Einsteiger mit hohen Ansprüchen

Vorstellungsgespräche mit der Generation Y

Auch Schubert ist so einer. Der Datev-Abteilungsleiter ist gerade mal 37 Jahre alt. In Jobinterviews spürt er dennoch, dass heute vieles anders läuft als zu seinen eigenen Bewerbungszeiten - vom Outfit (Krawatten sind heute nicht mehr gefragt) bis zu den Inhalten. Die üblichen Standardfragen - nach Stärken und Schwächen etwa - lässt er lieber gleich ganz weg. "Es geht mir darum, die Persönlichkeit des Bewerbers einzuschätzen", so der Diplom-Mediengestalter. "Das funktioniert am besten über maßgeschneiderte Fragen, die beispielsweise an den Lebenslauf meines Gegenübers anknüpfen." Praktika, Auslandsaufenthalte oder Ehrenämter gehören zu diesen Themen.

Auf individuelle Gespräche setzt auch Wolf Ortlinghaus, Leiter Technical Application Services Germany bei Hewlett-Packard Enterprise Services in Ratingen. Jobinterviews sieht er als Austausch: "Man will sich gegenseitig kennenlernen und prüfen, ob man zusammenarbeiten könnte", so der 53-Jährige. Damit dies noch besser gelingt, erweitert Ortlinghaus viele Bewerbungsgespräche um eine Zusatzvariante: den Blick hinter die Kulissen.

Dazu stellt er den direkten Kontakt zu seinen Mitarbeitern her, während er selber sich diskret zurückzieht. "So lernen die Interessenten am besten die Atmosphäre bei HP kennen", so Ortlinghaus. Und auf Kol­legenebene stellt sich schnell heraus, ob die Chemie stimmt.

Vorgesetzter muss zum Recruiter werden

Generell gilt: Neue Ideen sind bei der Personalsuche gefragt. Die HR-Abteilung allein wird diese Aufgabe nicht meistern können, immer häufiger müssen sich andere Führungskräfte einbringen und dabei auch zusätzliche Arbeit in Kauf nehmen. "Vorgesetzte müssen immer mehr zu Recruitern in eigener Sache werden", sagt Coach Zaborowski. "Wer sich in engen ­Bewerbermärkten allein auf die Personal­abteilung verlässt, ist verlassen."

Zaborowski empfiehlt IT-Führungskräften, frühzeitig ein eigenes Netzwerk rund um ihre fachlichen Aufgaben aufzubauen. Darin könnten sie dann für ihre Abteilung werben und zugleich ihre Persönlichkeit als Vorgesetzte in die Waagschale werfen.

Datev-Abteilungsleiter Schubert hat das längst erkannt. "Nicht nur die Stelle muss interessant sein - sondern auch ich als Person", weiß der Nürnberger. Die Kandidatensuche könne er heute nicht mehr der Personalabteilung überlassen. Schubert sucht immer auch über sein persönliches Netzwerk. Er versteht sich "als Recruiter in eigener Sache". Auf der Karriere-Website von Datev ist Schubert zu finden - als prominentes Beispiel für spannende Tätigkeiten im Konzern. Seitdem er sich derart geöffnet hat, wird er von Bewerbern immer wieder auf seinen eigenen Karriereweg angesprochen.

Schleimen? Lieber nicht!

Solch ein starker persönlicher Einsatz ist Führungskräften, die guten Nachwuchs suchen, grundsätzlich zu empfehlen. Einer der vielen Nebeneffekte: Durch den kontinuierlichen Kontakt zu Kandidaten halten auch die älteren Semester den Anschluss und wissen, wie sie dem Nachwuch begegnen müssen. Und sie können leicht auch auf die unausgesprochenen Wünsche der Generation Y eingehen.

Uta Rohrschneider, Management-Beraterin: „Die wenigsten Führungskräfte sind auf die Generation Y vorbereitet.“
Uta Rohrschneider, Management-Beraterin: „Die wenigsten Führungskräfte sind auf die Generation Y vorbereitet.“
Foto: Uta Rohrschneider

Gewarnt sei allerdings davor, zu weit zu gehen. Schleimen empfiehlt sich nicht, ebenso wenig das Sichanbiedern mit Jugendsprache. "Niemand sollte sich auf der Suche nach den besten Kandidaten verbiegen", warnt Rohrschneider. "Vorgegaukelte Versprechungen entlarven sich ganz schnell im Alltag." Außerdem bergen sie eine gewaltige Sprengkraft.

Enttäuscht man Digital Natives in der IT, dann müssen Arbeitgeber gleich doppelt büßen: Sie verlieren nicht nur einen guten Mitarbeiter an die Konkurrenz. Sie riskieren auch eine schlechte Bewertung auf den gängigen Arbeitgeberbewertungs-Plattformen wie Kununu oder Jobvoting.

Generation "Ich bin genial"

Bei Personalverantwortlichen in Deutschland kommt die Generation Y nicht gut weg. Mehr als drei Viertel der Recruiter bescheinigt den jungen Akademikern einen ausgeprägten Narzissmus (79 Prozent). Dies geht aus der aktuellen Studie "Generation Y" hervor, für die die Freelancer-Vermittlung Elance-oDesk sowie das Marktforschungsinstitut Red Brick Research hierzulande 200 Recruiter sowie 1049 Akademiker der Generation Y befragt haben. Demnach bemängeln die Recruiter auch die hohe Anspruchshaltung und die geringe Unternehmensbindung der Berufseinsteiger. Hartes Arbeiten und eine gleichbleibende Leistung schreiben sie eher älteren Kollegen zu.

Doch die Personaler sehen auch positive Seiten der Digital Natives. Dazu zählen ihre Offenheit für Neues (75 Prozent), ein ausgeprägter Erfolgswille (55 Prozent) sowie eine schnelle Auffassungsgabe (45 Prozent).