Stolpersteine im Projektmanagement

Warum IT-Projekte aus dem Ruder laufen

Die Grenzen des Schätzens in der Praxis

Problematischer wird es bei Projekten, die komplexer sind und bei denen die Projektverantwortlichen Neuland betreten. Hier fangen wir an Annahmen zu treffen und zu schätzen - und zwar viele Male.
Leider sind wir Menschen extrem schlecht im Schätzen.

Die Adacor betreibt im Kerngeschäft Individualprojekte. Software wird individuell entwickelt und dann von uns betrieben - und das teilweise mit Hunderten bis Millionen Nutzern, je nach Art des Projektes. Zu dem Zeitpunkt an dem der Betrieb der Infrastruktur ausgeschrieben wird, ist in der Regel die Software noch nicht einmal fertig entwickelt, man weiß nicht genau wie viele Leute zugreifen werden und wie diese die Software nutzen.
Aber es gibt schon eine klare Anforderung an die Infrastruktur und man möchte feste SLAs eine feste Architektur und eine definierte Verfügbarkeit zum Festpreis.

Die Katastrophe beginnt bei der Ausschreibung: Ein Beispiel

Eine typische Situation aus der Praxis. Wir bekommen eine Ausschreibung auf den Tisch, ca. 100 Seiten, Infrastruktur für ein neues Projekt, Software wird noch entwickelt und alles genau spezifiziert. Für die Erstellung der Ausschreibung wurde sogar eine Consulting Firma beauftragt.

  • Nach Lektüre der Ausschreibung und ein wenig Analyse antworten wir: Leider können wir nicht an der Ausschreibung teilnehmen, weil die Spezifikationen technisch gesehen nicht funktionieren werden. Natürlich mit Begründung.

  • Antwort: Bitte nehmen Sie trotzdem teil und bieten etwas an, was nicht funktioniert, damit die Vergleichbarkeit gewahrt bleibt.

  • Da denke ich mir: "Na super. Wie wird das Projekt wohl laufen?" Das bedeutet im Klartext: Man weiß eigentlich noch nicht sicher, was man im Detail benötigt, aber man schreibt es schon fest. Man weiß auch nicht wie viel man benötigt, dafür schreibt man das auch schon fest, mit einem festen Preis. Dann wird auch noch der Termin für das "going live” gefixt und fertig ist die Katastrophe.

Bei solchen Projekten gibt es auch noch immer mehrere Parteien (mindestens Kunde, Software-Dienstleister und uns), die alle drei ihre Aufgaben erfüllen und Deadlines einhalten müssen.

Wenn jetzt alle drei Säulen - Fachkonzept, Budget und Deadline - fixiert werden und sich dann herausstellt, dass irgendwelche Annahmen und Schätzungen falsch waren, explodiert das Projekt.

Und mal ehrlich, wie wahrscheinlich ist es bei einem Projekt, in dem es um etwas Neues geht und man keinerlei Erfahrungswerte hat, dass man treffgenaue Schätzungen abgibt? Gleich Null!

Demgemäß ist auch die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch, dass ein Projekt genauso läuft wie geplant und alle drei Eckpunkte eingehalten werden. Nur sind dann alle überrascht und entsetzt, dass die böse Realität sich einen Weg gebahnt hat.

Halten wir also fest

  1. Bei komplexen Projekten ist es unglaublich schwierig, die genauen fachlichen Anforderungen schon vor Beginn des Projektes zu definieren, da die Erfahrung fehlt. Deshalb werden Annahmen getroffen.

  2. Wir Menschen sind schlecht im Schätzen, vor allem wenn wir wenig Erfahrungswerte haben. Das wirkt sich besonders negativ auf die Frage der Dauer aus.

  3. Also können wir nicht davon ausgehen, dass wir ein Projekt exakt im Voraus planen können, ohne eine Menge Fehler zu begehen.