Weibliche Führungskräfte

Schieflage Frauenförderung

Noch zu viele weibliche Karrieren leiden unter Denk- und Verhaltensweisen ihrer männlichen Chefs. Zwei gestandene IT-Führungskräfte sprechen über die stärksten Bruchstellen.

Der öffentliche Druck ist hoch, die wirtschaftliche Notwendigkeit da, aber von nachhaltigem Wandel in Richtung gezielter Maßnahmen, um mehr Frauenkarrieren zu fördern - in vielen Unternehmen keine Spur. So lautet das Fazit des aktuellen HR-Reports 2013/14 des Personaldienstleisters Hays und dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE).

Anspruch und Wirklichkeit in punkto Frauenförderung klaffen, so eine zentrale Erkenntnis, in der Unternehmenspraxis noch weit auseinander. Zwar schreibt die Mehrheit der befragten Führungskräfte der Gender-Diversität in der eigenen Firma eine große Rolle zu: 54 Prozent haben verstärkt vor, weibliche Fach- und Führungskräfte einzustellen. Laut Report hapert es aber noch an ganz wesentlichen Voraussetzungen dafür. Selbst in der IT, Vorzeigebranche für flexibles Arbeiten, sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch nicht selbstverständlich, so die Befragten. Ferner bemängeln sie, zu wenig von ihren Vorgesetzten akzeptiert und eher in eine Schublade gepackt zu werden, wenn es um die Beförderung in die Top-Etage geht.

Toni Heimbring, Management-Coach: "Der Begriff ´Frauenförderung´geht am Thema vorbei.
Toni Heimbring, Management-Coach: "Der Begriff ´Frauenförderung´geht am Thema vorbei.

Müssen erst mentale Barrieren beiseite geräumt werden, um Frauen Karrieren zu ermöglichen? Eine Einschätzung hat Toni Heimbring, Geschäftsführer von Skills Development und selbst langjähriger Management-Coach in den Top-Etagen namhafter Technologieunternehmen: „Die Debatte wird falsch geführt. Viele Unternehmen lehnen nicht die Frauenförderung an sich ab, sondern das, was die breite Öffentlichkeit damit verbindet." Es komme immer darauf an, was man damit konkret bezwecke und wie man es dann priorisiere. Aus dem eigenen Führungsalltag weiß er: „Für Führung ist die gezeigte Leistung das wichtigste Kriterium. Wie aber lässt sich erfolgreiche Frauenförderung kausal nachweisen?"

Wenn sich zehn Männer und eine Frau auf eine Führungsposition bewerben

Nach Ansicht von Judith Wagener, einzige weibliche Senior-Managerin des IT-Dienstleisters Noventum Consulting, wird es für die IT schon viel früher problematisch. „In unserer Industrie geht es schon damit los, dass sich auf eine vakante Führungsposition zehn Männer und vielleicht eine Frau bewerben." Allein aufgrund ihrer Qualifikation, zum Beispiel eines Informatikstudiums könnten Männer gegenüber Frauen punkten, daher sei die Wahrscheinlichkeit groß, eine Führungsposition eher mit einem Mann zu besetzen. "Rein statistisch betrachtet erhalten Frauen also gar nicht die Möglichkeit in eine engere Auswahl zu kommen", klagt die Managerin.

Bevor Unternehmen also über die richtige Herangehensweise nachdenken, fähige Frauen in die Topetagen vorzulassen, müssten Firmen ihrer Ansicht nach bereits früh junge Frauen für eine berufliche Laufbahn in der IT begeistern. Erst wenn genügend qualifizierte weibliche Kandidatinnen für einen Führungsposten in Frage kommen, können laut Wagener, Fördermaßnahmen richtig greifen.

Judith Wagener, Noventum: "Viele Führungskräfte haben das Thema Frauenförderung nicht auf dem Radar."
Judith Wagener, Noventum: "Viele Führungskräfte haben das Thema Frauenförderung nicht auf dem Radar."
Foto: Wagener

Dennoch lässt sich die Schieflage der Geschlechter in der Führung nicht allein auf eine mangelnde Attraktivität der Branche zurückführen. Denn die IT-Industrie wartet bereits mit vielen gut ausgebildeten Frauen auf, die trotzdem nicht zum Zuge kommen. „Viele Linien-Führungskräfte haben das Thema Frauenförderung nicht auf ihrem Radar. Sie machen sich primär Gedanken darüber, wie sie den Erfolg und das Wachstum ihres Unternehmens in den nächsten Jahren sichern. Dabei führen sie vor allem funktional und bewerten das Geschlecht normalerweise nicht als erfolgsrelevant", so Wagener. Führungspositionen werden von der Mehrheit der Manager immer noch mit dauernder Präsenz im Büro assoziiert. Dies sei in vielen Organisationen noch eine weit verbreitete Erwartungshaltung.

Dennoch bemerkt Toni Heimbring: „Frauen, die sich eingestehen: `Ich schaffe das nicht`, Karriere um jeden Preis zu machen, sind möglicherweise klüger als wir glauben. Denn sie wissen, Führung bedeutet überdurchschnittliche Performance, aber vor allem permanenten zeitlichen, emotionalen und intellektuellen Einsatz." Frauen entscheiden sich sehr bewusst für die berufliche und familiäre Balance." Dies sei insofern tragisch, weil genau diese reflektierten und selbstbewussten Persönlichkeiten in Führungspositionen fehlen." Bei den männlichen Kollegen zeigt sich für Heimbring ein anderes Bild: „Männer werden häufig aus einer hohen Fachkompetenz heraus immer weiter befördert. Sie sind damit aber nicht zwangsläufig führungstauglich."