Verunsicherung im Markt

Scheinselbständig: IT-Freiberufler im Visier der Rentenversicherung?

Bis zum Sozialgericht

Rechtsanwalt Grunewald sagt über den Prüfprozess der Rentenversicherung: "In der ersten Runde fällt die Rentenversicherung oft das Urteil, dass der Freiberufler scheinselbständig ist. Legt man Widerspruch ein, entscheidet ein Gremium von drei Personen über den Fall. Selten ändert sich hier etwas am ersten Urteil. In der Regel kommt es dann zum Verfahren vor dem Sozialgericht, weil Auftraggeber sonst zahlen müssten." Beim Thema Sozialversicherungspflicht selbständiger IT-Berater habe er noch keinen Fall vor dem Sozialgericht verloren, sagt der Rechtsanwalt. Er vergleicht den Prüfprozess mit einem Puzzle: "Man braucht jedes Puzzleteil, um das Gesamtbild zu kennen. Die Rentenversicherung pickt sich oft genau die Punkte heraus, die für eine Abhängigkeit sprechen. Dabei muss man das gesamte Bild betrachten, auch jede kleine Nuance."

Rechtsanwalt Benno Grunewald, der auf IT-Freiberufler spezialisiert ist, beobachtet seit zwei bis drei Jahren, "dass die Rentenversicherung verstärkt versucht, aus IT-Selbständigen Angestellte zu machen."
Rechtsanwalt Benno Grunewald, der auf IT-Freiberufler spezialisiert ist, beobachtet seit zwei bis drei Jahren, "dass die Rentenversicherung verstärkt versucht, aus IT-Selbständigen Angestellte zu machen."

Das mit den Nuancen kann der eingangs erwähnte Freiberufler, der seit etwa zehn Jahren im süddeutschen Raum als selbständiger Berater und Programmierer arbeitet, bestätigen. Vor wenigen Jahren schickte die Rentenversicherung nicht wie gewohnt die Renteninformation, sondern stellte Fragen zu Beitragslücken. Als er antwortete, dass er selbständig sei, begann die Prüfung. Der Zeitaufwand habe sich im Rahmen gehalten, doch es habe Nerven gekostet, erinnert er sich. Mit Unterstützung eines Anwaltes füllte er den Fragebogen aus und stellte die Unterlagen zusammen, etwa archivierte Projektanfragen über Gulp und Xing, mit denen er seine Marktpräsenz belegen konnte. Seine Selbständigkeit wurde bestätigt, auch Rentenversicherungspflichtig ist er nicht. "Das Thema ist für mich nicht vom Tisch. Es kann ja sein, dass ich wieder geprüft werde", sagt er. Er achtet weiter darauf, sich konsequent als Unternehmer zu positionieren.

Was Scheinselbständige zahlen müssen

Im Falle einer festgestellten Scheinselbständigkeit hätte es so ausgesehen: "Freiberufler müssen die Sozialversicherungsbeiträge nicht nachzahlen. Es kann aber an anderen Stellen zu Nachzahlungen kommen, zum Beispiel bei der Steuer", erläutert Rechtsanwalt Felser. Auch wenn der Endkunde einen Freiberufler fest anstelle, könne es zu bösen Überraschungen kommen. Etwa, wenn der neue Arbeitgeber die gezahlten Honorare rückwirkend mit dem im Betrieb üblichen Stundensatz vergleichbarer Arbeitnehmer verrechne. Noch komplizierter kann es werden, wenn "Rentenversicherung, Finanzamt, Sozialgericht und Arbeitsgericht unterschiedlich über eine Selbständigkeit urteilen", so Felser."In allen IT-Berufen kann man auch als Selbständiger arbeiten. Der Knackpunkt ist, dass Unternehmen die IT-Experten in der Praxis wie Arbeitnehmer behandeln. Dabei muss es eine klare Abgrenzung geben. Selbständige sind nicht an einen Ort gebunden und teilen sich ihre Zeit frei ein," erläutert Michael Felser.

IT-Freelancerin Jutta Mumbächer-Lauer, die aktuell über den Vermittler Etengo bei einem DAX-Konzern arbeitet, nennt Beispiele, wie die Trennung erfolgreich praktiziert wird: "Verschicke ich Mails, ist in der Signatur klar erkennbar, dass ich externe Mitarbeiterin bin. In vielen Firmen gibt es eine räumliche Trennung zwischen Festangestellten und Freelancern."Mumbächer-Lauer spricht unaufgeregt über das Thema, mit dem sie in zehn Jahren Freiberuflichkeit nicht in Berührung kam. Sie hat sich früh mit ihrer Steuerberaterin ausgetauscht und achtet auf ein unternehmerisches Auftreten. Natürlich geht das Thema auch an Unternehmen nicht vorbei: