jeder Betreiber einer Online-Plattform zurzeit selbst, ob er die Daten den Erben preisgibt oder nicht". Das sei insofern von Nachteil, als damit die geltenden Regelungen von Plattform zu Plattform verschieden seien und beispielsweise auch nicht kontrolliert werden könne, ob Daten Verstorbener beispielsweise für Online-Banking weiterbenutzt würden.

"Wenn ein Betreiber wie Facebook in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen stehen hat, dass er über sämtliche gespeicherten Informationen nach Belieben verfügen darf, gilt das auch für die Daten von verstorbenen Nutzern." Er könne sogar festlegen, dass den Erben der Zugriff auf das Nutzerkonto oder Profil verweigert werde. Soll heißen: Stirbt der Nutzer, bevor er testamentarisch etwas anderes verfügt hat, sind die Angehörigen auf den guten Willen eines Konzerns angewiesen. Bei deutschen Anbietern beispielsweise beißen sie in jedem Fall auf Granit, denn hierzulande gelten entsprechende Datenschutzgesetze. Angela Rittig, Pressesprecherin beim Business-Netzwerk Xing, erklärt: "Angehörigen kann der Zugriff auf den Account nicht ermöglicht werden, denn wir geben keine personenbezogenen Daten an Dritte weiter."