Zugang nur bei schweren Straftaten

Vorratsdaten - Verfassungsgericht bremst staatliche Schnüffler

Das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat heute, Mittwoch, das Gesetz zur Speicherung von Telefonverbindungsdaten zum Teil außer Kraft gesetzt.

Die Informationen sollen zwar weiterhin gespeichert werden, ein Zugriff auf diese Daten ist jedoch nur in Verbindung mit Ermittlungen bei schweren Straftaten zulässig, urteilen die Verfassungsschützer. Kritiker der Vorratsdatenspeicherung zeigen sich über den Etappensieg erfreut. "Es ist eine salomonische Entscheidung, das Bundesverfassungsgericht gibt sich Mühe bedacht und überlegt zu reagieren", kommentiert Ricardo Cristof Remmert-Fontes, Sprecher des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat).

Laut der Anordnung des Verfassungsgerichts darf der Staat nur dann auf Verbindungsdaten zugreifen, wenn eine schwerwiegende Straftat vorliegt. Der Verdacht müsse zudem durch Tatsachen begründet und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder gar aussichtslos sein, heißt es in Karlsruhe. Einen Datenabruf bei Taten wie dem illegalen Herunterladen von Inhalten schloss das Gericht bis auf weiteres aus. Die Speicherung der Daten an sich bleibt jedoch derzeit weiter zulässig, denn erst der Abruf dieser Informationen sei ein Eingriff in die Freiheit der Bürger, heißt es in der einstweiligen Anordnung des BVerfG. Die Verfassungsschützer fordern die Bundesregierung zudem auf, dem Gericht nun bis zum 1. September einen Bericht über die praktischen Folgen der Vorratsdatenspeicherung vorzulegen.

Seit 1. Januar 2008 gilt das Gesetz, das der Terrorabwehr und Kriminalitätsbekämpfung dienen soll. Demnach müssen die Verbindungsdaten für Handy-, Festnetz- und Internetverbindungen sechs Monate lang gespeichert werden. Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen bei der Strafverfolgung auf diese Informationen zugreifen. Gegen diese gesetzliche Speicherpflicht hatten mehr als 30.000 Bürger geklagt. Sie sind der Ansicht, dass damit alle Bürger unter Generalverdacht stünden. Mit der einstweiligen Anordnung gibt das Gericht den Beschwerdeführern teilweise recht. "Die Untersagung der Verwendung ist ein Teilsieg, dennoch darf nicht vergessen werden, dass allein die Speicherung Gefahren birgt. Beispielsweise könnten Dritte unbefugt auf die Daten zugreifen und somit persönliche Informationen über Personen verwerten", sagt Joachim Jakobs, Sprecher von privatsphaere.org.

"Mit der Entscheidung ist klar geworden, dass es Grenzen gibt, an die sich auch Frau Zypries und Herr Schäuble halten müssen", so Remmert-Fontes. Dass die Vorratsdatenspeicherung damit noch nicht gekippt ist, sieht man bei den Kritikern als Zeichen der Umsichtigkeit des BVerfG. "Das Gericht ist sensibel und will keine politische Krise auslösen. Allerdings behalten sich die Richter genügend Spielraum für eine spätere Begründung vor", sagt Remmert-Fontes. Beim AK Vorrat schlägt man dennoch auch scharfe Töne an und fordert den Rücktritt der Bundesministerin für Justiz, Brigitte Zypries. "Frau Zypries hat die Vorratsdatenspeicherung gegen den Willen des Bundestages ausgehandelt, einer EU-Richtlinie ohne Rechtsgrundlage zugestimmt und die Datenspeicherung unter Verstoß gegen die klare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland durchzudrücken versucht. Dieser vorsätzliche Verfassungsbruch macht sie als Bundesjustizministerin untragbar", erklärt Patrick Breyer vom AK Vorrat.

Im Februar hatte das Gericht bereits der Online-Durchsuchung einen strengen Maulkorb verpasst. (pte/mja)