Trotz guter Bezahlung

Warum IT-Profis selten im Sales landen

Unternehmen setzen eher auf BWLer als ITler

Diese für den Vertriebserfolg wichtigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, haben IT-Profis oft nicht in ausreichendem Maße. Deshalb arbeiten im Vertrieb der IT-Unternehmen heute mehr Betriebswirte und Kaufleute als Informatiker. "Zumindest wenn es um das Türöffnen und Interesse-wecken geht, setzen die meisten Betriebe eher auf Betriebswirte", betont Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte beim Branchenverband Bitkom. Anders sieht es aus, wenn es darum geht, die Projekte im Dialog mit den Kunden zu planen und zu realisieren.

Dass viele Unternehmen im Vertrieb - zumindest beim Anbahnen und Managen der Kundenkontakte und -beziehungen - primär auf Nicht-ITler und solche "Zwitter" wie Wirtschaftsinformatiker setzen, hat laut Oliver Grün, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi), Aachen, auch folgenden Grund: Das Informatiker-Bild der Öffentlichkeit ist noch stark vom "Nerd" geprägt - also dem blässlichen Jüngling, der am PC über irgendwelche technische Probleme grübelt und mit seiner Umwelt, wenn überhaupt, per Computer kommuniziert. Deshalb entschieden sich eher kommunikative Typen in der Vergangenheit meist gegen ein IT-Studium.

Vertriebler brauchen ein dickes Fell

Auch wegen der in der Vergangenheit oft einseitigen Ausrichtung der Informatikstudiengänge auf die Programmiertätigkeit fehlen vielen Informatikern gewisse Fähigkeiten, die Vertriebler brauchen. Dazu zählt nicht nur die Kenntnis der Geschäftsprozesse in Unternehmen. "Dieses Know-how haben sich viele Informatiker, die heute als Projekt-Manager arbeiten, im Verlauf ihres Berufslebens angeeignet", betont Karl-Wilhelm Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW), Hannover, die unter anderem die dualen Studiengänge "Wirtschaftsinformatik" und "Angewandte Informatik" anbietet - "ebenso das nötige betriebswirtschaftliche Know-how". Das allein genügt aber nicht, um im Vertrieb erfolgreich zu sein. "Denn um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man teils andere Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten."

Karl-Wilhelm Müller-Siebers, FHDW: "Um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man teils andere Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten."
Karl-Wilhelm Müller-Siebers, FHDW: "Um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man teils andere Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten."
Foto: FHDW

Welche Skills dies sind, beschreibt Elisabeth Heinemann, Professorin für Schlüsselqualifikationen am Fachbereich Informatik der Fachhochschule Worms. Laut Aussagen der Diplominformatikerin, die den Karriereratgeber für ITler "Jenseits der Programmierung" schrieb, muss ein Verkäufer zum Beispiel Niederlagen gut wegstecken können. Nicht umsonst laute ein alter Spruch: "Ein guter Vertriebler kommt, wenn er durch die Vordertür rausgeschmissen wurde, durch die Hintertür wieder herein." Die Kunden haben nicht immer einen Bedarf. "Aber wenn ein neuer Bedarf entsteht - zum Beispiel, weil das Unternehmen sich neue Ziele setzte oder sein Markt sich wandelte - dann muss der Vertriebler auf der Matte stehen und sich als kompetenter Lösungspartner erweisen", betont der Coach Georg Kraus.

Heinemann Elisabeth, FH Worms: "Ein Verkäufer muss Niederlagen gut wegstecken können."
Heinemann Elisabeth, FH Worms: "Ein Verkäufer muss Niederlagen gut wegstecken können."
Foto: FH Worms

ITler sind zu "wertvoll" für den Vertrieb

Diese Hartnäckigkeit, Ausdauer und Konsequenz hat nicht jeder. Deshalb rät Bitkom-Mann Pfisterer jungen Informatikern ab, eine Karriere im Vertrieb anzustreben, wenn sie sich als Entwickler wohlfühlen,- selbst wenn dort aufgrund der variablen Vergütungsanteile oft eine bessere Bezahlung lockt. Eher sollten sie darauf hinarbeiten, eine Teamleiter-Position oder eine Projekt-Management-Funktion zu übernehmen. Denn zumindest in vielen Großunternehmen stehen heute auch Spezialisten attraktive Karrierewege offen.

Und die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten werden sich in den kommenden Jahren noch verbessern - auch außerhalb des Vertriebs. Davon sind alle befragten Experten überzeugt. Denn gute Informatiker und Entwickler sind in Deutschland rar. Viele Unternehmen sind heute bereits froh, wenn sie ausreichend Mitarbeiter mit dem benötigten IT-Know-how beispielsweise zum (Weiter-)Entwickeln ihrer Produkte haben. Entsprechend gering ist ihr Interesse daran, dass diese wertvollen, weil gesuchten Mitarbeiter im Vertrieb arbeiten. Sie werden für andere Aufgaben gebraucht.