Rätselraten um Microsofts Antiviren-Einstieg

Mit der Übernahme von GeCAD, des Herstellers der RAV Antivirus-Software, hat Microsoft die IT-Szene verblüfft. Doch wieso übernimmt Microsoft ausgerechnet ein Unternehmen, dessen Stärke auf dem Gebiet von Sicherheitslösungen für Linux liegt?

Erste Theorien machen bereits die Runde, denn: Die RAV-Produktlinie wird nach der Übernahme eingestellt, die Technologie von RAV kommt nur noch komplett neu entwickelten Microsoft-Produkten zugute. Nur bestehende Vertragskunden bekommen noch Support durch GeCAD für die Dauer ihres laufenden Vertrags. GeCAD zufolge sollen immerhin zehn Millionen Anwender weltweit auf RAV und verwandte Lösungen vertrauen.

Kenner der IT-Szene wundern sich, weshalb Microsoft ausgerechnet GeCAD aufkauft. Denn das rumänische Unternehmen hat sich besonders durch seine Sicherheitslösungen für Linux-Plattformen einen Namen gemacht. Die RAV-Produkte sollen unter den Virenscannern für Linux-basierte Mailserver sogar eine Spitzenposition einnehmen und für Netware Groupwise gelten die RAV-Produkte nach Experten-Meinung als die einzige wirklich praktikable Lösung. Mailserver unter Linux sind aber eine ernst zu nehmende Konkurrenz zu Mail-Software wie Exchange von Microsoft.

Will Microsoft also ein erfolgreiches Linux-Unternehmen abservieren? Andreas Marx, Antiviren-Experte der PC Welt, kann sich keinen Reim auf die Übernahme eines Linux-Unternehmens durch Microsoft machen. Gerade erst hat Marx einen Test von Gecads Antivirus-Software für Linux abgeschlossen. Am Ergebnis besteht für Marx kein Zweifel: "GeCAD ist wirklich die beste Antivirus-Lösung für Linux."

Der Windows-Anteil am Gesamtumsatz von GeCAD ist im Vergleich zu den Linux-Produkten klein. Die Abrechnung erfolgt pro Server, die Anzahl der geschützten Clients spielt keine Rolle. So können Unternehmen viel Geld im Unterschied zu Konkurrenz-Software sparen, deren Lizenzgebühren sich nach der Zahl der Clients berechnen. Zudem bietet RAV eine Reihe von Features, die Software anderer Antiviren-Hersteller nicht so ohne Weiteres aufweisen kann. Reseller von GeCAD-Produkten in den Vereinigten Staaten, Kanada und Großbritannien bestätigten, dass der Großteil ihrer RAV-Verkäufe für Mailserver auf Linux-Plattformen gedacht ist. Michael Katz, der Chef von RAE Internet, dem US-Distributor von RAV Antivirus, ist von der Übernahme selbst schwer betroffen, verliert er doch einer seiner Hauptlieferanten. Katz will nicht abstreiten, dass Microsoft tatsächlich an der guten und preiswerten Technologie von GeCAD interessiert sei, doch genauso wenig will er ausschließen, dass Microsoft der Linux-Community damit einen Schlag versetzen will. (PC Welt/uba)