Inklusive Small Business Server 2003

Support-Ende Windows Server 2003 - Der Countdown läuft

Es geht nicht nur um das Betriebssystem

Microsoft bietet auf seiner Website - neben einer Countdown-Uhr, die bis zum EoL (End of Life) von Windows Server 2003 herunterzählt - eine Fülle von Hilfestellungen, um Kunden zu unterstützen, von Windows Server 2003 auf Windows Server 2012 oder zur Cloud-Umgebung Azure zu wechseln. Doch das obige Beispiel zeigt: Beim "Lebensende" der alten Windows-Plattform geht es nur vordergründig um ein OS-Migrationsprojekt. Das Betriebssystem dient, wie der Name schon sagt, lediglich dem Betrieb von Applikationen - und viele Unternehmen schreckten vor allem davor zurück, das Problem einer überalterten Applikationslandschaft anzugehen.

Auf Microsofts Website warnt eine Countdown-Uhr vor dem drohenden Support-Ende.
Auf Microsofts Website warnt eine Countdown-Uhr vor dem drohenden Support-Ende.

So ist vielerorts ein regelrechter Innovationsstau entstanden. Dieser zwingt die betroffenen Unternehmen nun angesichts des EoL-Zeitdrucks zu schnellem Handeln, will man sich nicht Sicherheits- und Compliance-Risiken aussetzen. Großunternehmen wie auch der Mittelstand sehen sich unter Zugzwang, und je größer und heterogener die jeweiligen IT-Umgebungen, desto komplexer ist das inzwischen dringlich anstehende Projekt, die Anwendungslandschaft zu modernisieren.

Workarounds vs. Modernisierung

Den IT-Organisationen stehen angesichts dieser Situation mehrere Vorgehensweisen offen. Zunächst ist festzuhalten: Selbst nach dem Auslaufen des Extended Supports für Windows Server 2003 bietet Microsoft Unternehmenskunden mittels "Custom Support Agreements" die Möglichkeit, weiterhin Support für ihr Altbetriebssystem einzukaufen. Microsoft hat diese Option allerdings mit saftigen - und von Jahr zu Jahr steigenden - Preisen versehen, will man doch die Kunden für den aktuellen Windows Server 2012 und Azure begeistern. Von Interesse ist diese Option einer Support-Verlängerung damit praktisch nur für Unternehmen, die sich ein Zeitfenster erkaufen müssen, um die Neuentwicklung geschäftskritischer Legacy-Applikationen abzuschließen.

Mittels spezieller Tools von Drittherstellern besteht die Möglichkeit, 16-Bit-Applikationen auch auf Windows Server 2012 zum Laufen zu bringen. Eine Alternative besteht darin, problembehaftete Applikationen mittels Terminal-Services oder VDI (Virtual Desktop Infrastructure) zu kapseln und sie per Fernzugriff bereitzustellen. Auch solche Lösungen sind allerdings immer nur ein Workaround für problematische Legacy-Applikationen: Man muss sich hier bewusst sein, dass man sich auf ein Abstellgleis zubewegt und die notwendige Modernisierung lediglich mit teils beträchtlichem Aufwand verzögert. Solche Vorgehensweisen sind deshalb nur anzuraten, wenn ein konkreter Bedarf besteht, eine bestimmte Legacy-Anwendung noch für einen überschaubaren Zeitraum weiter zu betreiben; also beispielsweise wenn ein Service-Provider im Rahmen einer Back-to-Back-Vereinbarung mit einem Kunden verpflichtet ist, eine bestimmte Anwendung noch zwei Jahre zu unterstützen.

Von solchen Sonderfällen abgesehen sollten IT-Organisationen jedoch das Ende des Produktzyklus von Windows Server 2003 zum Anlass nehmen, den Fokus nicht allein auf der Server-OS zu richten, sondern vor allem die Aktualität und den Geschäftsnutzen ihrer Applikationslandschaft zu hinterfragen: Entsprechen die Anwendungen noch dem Stand der Technik? Bilden sie die Anforderungen der Fachabteilungen nach wie vor angemessen ab? Und bieten sie noch einen ausreichend hohen Return on Investment, selbst wenn nun eine Migration zu bewältigen ist?

Praxisbewährtes Vorgehensmodell

Auf der Basis der Erfahrungen mit zahlreichen Windows-Server-2003-Migrationen empfehlen HP und Microsoft zur Beantwortung dieser Fragen ein vierstufiges Best-Practice-Vorgehensmodell: "Discover, Assess, Target, Migrate" (also Inventarisierung, Bewertung, Zieldefinition, Migration). Im ersten Schritt sollte eine IT-Organisation stets mit einer umfassenden Inventarisierung seiner Anwendungsbestände beginnen - besteht doch häufig das Risiko, dass manch eine Altapplikation nicht im Asset-Managementsystem erfasst ist, sondern ihr Dasein lediglich einer Schatten-IT-Umgebung verdankt.

Im zweiten Schritt gilt es, den Applikationsbestand zu evaluieren und zu kategorisieren: Welche Anwendungen kann man problemlos auf eine aktuellere Basis hieven, welche nur mit Anpassungen, welche lassen sich gar nicht auf einen modernen Server migrieren?

Wichtig für das Gelingen eines Transformationsprojekts ist ein praxisbewährtes Vorgehen mit übergreifendem Projektmanagement und klaren Prozessen zur Abstimmung der IT auf die Unternehmensziele (IT Governance).
Wichtig für das Gelingen eines Transformationsprojekts ist ein praxisbewährtes Vorgehen mit übergreifendem Projektmanagement und klaren Prozessen zur Abstimmung der IT auf die Unternehmensziele (IT Governance).
Foto: HP

Neben der rein technischen Sichtweise gilt es hier aber vor allem, den Geschäftsbedarf hinter der jeweiligen Applikation zu ermitteln: Wer ist der Inhaber (Owner) der Applikation? Wie geschäftskritisch ist sie? In welchem Maß erfüllt die Anwendung noch die an sie gestellten Erwartungen? Die Kombination aus Technik- und Business-Betrachtungen kann hier sehr schnell ergeben, dass eine 1:1-Migration gar nicht wünschenswert ist: Hinterfragt man den Status quo, ergibt sich als Ziel statt einer Migration oft eine Konsolidierung, Aktualisierung oder Ablösung der Legacy-Applikation.

Nach dieser Evaluierung stellt sich in der dritten Phase die Frage der Zielarchitektur, um sich mit der Applikationslandschaft zu möglichst niedrigen Kosten zukunftssicher aufzustellen. Die Zielarchitektur kann der lokale Betrieb der Applikation(en) auf physischen oder virtualisierten Servern im eigenen Hause sein, aber auch die Nutzung in einer Hosted Private Cloud, die Ablösung einer Altanwendung durch eine Standardapplikation oder ein SaaS-Angebot (Software as a Service) - oder aber die Kombination verschiedener Cloud-Bausteine im Rahmen einer Hybrid Cloud. So könnte zum Beispiel eine lokal betriebene CAD-Anwendung (Computer-Aided Design) dank moderner Virtualisierungstechnik (VDI) auch in einer extern gehosteten Private Cloud laufen und den Nutzern künftig ortsunabhängig per Fernzugriff zur Verfügung stehen.

Hier gilt es also, den aktuellen und den geplanten Betriebsmodus der Anwendungen abzugleichen und gegebenenfalls eine Transformation der Applikationslandschaft einzuleiten. Zur Ermittlung der Ziele empfiehlt es sich, Workshops abzuhalten, die neben dem IT-Personal auch die Business-Verantwortlichen mit einbeziehen. Gemeinsam lassen sich dann die Ziele definieren, die gewünschten Benefits herausarbeiten und ein Phasenmodell für die Transformation ableiten.

Erfahrungsgemäß sind in einer größeren IT-Umgebung für solch ein Projekt mehrere Monate nötig - auch vor dem Hintergrund, dass das Support-Ende von Windows Server 2003 immer näher rückt. Deshalb empfiehlt sich für die Phase vier - die eigentliche Migration - eine Best-Practice-basierte Umsetzung, um die Migration und/oder Transformation der Anwendungslandschaft zügig und möglichst reibungsarm zu bewältigen.