Meinung zum Cloud-Marktplatz

Warum ich (noch) nicht an die Deutsche Börse Cloud Exchange glaube

Use Cases

Warum sollte man die DBCE nutzen? Das ist eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Warum sollte man über einen Marktplatz Ressourcen einkaufen, wenn man diese auch von einem Anbieter direkt beziehen kann, der bereits über eine globale Reichweite, viele Kunden und eine bewährte Infrastruktur verfügt? Der Preis und die Vergleichbarkeit können ein entscheidendes Merkmal sein. Wenn die virtuelle Maschine (VM) bei Anbieter A heute ein wenig günstiger ist als bei Anbieter B, dann wird die VM bei Anbieter A genutzt. Wirklich? Nein, das würde die Anwendungsarchitektur dermaßen verkomplizieren, dass die Entwicklung für dieses Szenario in keinem Verhältnis zu dessen Nutzen stünde. Cloud Computing ist eh schon viel zu kompliziert, sodass ein kluger Cloud Architekt davon Abstand nehmen würde. Man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht die technischen Hürden vergessen, die Cloud-Anwender bereits heute mit sehr weit entwickelten Cloud Infrastrukturen haben. Ein Szenario das sich mit der DBCE gut abbilden lassen würde, ist ein Multi-Cloud Konzept, um technische Risiken (z.B. Ausfall eines Anbieters) zu streuen. Womit wir zur nächsten und wohl größten Hürde kommen - den APIs.

API und Management

Die Diskussionen um "den" bevorzugten API-Standard in der Cloud hören nicht auf. Zum de-facto Standard für Rechenleistung und Speicherplatz haben sich Amazon EC2 (Compute) und Amazon S3 (Storage) entwickelt, die von so gut wie allen anderen Anbietern und Projekten unterstützt werden. Die DBCE will sich quasi als Middleware zwischen die Anbieter und die Anwender setzen und für beide Seiten eine einheitliche eigene (!) Schnittstelle bieten. Hierzu setzt die DBCE auf die Technologie von Zimory, die zwar über offene Schnittstellen verfügt; diese aber sind proprietär. Anstatt sich auf einen bekannten Standard zu konzentrieren oder einen aus der Open-Source Gemeinde (OpenStack) zu adaptieren, versucht die DBCE, einen eigenen Weg zu finden. Vor dem Hintergrund, dass wir Deutschen, was das Thema Cloud angeht, uns bisher nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, stellt sich die Frage: Warum sollte sich der Markt auf einen neuen Standard einlassen, der aus Deutschland kommt und dazu auch noch proprietär ist?

Ein weiteres Problem besteht in den Managementlösungen für Cloud-Infrastrukturen. Entweder haben sich potentielle Anwender bereits für eine Lösung entschieden und stehen damit vor der Herausforderung, die neuen APIs in irgendeiner Form zu integrieren, oder sie befinden sich weiterhin im Entscheidungsprozess. Hier besteht die Problematik darin, dass bisher keine gängige Cloud-Managementlösung die DBCE-APIs unterstützt.

Systemintegratoren und Cloud-Broker

Es gibt zwei Zielgruppen, in denen Potential steckt und die gleichzeitig die Tür zu den Anwendern öffnen können. Die Systemintegratoren (Channelpartner) und die Cloud-Broker. Ein Cloud Service Broker ist ein Drittanbieter, der im Auftrag seiner Kunden Cloud Services mit Mehrwerten anreichert und dafür sorgt, dass der Service die spezifischen Erwartungen eines Unternehmens erfüllt. Darüber hinaus hilft er bei der Integration und Aggregation der Services, um ihre Sicherheit zu erhöhen oder den originalen Service mit bestimmten Eigenschaften zu erweitern. Ein Systemintegrator entwickelt (und betreibt) im Auftrag seiner Kunden ein System oder eine Applikation auf einer Cloud-Infrastruktur.

Da beide im Auftrag der Anwender agieren und die Infrastrukturen, Systeme und Applikationen betreiben, können sie die proprietären APIs adaptieren und stellen damit sicher, dass sich der Anwender damit nicht auseinandersetzen muss. Darüber hinaus können sowohl Systemintegratoren als auch Cloud-Broker die DBCE nutzen, um für sich kostengünstig Cloud-Ressourcen einzukaufen und ein Multi-Cloud-Modell zu realisieren. Hierbei spielt die Komplexität der Systemarchitektur wieder eine Rolle, von welcher der Endanwender aber nichts mitbekommen darf.

Eine Frage der Zeit

Ich habe in diesem Artikel mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Ich möchte die DBCE auch nicht zu negativ bewerten, denn die Idee ist gut. Aber die oben genannten Punkte sind essentiell wichtig, um überhaupt einen Fuß in die Tür der Anwender zu bekommen. Dabei wird es sich um einen Lernprozess für beide Seiten handeln, den ich auf etwa fünf Jahre schätze. Solange wird es dauern, bis dieses Modell bei den Anwendern zu einer signifikanten Adaptionsrate führt. (wh)

Dieser Beitrag basiert auf einem Blog-Posting von René Büst auf htttp://clouduser.de