Vietnam: Intranet statt Internet

Eine völlig neue Form der digitalen Zweiklassengesellschaft hat Vietnam eingeführt: Während der Zugang zum World Wide Web weiterhin linientreuen Genossen vorbehalten bleibt, dürfen die weniger vertrauenswürdigen Bürger jetzt immerhin in einem nationalen "Intranet" üben.

Zwar fürchtet das kommunistische Vietnam den verderblichen Einfluss westlicher Internet-Medien auf seine Bürger, will jedoch andererseits durchaus an den Segnungen des globalen E-Commerce partizipieren. Ohne die entsprechenden Spezialisten ist das aber kaum zu machen. Hanoi löst das Problem auf seine Art: Während der freie Zugang zum World Wide Web weiterhin rund 80.000 linientreuen und einzeln registrierten Genossen vorbehalten bleibt, darf das Gros der 79 Millionen Vietnamesen jetzt immerhin in einem nationalen "Intranet" üben.

Dazu stellt die vietnamesische Telekom VNTP - in einem sicherheitshalber zunächst bis zum 30. November beschränkten Versuch - für jedermann nutzbare Einwahlzugänge zur Verfügung. Kosten pro Minute: 100 Dong (rund 2 Pfennig) - bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von rund 350 Mark für die meisten Vietnamesen unerschwinglich. Mehr als das Surfen auf heimischen Sites erlauben die neuen Accounts aber nicht: Selbst auf E-Mail müssen die Benutzer verzichten. Viel besser haben es die vietnamesischen "Erster-Klasse-Surfer" allerdings auch nicht: Jeglicher Mail-Verkehr muss staatliche Filter passieren, der Zugang zu unerwünschten Sites - etwa denen von Menschenrechtsorganisationen - bleibt blockiert.

Vietnam ist nur einer von 20 "Feinden des Internet", die ein Bericht der internationalen Journalistenorganisation Reporters sans Frontieres (RSF) aufzählt. Zu den Staaten, die den Internetzugang ihrer Bürger stark einschränken oder ganz verhindern, zählen vor allem asiatische (China, Nordkorea, Burma, Vietnam) und arabische Länder (Saudi-Arabien, Libyen, Irak, Iran, Tunesien, Sudan). (jlu)