Schlüsseldienst

Amerikaner wollen abhören

Die Verbindlichkeit stellen Politiker wie Tauss oder Siegmar Mosdorf allerdings in Frage. Letzterer ist nicht nur Vorsitzender der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" im Deutschen Bundestag, sondern auch Staatssekretär im BMWi und kein Befürworter der amerikanischen Kryptopolitik.

Für David Aaron, den amerikanischen Sondergesandten für Kryptographie, war dies ein Grund, Mosdorf zum Abendessen zu empfangen, um ihn über "die Wahrheit der amerikanischen Verschlüsselungspolitik" aufzuklären. Die amerikanischen Hardliner mit Vizepräsident Al Gore an der Spitze versuchen, Druck auszuüben. Ihr Ziel: Die Unterzeichnerstaaten des Wassenaar-Abkommens sollen ihre Entscheidung revidieren, Public-Domain-Software von der Exportkontrolle zu befreien.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn Firmen oder Privatleute dazu übergehen, Nachrichten nicht mehr unverschlüsselt via Telefon und Fax zu übertragen, sondern verschlüsselte E-Mails austauschen, sinkt die Effizienz des amerikanischen Abhörsystems "Echelon". Dieses Spionagenetz, das Kanada, Großbritannien, Neuseeland und Australien mit tragen, existiert seit nunmehr 50 Jahren. Es wird vom US-Geheimdienst National Security Agency (NSA, http://www.nsa.gov) betrieben.

Nach einem im Frühjahr 1998 vorgestellten Bericht der EU-Kommission durchforstet Echelon jede Minute mehrere Millionen Telefonate, E-Mails, Faxe und Telexe nach Stichwörtern und fängt "interessante" Mitteilungen ab. Ziele sind Organisationen, Unternehmen, Regierungen und Privatpersonen. Laut EU zapft Echelon auch die 25 Intelsat-Kommunikationssatelliten an, über die rund 90 Prozent aller Telefonate laufen.

Die Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder prüft derzeit, ob und welcher Sicherheitsbedarf durch die breite Nutzung der Informations- und Verschlüsselungstechniken entsteht und welche Maßnahmen erforderlich sind. In Wien, wo im vergangenen November eine Konferenz zur Verabschiedung einer sogenannten "General Software Note" stattfand, widersetzte sich die Schröder-Regierung erfolgreich dem Ansinnen der USA, den Zugriff von Polizeibehörden auf verschlüsselte Daten im Wassenaar-Abkommen zu verankern.

Unter Federführung des BMWi ist jetzt ein Aktionsprogramm geplant, das unter anderem der "Förderung des Einsatzes kryptographischer Verfahren zum Schutz der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation von Bürgern und Unternehmen" angemessen Rechnung tragen soll. Obwohl die Bundesregierung festgelegt hat, daß die Kompetenz in Sachen Kryptopolitik bei Bundeswirtschaftsminister Müller liegt, ist noch offen, welche Position der Nachfolger von Manfred Kanther im Bundesinnenministerium vertritt. Otto Schily gibt sich zum einen in Internet-Fragen bedeckt, andererseits bespricht er sich mit dem amerikanischen Kryptoexperten Aaron.